Es ist eine Minderheit von Anlegern, die rein auf ihr Bauchgefühl hört – aber das mit Erfolg: Emotionale Anleger sind risikofreudiger, erzielten 2019 höhere Renditen und verdauen Krisen besser als rationale Anleger. Das zeigt der neue LGT Private Banking Report.

Von Eline Hauser, Marketing Manager, LGT

Menschen handeln oft emotional – auch am Aktienmarkt. Im Gegensatz zu ihrem rationalen Pendant lassen sie sich von ihrer Intuition, mitunter von Zweifel, Unsicherheit, Gier oder Hoffnung leiten.

Auch wenn dieser Anlegertyp manchmal skeptische Blicke erntet, kann das Verhalten durchaus auch erfolgreich sein, wie der LGT Private Banking Report zeigt.

Vom Bauchgefühl zur Rendite

2019 erzielten emotionale Anleger in der Schweiz, Österreich und Deutschland gemäss Studie eine überdurchschnittliche Rendite von knapp 15 Prozent (vs. durchschnittlich 10 Prozent). Das kann zum einen daran liegen, dass 55 Prozent der Anleger, die ihre Entscheidungen eher auf emotionaler als auf rationaler Basis treffen, sich auch als risikofreudiger einstufen.

Sie legen daher zum Beispiel mehr in risikoreichere Anlageklassen wie Aktien an. So lag der Anteil Aktien bei emotionalen Anlegern 2019 bei 44 Prozent, im Gegensatz zu 32 Prozent bei rationalen Anlegern – und je grösser der Aktienanteil im Portfolio war, desto höher die Rendite.

Zum anderen ist auch der Anteil aktiv gemanagter Fonds bei sich als emotional bezeichnenden Investoren grösser als bei der Vergleichsgruppe. Der Fokus dieser Anlegergruppe liegt damit stark auf einer Erhöhung der Rendite und dem Vermögenszuwachs.

Unter den Anlegern, die einen Vermögenszuwachs verfolgen, ist der Anteil emotionaler Investoren mit 14 Prozent deutlich höher, als bei Anlegern mit Vermögenserhalt als Ziel (7 Prozent).

Emotionale Anleger stecken Krisen besser weg

Dank ihrer Emotionalität stecken diese Anleger Krisen besser weg, während rationale Investoren die Finanzkrise von 2008 weitaus häufiger als einschneidendes Ereignis erlebt haben: Ganze 42 Prozent der Anleger, welche die Finanzkrise als einschneidend empfunden haben, stufen sich als rationale Anleger ein.

Gleichzeitig empfand ein grösserer Anteil emotionaler Anleger (16 Prozent), die Krise nicht als einschneidend (vgl. Abbildung 1).

Selbsteinschätzung: Emotionalität und Krisenerfahrung

Abbildung 1 de 500

(Zum Vergrössern, einfach Grafik anklicken: Ganz klar rationale Anleger, 42 Prozent, haben die Krise viel stärker als einschneidendes Ereignis erlebt, als eher rationale, 53 Prozent, oder emotionale Anleger, 5 Prozent.)

Doch warum bleiben emotionale Anleger gelassener? «Der Wirkungszusammenhang ist in diesem Fall nicht ganz klar», sagt Finanzprofessor Teodoro Cocca, «Die Ergebnisse können einerseits darauf hinweisen, dass die eigene – eventuell emotional traumatische – unmittelbare Krisenerfahrung zu einem weniger emotionalen und distanzierten Umgang mit Finanzmärkten geführt hat. Andererseits könnte es sein, dass gerade sehr rationale Investoren die Krise als besonders stark empfunden haben, da ihr Selbstverständnis eines weitgehend rational funktionierenden Finanzmarktes während der Krise stark erschüttert wurde».

Titel

Emotionale Anleger lassen sich von Krisen nicht verunsichern und bleiben ihrem Bauchgefühl treu: Lediglich 41 Prozent von ihnen geben an, ihre Anlageentscheidungen künftig vermehrt auf der Grundlage von Fakten zu treffen, während es bei den rationalen Investoren ganze 70 Prozent sind (vgl. Abbildung 2). Über die Jahre betrachtet, hat sich der relative Anteil der Rationalisten seit der Finanzkrise nicht wesentlich vergrössert.

Änderung der Rationalität: Anteile Rationale versus Emotionale

Abbildung 2 de 500

(Zum Vergrössern, einfach Grafik anklicken: Der Anteil rationaler Anleger nimmt trotz Krisenerfahrungen nur sehr gering zu, während der Anteil emotionaler Anleger über den Untersuchungszeitraum ungefähr gleich bleibt.)

Grossteil bleibt rational

Obwohl emotionale Anleger 2019 absahnten, machen sie nur einen kleinen Anteil aus. Im Ländervergleich zwischen der Schweiz, Österreich und Deutschland zeigt sich, dass lediglich 5 bis 16 Prozent der Anleger sich der Kategorie der emotionalen Investoren zuordnet.

Auch sind es im Jahr 2019 zum ersten Mal mehr Männer als Frauen (11 vs. 9 Prozent). Den Emotionen bei der Geldanlage freien Lauf zu lassen ist eben nicht jedermanns bzw. -fraus Sache.


Im Rahmen des LGT Private Banking Reports führte die Abteilung für Asset Management der Johannes Kepler Universität Linz unter Leitung von Universitätsprofessor Teodoro D. Cocca im Januar und Februar 2020 die seit 2010 sechste Befragung zum Anlageverhalten von Private-Banking-Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch. Insgesamt wurden 358 Personen befragt. Zentrales Kriterium für die Teilnahme an der Befragung war das frei verfügbare Anlagevermögen: in Deutschland und Österreich mehr als 500'000 Euro und in der Schweiz mehr als 900'000 Franken. Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Finanzmärkte wurde im April 2020 eine Anschlussbefragung mit den bereits im Januar durch das LINK Institut befragten Private-Banking-Kunden in der Schweiz durchgeführt.