Viele Menschen in der Schweiz denken in Bezug auf die Vorsorge nicht wie Sparerinnen und Sparer sondern wie Rentenbeziehende. Dies ergibt die dritte Fairplay-Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag der Zurich Schweiz.
«Viele Beitragszahlende sind weniger an dem Aufbau ihres Alterskapitals als an der Umwandlung dieses Kapitals in eine Rente interessiert», sagt Studienleiter Michael Hermann. Die neuste Ausgabe der Fairplay-Umfrage der Zurich Schweiz macht deutlich, wie stark der gesetzlich fixierte Umwandlungssatz in der Schweiz zum Sinnbild für die Rentenhöhe in der zweiten Säule geworden ist.
Er hat dazu geführt, dass viele Beitragszahlende weniger an dem Aufbau ihres Alterskapitals als an der Umwandlung dieses Kapitals in eine Rente interessiert sind. Während 39 Prozent der Erwerbsbevölkerung der Ansicht sind, dass vor allem der Umwandlungssatz für die Höhe ihrer späteren Rente ausschlaggebend ist, finden nur gerade 18 Prozent, dass hierfür vor allem die Höhe des Sparguthabens entscheidend ist.
Für 43 Prozent ist beides gleichermassen relevant. «Auch jüngere Befragte denken eher wie Rentenbeziehende als wie Sparerinnen und Sparer», erklärt Hermann.
Erwerbspersonen beurteilen die Umverteilung von Erträgen negativ
Trotz anhaltender Debatte über die Rentenreform gibt nur ein Drittel der Befragten an, die systemfremde Umverteilung in der zweiten Säule von den Erwerbstätigen an die Rentnerinnen und Rentner gut zu kennen. Werden die Befragten darüber informiert, schätzte bislang rund die Hälfte von ihnen diese Umverteilung als unfair ein.
«Bei der aktuellen Umfrage sind es noch 43 Prozent, die sich grundsätzlich an der Umverteilung stören», sagt Michael Hermann. Andere Mehrheitsverhältnisse zeigen sich, wenn Erwerbspersonen konkret gefragt werden, wie sie die Umverteilung von eigenen Erträgen beurteilen.
Eine Mehrheit von 58 Prozent der Befragten im Erwerbsalter findet es unfair, wenn Teile der mit ihrem Alterskapital erwirtschafteten Erträge für die Rentenleistung der aktuellen Rentnergeneration verwendet werden. Wenn es um das eigene Altersguthaben geht, ist die Umverteilung kein abstraktes Phänomen mehr: «Die persönliche Bindung zum Vorsorgekapital entscheidet darüber, ob es als unfair empfunden wird, wenn die eigenen Erträge zur Deckung der Renten anderer verwendet werden», erklärt Michael Hermann.
«Hier nehmen die Befragten die Perspektive von Sparerinnen und Sparern ein, die etwas für ihr eigenes Alter auf die Seite legen.» Auf dieser Ebene seien Erwerbstätige ansprechbar für Versicherungsmodelle der beruflichen Vorsorge, die nicht einzig auf Rentengarantie, sondern auch auf Performance setzten.
Hohe Ansprüche ans Alterseinkommen
Nach Ansicht der Schweizer Bevölkerung sind drei Viertel des derzeitigen Einkommens notwendig, um nach der Pensionierung ganz zufrieden zu sein. Dies ist deutlich mehr als das vom Bund definierte sozialpolitische Ziel, nach dem die erste (AHV) und zweite Säule (BVG) zusammen 60 Prozent des letzten Bruttoeinkommens ergeben sollten.
Dies zeigt die grosse Bedeutung einer Altersvorsorge, die über Basisleistungen hinausgeht, und es zeigt, wie wichtig es ist, Vorsorgelücken zu vermeiden respektive zu schliessen. 2022 lag die Jahresteuerung in der Schweiz so hoch wie zuletzt vor beinahe 30 Jahren.
Steigt das allgemeine Preisniveau, wird nicht nur der Konsum teurer, auch das Finanzvermögen verliert an Wert. Dennoch macht sich ein deutlich höherer Teil der Bevölkerung Sorgen über die steigenden Lebenshaltungskosten (73 Prozent) als über die Abwertung ihrer Ersparnisse (43 Prozent).
Gar nur 29 Prozent der Betroffenen sorgen sich wegen des Kaufkraftverlusts ihres Alterskapitals in der zweiten Säule. Weil die Mehrheit der Befragten das eigene Pensionskassen-Guthaben nicht zum Vermögen zählt, besteht nur eine schwache Bindung zu diesem wichtigen Vermögensbestandteil.
Besonders ausgeprägt ist dies bei Frauen. Diese sorgen sich noch seltener über die Entwertung ihres Sparguthabens in der zweiten Säule als die Bevölkerung insgesamt.
Bevölkerung sieht Lohnabzüge vermehrt als Investition
Eine Bewusstseinsentwicklung zeigt sich bei der Einschätzung der Lohnabzüge. Bei der Befragung von 2022 gaben nur 47 Prozent der Befragten an, dass die BVG-Lohnabzüge eine Investition ins eigene Alterskapital sind. In der aktuellen Befragung ist dieser Wert auf 53 Prozent gestiegen.
Die übrigen Befragten sehen darin eine Art Steuer oder Gebühr. Obwohl sich also das Bewusstsein für den Vermögens- und Investitionscharakter der Pensionskassen-Beiträge etwas verbessert hat, bleiben die Auswirkungen auf das Handeln bescheiden.
So gibt weiterhin nur jede fünfte Person an, dass sie sich vor dem Antritt einer neuen Stelle um die Ausgestaltung der Vorsorgeleistung des neuen Arbeitgebers respektive der neuen Arbeitgeberin kümmert. Seit 2021 untersucht die Studienreihe «Fairplay in der beruflichen Vorsorge» das Wissen, die Einstellungen sowie die Bewusstseinsdefizite in Bezug auf die zweite Säule der Schweizer Altersvorsorge.
Für die Umfrage haben die Zürich Versicherungs Gesellschaft und die Vita Sammelstiftungen zum dritten Mal mit dem Forschungsinstitut Sotomo zusammengearbeitet. Im Januar 2023 wurden über 1’800 Personen befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die sprachintegrierte Bevölkerung in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz.