Breitflächige Impfungen sowie massive Staatshilfen lassen eine baldige Wirtschaftserholung erwarten. Risikobehaftete Anlagen wie Aktien bieten vor diesem Hintergrund interessante Anlagemöglichkeiten, auch wenn die Volatilität erhöht bleiben dürfte, schreibt Franz Wenzel von Axa Investment Managers.

Von Franz Wenzel, Anlagestratege von Axa Investment Managers

Nach gelinde gesagt schwierigen zwölf Monaten ist zum Jahresende etwas Licht am Ende des Tunnels sichtbar. Das Jahr 2021 dürfte in fast jeder Hinsicht besser werden als das ablaufende: Die Zulassungen verschiedener Impfstoffe sollten die Pandemie eindämmen und den Volkswirtschaften weltweit zu einer raschen Erholung verhelfen, gestützt von monetären und fiskalischen Massnahmen.

Der Weg zurück zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum wird beschwerlich sein und dürfte erst in der zweiten Jahreshälfte richtig an Fahrt gewinnen. Zudem wird er von Region zu Region sehr unterschiedlich ausfallen. Fürs Jahr 2020 werden mit Ausnahme von China alle grossen Volkswirtschaften ein negatives Wachstum ausweisen.

Substanzieller Erfolg

Für 2021 erwarten wir ein globales Wirtschaftswachstum von rund 5 Prozent. China wird die Tabelle mit 8 Prozent anführen, gefolgt von den USA und Grossbritannien mit rund 4,5 Prozent, und der Eurozone mit etwa 3,75 Prozent.

Damit sich diese Prognosen materialisieren, sind allerdings weitere massive wirtschaftspolitische Stimuli notwendig – und ein substanzieller Erfolg bei der Impfung breiter Bevölkerungsschichten.

Europa hat viele Probleme zu lösen

Die guten Nachrichten zu den Impfstoffen gegen das Coronavirus dürften erst ab dem Sommer zu einer Kurswende der Wirtschaft führen. Die Impfstoffe bieten jedoch Hoffnung, dass die ausser Kontrolle geratene Pandemie eingedämmt und die Gesundheitssituation normalisiert werden kann.

Trotz der absehbaren konjunkturellen Erholung wird es einige Zeit dauern, bis die Investitionstätigkeit anzieht. Überschusskapazitäten können nur langsam abgebaut werden, was den Anstieg der Beschäftigung verzögert. Diese realwirtschaftliche Situation wird die Teuerung auf Jahre hinaus niedrig halten.

Expansive Politik

Dieses Umfeld sollte den Regierungen helfen, die grosszügigen Stimulierungsmassnahmen fortzuschreiben. Die Folge davon wird ein beschleunigter Anstieg der Staatsverschuldung sein und streng genommen zu höheren Zinsen führen sollte. Doch die Europäische Zentralbank (EZB) steuert die Zinskurve implizit, und sie kann sich eine weiterhin expansive Politik leisten, zumal die Inflation weiterhin niedrig bleiben wird.

In Grossbritannien hat die Pandemie eine Produktionslücke von 10 Prozent hinterlassen. Der Wintereinbruch und der Brexit könnten eine konjunkturelle Erholung im 2021 verzögern. Auch wenn wir für das nächste Jahr ein Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent für Grossbritannien erwarten, bedeutet das, dass die Wirtschaftsleistung Ende 2021 immer noch 4 Prozent unter dem Niveau von Ende 2019 liegen wird.

Die Regierung dürfte 2021 weitere fiskalische Unterstützung liefern und die Bank of England ihre quantitative Lockerung ausweiten, ohne dass sie Negativzinsen einführt.

USA stützen sich einmal mehr auf die Fed

Wie erwähnt, erwarten wir in den USA ein starkes Wirtschaftswachstum von rund 4,5 Prozent im kommenden Jahr, was deutlich über dem Marktkonsens von 3,8 Prozent liegt. Diese Wachstumsrate dürfte sich in den Folgejahren jedoch abschwächen. Obwohl Joe Biden die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hat, ist eine «blaue Welle» ausgeblieben.

