Nach den kräftigen Kursavancen, die der Medtech-Sektor im vergangenen Jahr den Anlegern beschert hat, macht sich nun eine gewisse Vorsicht bemerkbar. Sind die Chancen für weitere Avancen noch intakt?
Bereits an der Annual Healthcare Conference von J.P. Morgan im vergangenen Januar in San Francisco zeigte sich, dass die Anleger mittlerweile ihr Augenmerk wieder auf kleinere und mittelgrosse Medtech-Firmen richten.
Das kommt nicht von ungefähr. Denn 2014 fanden gleich drei grosse Übernahmen im Medizinaltechnik-Bereich statt: Medtronic kaufte Covidien, Becton Dickinson schnappte sich CareFusion, und Zimmer akquirierte Biomet. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass nun mittelgrosse Unternehmen in den Fokus der weiteren Konsolidierung gelangen.
Bis zu 25 Börsengänge
Als heisse Übernahmekandidaten gelten dabei vor allem Firmen, die innovative Produkte anbieten, etwa in der Frühdiagnose von Krankheiten oder für spezialisierte Verbrauchsgüter in der Chirurgie oder in der Intensivpflege, wie Stefan Blum (Bild links), Portfolio-Manager bei Bellevue Asset Management, im Gespräch erklärt.
Blum erwartet im laufenden Jahr auch 20 bis 25 Börsengänge. Damit werde sich die Zahl der Publikumsöffnungen (Initial Public Offering, IPO) in der Grössenordnung des Vorjahres bewegen, sagt der Fachmann. «Die breite Investorenbasis und der weltweit grösste Absatzmarkt für Medtech-Produkte sind ausschlaggebend dafür, dass auch europäische Firmen bevorzugt eine Kotierung an den US-Börsen anstreben», so Blum, der sein Augenmerk entsprechend auf die USA richtet.
Günstig bewertet
Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17 bewegen sich die Bewertungen im Medtech-Sektor weiterhin im unteren Rahmen des langjährigen Durchschnitts, wie Marcel Fritsch (Bild links), ebenfalls Portfolio-Manager bei Bellevue Asset Management, ergänzt. Investment-Opportunitäten ortet er im laufenden Jahr bei Firmen, die sich in Spezialsituationen befinden und weniger bei breiten Sektorentrends, wie dies 2014 der Fall.
Konkret nennt Fritsch acht Kriterien, auf die bei Medtech-Investments im laufenden Jahr zu achten ist:
- Unternehmen, die mit positiven Geschäftsergebnissen überraschen
- Unternehmen, deren Transaktionssynergien nur teilweise in den Aktienkursen reflektiert sind, weil die Transaktionsynergien zu konservativ geschätzt wurden (Beispiel: Zimmer)
- Produkt-Innovationen, die komplett neue Märkte kreieren
- Innovationen im Prozessbereich: «smart devices» wie zum Beispiel bei der Fernüberwachung von Herzpatienten
- Anbieter von Kapitalgütern, die von der verbesserten Ertragskraft und daraus resultierenden Investitionen der Krankenhäuser profitieren (Beispiel: Operationsroboter)
- Unternehmen, die in ihrer Entwicklungsphase von einem starken operativen Leverage profitieren oder von der Verlust- in die Profitabilitäts-Phase übergehen
- «Self-help»-Aktien: Gemeint sind Unternehmen die grosse betriebswirtschaftliche Probleme überwinden müssen, um zum Erfolg zurückzufinden (Beispiel: Getinge)
- M&A-Kandidaten: Kleinere- und mittlere Unternehmen aus dem Bereich der intelligenten Verbrauchsgüter für die Chirurgie und Intensivpflege (Beispiel: Angiodynamics)
Zu meiden sind dagegen überteuerte Wachstumstitel, die bereits eine Übernahmeprämie im Aktienkurs eingepreist haben; ebenso Firmen in der Verlustzone, die in diesem Jahr am Kapitalmarkt weitere Mittel aufnehmen werden, wie Fritsch weiter ausführt. Vorsichtig ist er schliesslich auch bei so genannten technischen Kurserholungen, die nichts mit der fundamentalen Situation eines Unternehmens zu tun haben.
Neue Investoren
Fazit: Längere Zeit fristete der Medtech-Sektor trotz seiner Outperformance-Qualitäten ein Schattendasein in den Portfolios vieler Investoren. Dies scheint sich nun langsam zu ändern, wie Stefan Blum feststellt.
Die entstehenden Megacaps wie Medtronic mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 100 Milliarden Dollar ziehen neue Investorengruppen an, was sich positiv auf die Aktienkurse auswirken sollte.
Potenzial für Überrenditen
Für 2015 beurteilen die Fachleute von Bellevue Asset Management die Aussichten als «äusserst vielversprechend». Die positiven Fundamentalfaktoren (stabiles Umsatz- sowie ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum) dürften sich noch akzentuieren, so dass die Aktien der Medizinaltechnik im laufenden Jahr neben ihren defensiven Eigenschaften auch ihr Potenzial für Überrenditen beweisen sollten.