Boucherville schaut auf 30 erfolgreiche Jahre als Weinhändler und -importeur zurück. Doch wie hat alles angefangen und was ist seither alles geschehen? Ein Interview mit Inhaber Tim Abegg und Geschäftsführer Mathieu Zimmermann.


Herr Abegg, aus welcher Motivation heraus haben Sie die Firma Boucherville gegründet?

Ich hatte schon immer eine grosse Weinpassion. Früher begleitete ich meinen Schwiegervater auf Weinauktionen in Trier. Später besuchte ich öfters Messen wie die London Wine Trade Fair – damals die wichtigste Weinveranstaltung in Europa – und knüpfte internationale Kontakte zu Produzenten.

Als sich mir dann die Möglichkeit bot, eine grössere Menge Grange von Penfolds zu importieren, nahm die Idee zur Firmengründung Gestalt an. Die heutige Boucherville AG ging dann 1991 aus der Fusion mit der Firma Gastro Cave von Peter Kuhn hervor.

Welche Ziele verfolgten Sie?

Von Beginn weg war unsere Philosophie den Fokus auf Spezialitäten zu setzten und keine Mainstream-Weine anzubieten. Unsere Nischenprodukte wollten wir Liebhaberinnen und Liebhabern in der Schweiz zu einem fairen Preis anbieten. Zudem pflegten wir bereits damals den persönlichen Kontakt zu den Winzern, dieser ist uns auch heute noch sehr wichtig.

Welches waren die ersten Produzenten im Boucherville-Portfolio?

Wir begannen hauptsächlich mit deutschen, amerikanischen und australischen Gewächsen. Als erster Produzent aus Deutschland nahmen wir das Weingut Joh. Jos. Prüm in unser Sortiment auf, heute einer der ganz grossen Namen. Ich lernte Manfred Prüm auf der Weinversteigerung Grosser Ring im Jahr 1989 kennen und daraus ergab sich eine bis heute andauernde und sehr geschätzte Partnerschaft.

Danach folgte das Weingut Dr. Loosen. Ernst «Ernie» Loosen traf ich zum ersten Mal auf dem Weingut von Daniel Gantenbein in der Bündner Herrschaft. Er war auf seiner Hochzeitsreise und besuchte einige Winzerfreunde in der Schweiz. Weitere renommierte Namen, die wir schon seit der Gründerzeit im Sortiment führen dürfen, sind beispielsweise Philip Togni aus Kalifornien und Jim Barry aus Australien.

Wie hatte der Schweizer Markt auf die Einführung von deutschen Weinen reagiert?

Damals waren rund 95 Prozent der deutschen Weine süss, hatten einen schlechten Ruf und waren in der Schweiz weitgehend unbekannt. Dementsprechend war das Interesse eher gering. Boucherville war vom Potenzial dieser Weinregion dennoch überzeugt und war nebst Gerstl der erste Weinhändler, der deutsche Weine importierte.

Auf diese Pionierleistung sowie darauf, dass wir uns als wichtigster Player für deutsche Weine in der Schweiz etablieren konnten, sind wir stolz. Der Aufschwung kam, als in Deutschland auf den Ausbau von trockenen Weinen gesetzt wurde, auch aufgrund des Drucks aus der Gastronomie.

Heute werden in deutschen Spitzenlagen trockene Rieslinge und Spätburgunder erzeugt, die international hoch angesehen sind und mit der Weltelite mithalten können. Seither ist eine Öffnung für diese Nische spürbar und immer mehr weinaffine Personen interessierten sich für deutsche Weine, auch in der Schweiz. Das freut mich persönlich sehr.

Wie hat sich das Sortiment über die Jahre verändert?

Die Selektion wurde stetig erweitert und seit einigen Jahren bietet Boucherville Weine aus allen renommierten Anbaugebieten der Welt an. Früher wurde unter anderem Italien eher stiefmütterlich behandelt, heute führen wir tolle Produzenten, die auch international für Furore sorgen.

Uns geht es darum kleine aber feine Weingüter aufzuspüren, egal woher sie kommen und ihnen ein treuer Partner zu sein. Zentral stehen immer Qualität, Terroircharakter und Handschrift des Winzers. Daher führen wir viele Produzenten auch exklusiv in der Schweiz. Mit dabei sind auch Exoten wie beispielsweise Chateau Musar aus dem Libanon.

Welches ist rückblickend Ihr Highlight in der Firmengeschichte?

