Zum Erreichen der Klimaziele des Übereinkommens von Paris sind Technologien erforderlich, die bisher noch nicht im grossen Massstab eingesetzt werden. Sowohl öffentliche als auch private Finanzierung ist dringend nötig, um diese Technologien zur vollständigen Marktreife zu bringen.

Von Thibaud Clisson, Senior ESG/SRI Analyst bei BNP Paribas AM

Um das Ziel des Übereinkommens von Paris, die globale Erwärmung auf maximal 1,5°C zu begrenzen, erreichen zu können, müssen die globalen Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2050 auf netto Null reduziert werden. Alle Anstrengungen müssen sich darauf konzentrieren, dieses Ziel mit den technologischen Mitteln zu erreichen, die bereits zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus müssen jene Wirtschaftsbereiche, deren Kohlenstoff-Emissionen schwieriger zu reduzieren sind, deutlich «sauberer» werden – und das grösstenteils durch Technologien, die aktuell noch weitere Forschung und Entwicklung benötigen, bevor sie im grossen Rahmen eingesetzt werden können.

Technologische Fortschritte

Konsumreduzierung und Energieeffizienzerhöhung werden eine grosse Rolle spielen. Die Stromnetze müssen kohlenstoffärmer werden, und klimafreundlicher Strom muss sich in so vielen Bereichen wie möglich durchsetzen.

In den letzten Jahrzehnten hat der Stromerzeugungssektor massive technologische Fortschritte gemacht. Gezielte staatliche Förderung sowie öffentliche und private Investitionen haben dazu geführt, dass der Preis für Strom aus Wind- und Solarenergie auf ein Niveau unter dem Preis für konventionellen Gasstrom gefallen ist.

Kohlenstoff-Sequestrierung (Carbon Capture)

Für die Bereiche, die nicht auf elektrische Energie umgestellt werden können, werden andere Technologien benötigt. Das bedeutet, nach alternativen Brennstoffen zu suchen oder Kohlenstoffemissionen einzufangen bzw. zu sequestrieren, entweder direkt bei der Erzeugung oder durch das Entfernen von CO2 aus der Atmosphäre, um diese Emissionen zu kompensieren.

In der Schwerindustrie beispielsweise ist eine Umstellung auf Elektroenergie aufgrund der benötigten hohen Betriebstemperaturen nicht realisierbar. Technologien wie Kohlenstoff-Sequestrierung (Carbon Capture and Storage – CSS) und Kohlenstoff-Wiederverwertung (Carbon Capture and Usage – CCU) sind hier möglicherweise die Lösung, jedoch erfordert CCU die chemische Extraktion von CO2 aus industriellen Verbrennungsgasen, um es dann unterirdisch transportieren oder anderweitig nutzen zu können.

Um CCU erfolgreich einsetzen zu können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt werden: Erstens müssen genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, um CCU zu einer marktreifen Technologie zu entwickeln. Zweitens muss eine effektive Methode vorhanden sein, um dem aufgefangenen CO₂ einen Wert beizumessen oder es attraktiv zu machen. Eine Möglichkeit dafür wäre die Festlegung eines realistischen Kohlenstoffpreises.

Auch die meisten Szenarien des «Intergovernmental Panel on Climate Change» (IPCC) zur Erreichung des 1,5°C-Klimaziels setzen bis zu einem gewissen Grad auf Negativ-Emissionstechnologien, die CO2 aus der Atmosphäre entfernen, entweder über Bioenergie und Kohlenstoff-Sequestrierung (Bioenergy and Carbon Capture and Storage – BECCS) oder das direkte Einfangen von Kohlendioxid aus der Luft.

Hierbei ist auch zu beachten, dass beide Technologien beim Einsatz in grossem Massstab Fragen bezüglich ihres Energie- und Wasserverbrauchs sowie ihres Flächenbedarfs aufwerfen.

Blauer und grüner Wasserstoff

Viele grüne Covid-19-Wirtschaftserholungsprogramme fokussieren sich auf den Wasserstoffsektor. Da die traditionellen Methoden zur Produktion von Wasserstoff den Ausstoss von CO2 beinhalten kann die Kohlenstoff-Sequestrierung (Carbon Capture and Storage – CSS) durch Integration in den Prozess zum Einfangen von Emissionen eine Rolle spielen, indem sie sogenannten Blue Hydrogen respektive «Blauer Wasserstoff» hervorbringt.

Die Gesamteffizienz von «Blauem Wasserstoff» und die Umweltbedenken bezüglich der Kohlenstoff-Sequestrierung sind jedoch ein Problem, was diese Lösung nicht unbedingt zur vielversprechendsten macht.

Green Hydrogen respektive «Grüner Wasserstoff» ist die wohl zukunftsträchtigere Lösung. Diese Technologie macht es möglich, Wasserstoff gewissermassen als Vektor für erneuerbare Energie zu nutzen, etwa für Heizwärme, im Transportwesen oder in Industrien wie der Stahlproduktion.

Beschleunigung der Technologie-Entwicklung

Obwohl «Grüner Wasserstoff» und die Kohlenstoff-Sequestrierung als ein wichtiges Element aller Pläne für eine grüne Wirtschaftserholung und die Bekämpfung des Klimawandels anerkannt sind, besteht das Problem bei beiden Verfahren darin, dass massive Weiterentwicklungen notwendig sind, um diese Technologien in grossem Massstab kommerziell nutzbar zu machen.

Der letztjährige Technologiebericht «2020 Energy Technology Perspectives Report» hebt hervor, dass die benötigten Technologien zur Realisierung von etwa 75 Prozent der erforderlichen Emissionssenkungen zur Erreichung des Netto-Null-Klimaziels noch nicht ausgereift sind. Der Bericht empfiehlt eine baldige Finanzierung aus öffentlicher und privater Hand, um diese Technologielösungen zur Marktreife zu bringen.

Die Mittel dazu sind vorhanden, aber die Anstrengungen müssen verdoppelt werden. Indem die Investitionen ohne Verzögerung beschleunigt werden, kann das Netto-Null-Emissionsziel idealerweise erreicht werden.

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Zur Verwirklichung einer Netto-Null-Kohlenstoffbilanz muss die kohlenstoffarme Stromerzeugung erheblich ausgeweitet werden, und die Umstellung auf Elektroenergie ist der Schlüssel, wobei Wasserstoff- und CCU-Technologien die Wirtschaftssektoren abdecken, die nicht auf Elektroenergie umgestellt werden können