Zwei Jahre nach Inkrafttreten der Regeln für den Fondsvertrieb in der Schweiz, kurz Fidleg, gibt die Banque Heritage einen ersten Überblick über die bisherige Entwicklung und liefert einige Beobachtungen, die auf den bisherigen Erfahrungen im In- und Ausland beruhen.
Von Antoine Royer, Head of Fund Representation & Paying Agent Services, Banque Heritage
Als eines der grössten Zentren für Vermögensverwaltung ist die Schweiz auch ein äusserst attraktiver Standort für Fondsmanager. Für ihre Marketingstrategie in der Schweiz müssen Fondsmanager und Vertriebspartner entsprechend festlegen, welche Anlegerinnen und Anleger sie ansprechen wollen, und welche Marketing-Ressourcen ihnen dabei zur Verfügung stehen.
In diesem Zusammenhang gilt es, verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, darunter die Strategie des Fonds, die Rechtslage sowie die Compliance-Implikationen. Zudem sind die Massnahmen zu bestimmen, mit denen die Schweizer Vorschriften eingehalten werden können. Die in diesem Bereich getroffenen Entscheidungen haben letztlich sowohl betriebliche als auch finanzielle Konsequenzen.
Viele in der Schweiz vertriebene Fonds sind im Ausland domiziliert, da in der Schweiz ansässige Fondsmanager den Zugang zu anderen Märkten, namentlich der EU, anstreben. Deshalb empfiehlt die Banque Heritage stets, die spezifischen Regeln für ausländische (nicht in der Schweiz domizilierte) Fonds, die in der Schweiz vertrieben werden, genau zu analysieren.
Wichtigste Ausnahmen und Befreiungen
Die wichtigsten Vorschriften für den Fondsvertrieb sind im Schweizer Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) und im Kollektivanlagengesetz (KAG) enthalten.
Obwohl die meisten Vorschriften zum Fondsvertrieb mit dem Inkrafttreten des Fidleg 2020 vom KAG ins Fidleg verschoben wurden, enthält das KAG nach wie vor spezifische Vorschriften, wie die Auflage, einen Fondsvertreter und eine Zahlstelle in der Schweiz zu benennen, um einen Fonds auch an Kleinanleger sowie an vermögende Privatpersonen (High Net Worth Indidividuals, HNWI) und nicht-professionelle Family Offices zu vertreiben.
Ein weiteres wichtiges Merkmal des Fidleg ist, dass nur Interaktionen mit «Endanlegern» als Finanzdienstleistungen eingestuft werden (zum Beispiel Fondsvertrieb). Interaktionen mit «Intermediären» fallen nicht unter das Fidleg.
Bietet also ein Fondsmanager seinen Fonds einem «Intermediär» wie einer Schweizer Bank oder einem Schweizer Vermögensverwalter an, der den Fonds anschliessend einem Kunden im Rahmen eines Vermögensverwaltungs- oder Beratungsmandates empfiehlt, so fällt das Angebot des Fondsmanagers an den Intermediär nicht in den Anwendungsbereich des Fidleg.
Mit anderen Worten: Das Fidleg ist auf diese Tätigkeit nicht anwendbar. Das Regelwerk gilt jedoch für Vermögensverwaltungs- und Beratungsmandate zwischen der Schweizer Bank (oder dem Schweizer Vermögensverwalter) und ihren jeweiligen Kunden.
Das Fidleg erlaubt auch die «Reverse Solicitation» für ausländische Vermögensverwalter. Will heissen: Wenn ein in der Schweiz ansässiger Anleger auf seine ausdrückliche Initiative hin Informationen über einen Fonds bei einem ausländischen Fondsmanager oder Vertriebspartner anfordert, kann dieser Manager (oder Vertriebspartner) den Fonds an diesen Anleger vertreiben, ohne den Anforderungen des Fidleg und des KAG zu unterliegen.
Juristen sind sich jedoch einig, dass die «Reverse Solicitation» nicht als Geschäftsmodell oder Marketing verwendet werden kann, um die Schweizer Vorschriften zu umgehen. Denn es gelten strenge Bedingungen, und die «Reverse Solicitation» muss eine Ausnahme bleiben.
