Eine wirksame Reaktion auf die Doppelprobleme des Klimawandels und des Verlusts der biologischen Vielfalt muss auch auf der Verbesserung der Gleichstellung der Geschlechter beruhen.
Von Jane Ambachtsheer, Sustainability Executive, BNP Paribas
Das sich verändernde Klima kann weltweit erhebliche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben, und der durch menschliche Eingriffe wie das Abholzen ausgelöste Niedergang der Artenvielfalt kann wiederum das Klima beeinträchtigen. Aber spielt das Geschlecht von Mann und Frau dabei auch eine Rolle?
Immer zahlreichere Untersuchungen zeigen, dass die miteinander verbundenen Probleme des Klimawandels und des Artensterbens die Frauen unverhältnismässig hart treffen werden. Zudem zeigen sie, dass Frauen beim Bewahren der biologischen Vielfalt und des Klimas eine zentrale Rolle spielen.
Auswirkungen des Klimawandels auf Frauen in der Landwirtschaft
Die zunehmend schädlichen Auswirkungen extremer Wetterereignisse waren besonders in den aufstrebenden Volkswirtschaften zu spüren, also in Ländern, wo Frauen einen Grossteil der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte ausmachen. Ihre starke Beteiligung an der Landwirtschaft sowie die Ungleichbehandlung, wie beispielsweise ihr Ausschluss von traditionellen Finanzsystemen, machen Frauen anfälliger für Naturkatastrophen, den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt.
Arme Frauen haben ein 14-mal höheres Risiko als Männer, bei einer Naturkatastrophe zu sterben, und sie machen etwa 80 Prozent der Klimaflüchtlinge aus. Ausserdem haben sie weniger Zugang zu Ressourcen, die ihre Fähigkeit zur Anpassung an den Klimawandel verbessern würden. Zu solchen Ressourcen gehören auch Dienstleistungen, die helfen können, die finanziellen Auswirkungen von Katastrophen und Umweltbedrohungen abzufedern. Hätten die Frauen dazu im selben Umfang Zugang wie die Männer, würden gemäss Uno die landwirtschaftlichen Erträge um 20-30Prozent steigen.
Die Covid-19-Pandemie hat diese Beeinträchtigungen noch verstärkt, indem sie Frauen gezwungen hat, ihre bezahlte Tätigkeit zugunsten der Betreuung von Kindern, Senioren und anderen Pflegebedürftigen aufzugeben. Gemäss einer Schätzung des World Economic Forum (WEF) sind infolge der Corona-Pandemie die weltweiten Bemühungen zur Herbeiführung der Geschlechtergleichstellung um 36 Jahre zurückgeworfen worden. Ohne Gegenmassnahmen ist im Zusammenhang mit dem gestörten Klima ein noch grösserer Rückschritt zu erwarten.
Gemeinsam handeln
Es ist wichtig, diesen Problemkreis zu verstehen, wenn man das Klima schützen, die Artenvielfalt bewahren und Geschlechtergleichstellung erreichen will. Frauen spielen bei der Lösung der Umweltprobleme eine entscheidende Rolle, zum Beispiel bei Klimastrategien, die auf Ökosystemleistungen beruhen und soziale, kulturelle sowie wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Es gibt Hinweise darauf, dass Frauen in Bezug auf lokale Arten mehr Wissen besitzen und dass die Stärkung der Frauen zu wirksameren und effizienteren Anstrengungen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt führt.
So etwa in Kenia, wo die Mtangawanda Mangrove Restoration Women Group (Vereinigung zur Wiederherstellung der Mangrovenwälder von Mtangawanda) mithilft, erschöpfte Mangrovengebiete zu überwachen, zu erhalten und wieder herzustellen, was zur Stärkung der Artenvielfalt, der Klimastabilität und der Kohlendioxidabscheidung beiträgt. Ihre Mitglieder erhalten Darlehen für Kleinunternehmen und werden ausgebildet, die Mangrovenwälder zu pflegen und zu schützen.
Weltweite Finanzierungslücke
Das Programm trägt dazu bei, eine der grössten Ungleichheiten für Frauen in vielen Ländern der südlichen Halbkugel zu beseitigen: den mangelnden Zugang zu Finanzdienstleistungen. Die Internationale Finanz-Corporation (IFC) schätzt, dass zu Ungunsten von Kleinunternehmen mit weiblichen Eigentümern weltweit eine Finanzierungslücke von 300 Milliarden Dollar besteht. Diese Lücke zu schliessen könnte enorme positive Auswirkungen auf die Frauen, das Klima und die Artenvielfalt haben.
Auf breiterer Ebene soll der globale Rahmen für die biologische Vielfalt in der Zeit nach 2020, bezüglich geschlechtsspezifischer Fragen, an der in China bevorstehenden COP zum Thema Artenvielfalt erörtert werden.
Kraft der Frauen nutzen
In anderen Bereichen haben Untersuchungen ergeben, dass weibliche Führungskräfte und Geschlechtervielfalt in den Unternehmen zu einer besseren Klimapolitik führen können. Wirksame Massnahmen zur Bewahrung der biologischen Vielfalt und zur Eindämmung des Klimawandels müssen die Gleichstellung der Geschlechter in den Bereichen Planung, Finanzierung, Kapazitätsaufbau, Technologieentwicklung und Entscheidungsfindung vorantreiben. Alles andere würde die Erfahrung und das Fachwissen der Hälfte der Weltbevölkerung ignorieren.
Sowohl in den öffentlichen und als auch in den privaten Bereichen, von den Finanzeinrichtungen bis zu den landwirtschaftlichen Betrieben, kann viel mehr getan werden, um die Leistung der Frauen bei der Gestaltung einer gerechteren und nachhaltigeren Welt nutzbringend einzusetzen.