Die Inflation gibt Aufschlüsse über die Zinsentwicklung und ist daher bedeutsam für alle Anlageklassen. Welchen Einfluss Inflation auf Renditen hat, analysiert Yves Longchamp von Ethenea.

Yves Longchamp, Head of Research bei Ethenea Independent Investors

Nach der globalen Finanzkrise war es eher die Deflation als die Inflation, die die Zentralbanker nachts wach hielt. Zwar ist die Gefahr einer Deflation überwunden, doch dafür zeigen sich nun erste Anzeichen einer anziehenden Inflation.

Bloomberg erwartet in seiner Konsensprognose bis zum Jahr 2020 einen Anstieg der Inflation auf 2,2 Prozent in den USA und 1,8 Prozent in der Eurozone. Zwei Werte, die weitgehend mit der Definition von Preisstabilität übereinstimmen (berechnet als mittelfristige Inflationsrate von 2 Prozent).

Preisstabilität als hohes Gut

Die von den Zentralbanken eingeführte Inflationssteuerung hat sich in den vergangenen 20 Jahren als effektive Massnahme zur Kontrolle der Inflation, und somit der Preisstabilität, erwiesen. Dabei ist und bleibt die Inflationsrate die ausschlaggebende Kennziffer, auf deren Basis die Zentralbanken über mögliche geldpolitische Schritte entscheiden.

Entscheidungen wie Zinssenkungen, Zinserhöhungen, quantitative Lockerungen und/oder quantitative Straffungen sind werden mit einer Bedrohung der Preisstabilität entweder durch Inflation oder Deflation gerechtfertigt. Anleger sind der Ansicht, dass diejenigen, die wissen wie sich die Inflation entwickelt, ebenso wissen wie sich die Zinsen verhalten werden. Da die Zinsrate die elementare Variable für alle Anlageklassen ist, ist die Inflation von essentieller Bedeutung.

Die aktuellen Erwartungen hinsichtlich der Inflationsentwicklung sind stabil auf einem Niveau nahe der Zielvorgaben. Die Wirtschaftsentwicklung ist auf beiden Seiten des Atlantiks sehr gut und auch die Prognosen sind positiv. Zudem ist der Arbeitsmarkt dynamisch, weitere Arbeitsplätze werden geschaffen und die Arbeitslosigkeit sinkt. In einigen Ländern haben die Arbeitslosenquoten ein Niveau erreicht, wie sie es zuletzt vor mehreren Jahrzehnten hatten.

In Deutschland war die Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung nicht mehr so niedrig. Und in den USA, Kanada und Grossbritannien liegen die Arbeitslosenquoten auf einem Niveau, das seit etwa zwei Generationen nicht mehr erreicht wurde. In den USA beispielsweise ist die Arbeitslosigkeit heute ungefähr auf dem Niveau des Sommers 1969, als die inzwischen pensionierten Babyboomer auf dem Woodstock Festival ausgelassen feierten.

Lohninflation verantwortlich für Preisdruck

Heutzutage ist die Lohninflation die wahrscheinlichste Quelle des zugrundeliegenden Preisdrucks und daher für Zentralbanken sowie Investoren wichtig. Sowohl auf dem alten, als auch auf dem neuen Kontinent sind Lohnsteigerungen von 2 Prozent, respektive 2,7 Prozent, zu verzeichnen.

Da Investoren die Löhne als den geeignetsten Indikator betrachten, um Vorhersagen zur zukünftigen US-Geldpolitik zu treffen, ist die Lohninflation zu einer sensiblen Grösse geworden. So löste Anfang Februar die Veröffentlichung der US-Lohnstatistik eine umfassende Marktkorrektur aus, da diese einen schnelleren Anstieg als erwartet verkündete. In der Folge stieg die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen (Referenzanleihe) auf über 3 Prozent - und führte dadurch zu einer Neubewertung aller Anlageklassen. Die Aktienkurse fielen, der bereits seit 15 Monaten andauernde Wertverlust des US-Dollars gegenüber dem Euro endete und die Credit Spreads weiteten sich aus.

Entsprechend hat die Fed im März eine absehbare Marschroute für weitere Zinserhöhungen eingeschlagen – nämlich 0,25 Prozent pro Quartal. Die EZB hat gerade angekündigt, ihr Anleihekaufprogramm einzustellen und sich fast schon zu einer ersten Zinserhöhung im Laufe des Sommers 2019 bekannt, wobei allerdings über darüberhinausgehende Zinsschritte nur spekuliert werden.

Derzeit hält sich die Inflation im Rahmen. Die aktuellen Inflationszahlen und auch die weiteren Erwartungen bewegen sich nahe den Zielsetzungen der Zentralbanken, so dass bei der Erhöhung der Leitzinsen keine Eile geboten ist. Die robuste Arbeitsmarktdynamik hat jedoch Bedingungen geschaffen, die eine gestiegene Lohninflation begünstigen und wir glauben, dass diese Entwicklung der Hauptgrund für künftige geldpolitische Entscheidungen sein wird.

Moderate Zinsanstiege erwartet

Wie sich Zinserhöhungen auf die gesamte Renditekurve auswirken, ist leider nicht ganz einfach vorherzusagen. In den USA liegt die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen (Referenzanleihe) bei 3 Prozent, wohingegen die der 10-jährigen deutschen Bundesanleihen bei lediglich 0,5 Prozent liegt. Insofern ist das Potenzial für zukünftig höhere Renditen in Deutschland zweifellos grösser als in den USA.

Seitdem die EZB das Ende ihres Anleihekaufprogramms angekündigt hat und eine erste Zinserhöhung nach dem Sommer 2019 als sehr sicher gilt, ist die Wahrscheinlichkeit für höhere Renditen in Deutschland gestiegen. Und steigen die Renditen in Deutschland, so werden diese auch in anderen europäischen Ländern steigen. Dies wird solange anhalten, bis ein Niveau erreicht ist, das für einige Länder, wie zum Beispiel Italien, zu hoch ist.

Allerdings lässt die Anzahl der Forward Guidances und Vorsichtsmassnahmen darauf schliessen, dass der Anstieg der Zinsen schrittweise erfolgen wird. In den USA spiegelt sich die Entwicklung der Zinsraten in der Struktur der Renditekurve wider und der Anstieg der zuvor genannten, langfristigen Renditen ist wahrscheinlich begrenzt.

Wir gehen davon aus, dass die Renditekurven in den kommenden Monaten aufgrund der Kombination aus strafferer Geldpolitik, positiver Forward Guidance und überschaubarer Inflation bei gleichzeitiger Wachstumsverlangsamung weiter abflachen werden. Frühindikatoren signalisieren bereits eine gewisse Verlangsamung der Wirtschaft und hinzu kommt, dass nun schrittweise Handelszölle eingeführt werden, sodass die Wachstumsrisiken langsam nach unten weisen. Da die Lohninflation hingegen ein Aufwärtsrisiko für die langfristigen Renditen darstellt, sollte diese zukünftig genau beobachtet werden.


Yves Longchamp ist Head of Research bei Ethenea Independent Investors. Er fertigt im Auftrag des Portfolio Management makroökonomische Analysen und Recherchen an und wertet die Zusammenhänge aus. Die Ergebnisse fliessen in die Investitionsentscheidungen des Fondsmanagements ein.