Das bedeutet, dass wahrscheinlich nicht mit viel mehr fiskalischer Unterstützung für die Wirtschaft gerechnet werden kann und noch mehr monetäre Massnahmen nötig werden. Die US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) dürfte die notwendige Unterstützung bieten und die Zinsen bis 2024 tief halten. Mit der Reduktion der Anleihenkäufe (Tapering) könnte sie jedoch schon Anfang 2022 beginnen.

China stark, Schwellenländer etwas wackelig

China, hat wegen der rigorosen und landesweiten Lockdowns in der ersten Jahreshälfte kurzfristig wahrscheinlich den stärksten Wirtschaftseinbruch erlitten. Gleichzeitig ist China das einzige Land, das eine zweite Pandemiewelle vermeiden konnte und eine echte V-förmige Erholung aufweist.

Die drastischen Stimulierungsmassnahmen Pekings tragen Früchte; sie werden nun schrittweise heruntergefahren und von einer «natürlichen» Wirtschaftsexpansion abgelöst. Strukturelle Probleme der chinesischen Wirtschaft wurden durch die Stimulierungsmassnahmen jedoch eher zementiert statt gelöst.

Fiskalische Stützungsprogramme

Die Schwellenländer insgesamt wurden von der Pandemie stärker getroffen als dies während der globalen Finanzkrise der Fall war. Exportabhängige, asiatische Volkswirtschaften wie Korea, Taiwan, Thailand und Singapur erholen sich relativ rasch vom Einbruch. Binnenorientierte Länder wie Indien, Indonesien und die Philippinen leiden immer noch stark unter den Folgen der Pandemie.

Wir erwarten für dieses Jahr (Schwellenländer ohne China) eine Wirtschaftskontraktion von -5 Prozent, 2008 war es ein leicht positives Wachstum von 0,7 Prozent. Unsere 2021-Prognose für die Schwellenländer beträgt 5,5 Prozent. Einige Schwellenländer haben jedoch nicht zuletzt wegen der fiskalischen Stützungsprogramme ein gefährliches Verschuldungsniveau erreicht.

Risikobehaftete Anlagen im Aufwind

Was bedeutet das alles für Investoren? Sie dürfen mit einer zyklischen Rally in risikobehafteten Anlagen rechnen, sobald die Impfstoffe breit verfügbar sind. Der Glaube der Investoren an eine wissenschaftliche Lösung für die Pandemie und die Massnahmen von Politik und Notenbanken haben die Aktienmärkte seit April in die Höhe getrieben.

In den nächsten Monaten dürften das anziehende Wirtschaftswachstum, sich erholende Unternehmensgewinne, Staatshilfen, die tiefen Zinsen und die anhaltende Liquiditätsschwemme weitere Unterstützung bieten. Besonders hart getroffene Sektoren bergen Raum nach oben, und Digitalisierung und «grüne» Investments liefern vielversprechende Anlagemöglichkeiten.

Verschiedene Unwägbarkeiten

Der Renditeanstieg von Staatsanleihen dürfte beschränkt bleiben; Unternehmensanleihen mit Anlagequalität (Investment Grade) sind im festverzinslichen Anlagesegment zu bevorzugen. Investoren sollten jedoch beachten, dass ein anhaltender oder neuerlicher Anstieg von Covid-19-Erkrankungen sowie politische und geopolitische Unwägbarkeiten zu hoher Volatilität führen können.


Franz Wenzel gehört seit 2016 dem Team ‹Multi Asset Client Solutions› von Axa Investment Managers an. Ab Mai 2012 koordinierte er als Chefstratege die Abteilungen makroökonomische Forschung und Investment-Strategie. Zwischen 2005 und 2010 war er stellvertretender Direktor der Abteilung Research & Investment. Wenzel stiess Ende 1997 als Senior Investment Strategist zu Axa IM und war verantwortlich für die makroökonomische Analyse der Eurozone und daran angrenzender Länder. Ab 2000 beschäftigte er sich schwerpunktmässig mit dem weltweiten Aktienmarkt und Rohstoffen als Anlageklasse.