Fondsvertriebsregeln nach Fidleg und KAG
Wenn das Fidleg und KAG auf einen Fondsvertrieb anwendbar sind (das heisst, keine Ausnahmeregelung gilt, wie der Vertrieb an einen Intermediär oder Reverse Solicitation), müssen folgende Regeln beachtet werden:
1. Kundenklassifizierung und das Recht des Kunden auf «Opt-in» oder «Opt-out»
Ein Vertriebspartner (Fondsmanager oder Vermittler) muss einen Kunden zuerst in eine der bestehenden Kategorien des Fidleg einordnen:
- Private Anleger
- Professionelle Anleger
- Institutionelle Anleger
Dabei muss der Vertriebspartner die Frage danach explizit stellen und vom Kunden oder der Kundin eine schriftliche Bestätigung einfordern.
Er muss die Klientel auch darüber informieren, dass sie (unter bestimmten Umständen) ihre Meinung ändern und die Kategorie wechseln können (Opt-out: Wechsel in eine weniger geschützte Kategorie oder Opt-in: Wechsel in eine stärker geschützte Kategorie). Auch hier ist wiederum eine schriftliche Bestätigung des Kunden oder der Kundin erforderlich.
2. Die Regeln des Fidleg-Verhaltenskodex und einige Ausnahmen
Das Fidleg legt Verhaltensregeln fest, von denen aber nur einige für den Fondsvertrieb gelten. Für andere Dienstleistungen wie das Portfolio-Management oder Beratungstätigkeiten sind strengere Verhaltensregeln verbindlich. Je nach Anlegerkategorie gelten auch Ausnahmen.
Die Verhaltensregeln im Fidleg sind:
- obligatorisch für den Vertrieb eines Fonds an private Anleger
- obligatorisch für den Vertrieb eines Fonds an professionelle Anleger, aber mit der ausdrücklichen Zustimmung dieser Anleger kann darauf verzichtet werden (obwohl in der Praxis festzustellen ist, dass die
Vertriebspartner zu Beginn eines Gesprächs über die Vermarktung eines Fonds mit einem potenziellen Kunden nur ungern um einen solchen Verzicht bitten)
- nicht obligatorisch für den Vertrieb eines Fonds an institutionelle Anleger
Die wichtigsten Fidleg-Verhaltensregeln, die für die Tätigkeit des Fondsvertriebs gelten, sind:
- die erforderliche Kenntnis des Verhaltenskodexes für Personen, die den Fonds in der Schweiz vertreiben (etwa Mitglieder im Business Development und in den Investor-Relations-Teams)
- die Informationspflicht in Bezug auf den Vertriebspartner, den Fonds, die Kosten, Interessenkonflikte, Vermittlungsrechte, Optionsrechte
- die Dokumentationspflicht: Ein Kunde kann Zugang zu allen Dokumenten und Informationen verlangen, die er in der Vergangenheit erhalten hat
- die Verpflichtung zur Rechnungslegung: Die Fondsdokumentation wird dem Kunden regelmässig oder auf seinen Wunsch hin zugestellt.
3. Die Fidleg-Regeln der internen Organisation sind zu beachten
Die Vertriebspartner der Fonds müssen bei ihrer internen Organisation bestimmte Standards einhalten. Es gilt jedoch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Er hängt von der Grösse, der Komplexität, der Rechtsform und der erbrachten Finanzdienstleistung ab. Eine einzelne (unabhängige) Person, die einen Fonds in der Schweiz vertreibt, muss nicht die gleichen Standards einhalten wie eine grosse Vermögensverwaltungsgesellschaft.
Die wichtigsten Standards beziehen sich auf:
- die angemessene interne Organisationsstruktur
- das Wissen, die Fähigkeiten und Erfahrung der Mitarbeitenden
- angemessene Massnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten
- die Information und Zustimmung der Kunden zu Vergütungen, die von Dritten stammen (dies hat wichtige Konsequenzen für Fondsvermittler)
Obwohl viele Fondsmanager in der Praxis bereits über die richtigen internen Organisationsregeln verfügen, um die Schweizer Standards zu erfüllen, könnte eine detaillierte Analyse wichtig sein, um eventuelle Lücken vor dem Start des Vertriebs zu identifizieren.