Ein Highlight war bestimmt die Degustation 2011 im Gewölbekeller des ehemaligen Güterbahnhofs. Wir feierten das 20-jährige Jubiläum und hatten im Sommer mit den Weinen von van Othegraven angefangen. Um dies zu feiern kamen Günther Jauch und seine Frau nach Zürich und präsentierten persönlich ihre Gewächse. Die Anzahl Besucher war so gross wie nie zuvor und die Stimmung absolut einmalig.

Welche Motivation treibt Sie auch nach 30 Jahren noch an?

Ich freue mich darüber, dass wir noch stets funkelnde Juwelen in der Weinlandschaft finden. Ein aktuelles Beispiel dafür ist Delouvin Nowack, dessen Champagner sich innerhalb eines Jahres zu absoluten Top-Sellern gemausert haben. Dies bestätigt uns in unserer Arbeit und motiviert uns für die Zukunft.

Herr Zimmermann, Sie sind 2016 zu Boucherville gestossen. Erzählen Sie.

Mir ist die Firma Boucherville seit 2001 bekannt. Damals war ich als Sommelier tätig, hatte Boucherville-Weine auf der Weinkarte und war auch bei Tastings im Güterbahnhof dabei. Als Tim Abegg mich für die Stelle als Geschäftsführer angefragt hatte, waren mir die Werte der Firma bereits vertraut und ich konnte mich damit identifizieren.

Es ist meine erste Stelle als Geschäftsführer und rückblickend betrachtet war dies sogar äusserst hilfreich. Ich ging unvorbelastet an die neue Aufgabe heran, brachte viel Erfahrung aus der Gastronomie mit und konnte Abläufe hinterfragen und Änderungen einläuten.

Spüren Sie aufgrund der Corona-Pandemie starke Zuläufe im Online-Shop?

Da wir nur über ein Ladengeschäft in Zürich verfügen, wurde dem Online-Shop schon seit einigen Jahren eine grosse Bedeutung beigemessen. Das Jahr 2020 hat dem Online-Geschäft allerdings noch einmal eine völlig neue Dimension gegeben.

So wurden auch bei Boucherville deutlich mehr Online-Käufe verzeichnet als im Vorjahr. Daher sind wir sehr dankbar, dass wir seit Dezember 2016 auf einen modernen und gut funktionierenden Online-Shop zurückgreifen können, der seit einem Jahr auch in englischer Sprache verfügbar ist.

Welches sind Ihre Zukunftsvisionen?

An unserer bisherigen Philosophie und Zielsetzung wird sich nichts ändern. Wir werden auch künftig nicht gegen grosse Player im Markt ankämpfen sondern uns auf unsere Stärken besinnen. Das Sortiment wird weiterhin sorgfältig gehegt und ausgebaut.

Die persönlichen Beziehungen zu unseren Kundinnen und Kunden werden gepflegt und die Partnerschaften mit unseren Winzern intensiviert. Bei der Weinauswahl setzten wir nach wie vor auf Klasse statt Masse, auf nachhaltigen Anbau und auf ein faires Preis-/Leistungsverhältnis.

Mainstream Weine und grosse Brands finden Sie bei uns nur sehr vereinzelt, denn es ist uns wichtig, dass wir die Weingüter wenn immer möglich exklusiv in der Schweiz vertreten dürfen.

Auf welches spezielle Erlebnis seit Ihrem Eintritt schauen Sie gern zurück?

Es ist mehr die gesamte Entwicklung innerhalb dieser paar Jahre, die mich mit Stolz erfüllt. Boucherville konnte an Stabilität gewinnen und die Anerkennung auf dem Markt ist gestiegen. Zudem darf ich auf ein engagiertes Team zählen, das diesen Erfolg erst möglich macht.

Was ich in meiner Position ausserdem sehr schätze ist der persönliche Kontakt zu unseren Winzern, die wir wenn immer möglich einmal im Jahr besuchen. Es ist enorm spannend und bereichernd die Menschen und Geschichten hinter den Weinen kennenzulernen.

Und zu guter Letzt: Was erwartet Ihre Kundschaft im Jubiläumsjahr?

Wir möchten den runden Geburtstag mit unseren Kundinnen und Kunden feiern und ihnen etwas zurückgeben. 30 Jahre bedeuten 30 Prozent Rabatt! Jeden Monat ist jeweils ein erlesener Wein in Aktion. Diese Aktion ist nur möglich dank der grosszügigen Unterstützung unserer Partner.

Auch werden die Weine unseres «Winzers des Jahres 2021» zu stark rabattierten Konditionen angeboten. Zudem sind einige Aktivitäten im Weinladen und ein grosses, unkompliziertes Jubiläumsfest im Spätsommer geplant. Vorausgesetzt natürlich, dass es die Rahmenbedingungen zulassen.