4. Spezifische zusätzliche Regeln
Das Fidleg und KAG bieten bestimmten Anlegerinnen und Anlegern, wie UHNWI oder nicht professionellen Family Offices, zusätzlichen Schutz. Dies führt zu weiteren Pflichten und Anforderungen für Vertriebspartner von Fonds:
- Das mit dem Fondsvertrieb beauftragte Unternehmen muss sich einem Schweizer Ombudsmann (Schlichtungsstelle) anschliessen.
- Einzelpersonen (Beschäftigte des Fondsmanagers oder des Platzierungsagenten oder unabhängige Vertriebspartner) müssen sich in ein Schweizer Kundenberaterregister eintragen.
- Der Fonds muss einen Schweizer Fondsvertreter und eine Zahlstelle (eine Schweizer Bank) benennen.
- Um einen Fonds an «reine» Kleinanlegerinnen und -anleger zu vertreiben (die sich nicht dafür entschieden haben, als professionelle Anleger zu gelten), muss ein Vertriebspartner den Fonds bei der Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) anmelden.
In der Praxis werden jedoch hauptsächlich Schweizer und UCITS-EU-Fonds (mit Plain Vanilla-Strategien) bei der Finma registriert.
Nach der Registrierung muss der Fonds seine wichtigsten Dokumente und seinen Nettoinventarwert veröffentlichen, und alle Änderungen sind der Finma zu melden. Dies ist mit Kosten und operativen Auswirkungen verbunden.
Diese Lösung ist daher nicht für alle Fonds geeignet, insbesondere nicht für Fonds mit alternativen Strategien oder sogar mit einfachen Strategien, die nicht in der Schweiz oder der EU domiziliert sind.
Eine alternative, einfachere und kostengünstigere Lösung besteht darin, sich auf die so genannten «vermögenden Privatpersonen und nicht-professionellen Family Offices» zu konzentrieren. Die einzige Bedingung ist, dass sie sich dafür entscheiden, als «professionelle Anleger» betrachtet zu werden.
Der pragmatische Ansatz des Fondsvertriebs
Erfahrungen zeigen, dass es einfacher und kostengünstiger sein kann (oder aufgrund der Fondsstrategie oder des Domizils alternativlos ist), einen Fonds nicht bei der Finma registrieren zu lassen, sondern sich auf professionelle sowie institutionelle Schweizer Kunden zu konzentrieren.
Das Angebot der Banque Heritage konzentriert sich auf diese Art von Fonds und Strategien für Fondsmanager und Vertriebspartner, die sich nicht an den Schweizer Privatkundenmarkt wenden (aufgrund zusätzlicher Kosten und operativer Prozesse); aber dennoch in der Lage sind – aufgrund der Strategie ihres Fonds – HNWIs und kleinere Family Offices anzusprechen.
Als Schweizer Finanzinstitut kann die Banque Heritage als Schweizer Fondsvertreterin und als Zahlstelle für ausländische Fonds fungieren, und zwar über eine einzige Kontaktstelle und einen kombinierten Fondsvertreter- und Zahlstellenvertrag.
Sie unterstützt dabei die Fondsmanager in allen Belangen: Fidleg-Kundenklassifizierung, Fidleg-Verhaltenskodex und interne Organisationsvorschriften, Anschluss an einen Schweizer Ombudsmann, Eintragung in ein Kundenberater-Register, Bereitstellung von schweizerischen Offenlegungen, die in die Fondsdokumente aufzunehmen sind.
Antoine Royer verfügt über mehr als 20 Jahre an Erfahrung in den Bereichen Fonds, Vermögensverwaltung und Private Banking. Bevor er Ende 2021 die Verantwortung für Fund Representation & Paying Agent Services bei der Banque Heritage übernahm, war er in Genf bei mehreren Finanzdienstleistern und Privatbanken für die Analyse und Auswahl von Fonds sowie für Fondsdienstleistungen zuständig.