Karen Kharmandarian und Matthieu Rolin, Chief Investment Officer respektive Senior Portfolio Manager bei Thematics Asset Management, bringen auf den Punkt, was die Konnektivität der nächsten Generation für die Weltwirtschaft bedeutet.
Können Sie das 5G-Konzept bitte für alle kurz umreissen, die mit der Technologie nicht so vertraut sind?
Matthieu Rolin: 5G ist der Oberbegriff für die neuen Standards in der Breitband-Konnektivität für jedes netzwerkfähige Gerät.
Das ist eine für Bandbreite und Latenz gleichermassen massgebliche Entwicklung. Man könnte sagen, es ist eine deutliche Steigerung sowohl des austauschbaren Datenvolumens als auch der Austauschgeschwindigkeit.
Karen Kharmandarian: 5G fällt unter die Kategorie der sogenannten Universaltechnologien. Das bedeutet, sie dürfte in einem breiten Spektrum bestehender Branchen Wertpotenzial erschliessen, ohne dass unbedingt eine eigene 5G-Industrie entsteht. Im Paket mit künstlicher Intelligenz und Robotik kann sie uns erstaunliche Fähigkeiten und Erkenntnisse vermitteln, die noch vor Kurzem ins Reich der Science-Fiction gehörten.
«5G, KI und Robotik werden allesamt in einem positiven Kreislauf zusammenwirken»
Zu den grössten Chancen zählen Verbesserungen bei sprachgesteuerten Assistenzsystemen, da diese auf der Grundlage der erfassten Datenmenge «dazulernen». Selbstfahrende Autos erfordern für einen sicheren Betrieb latenzarme Anbindungen. 5G dürfte daher für ihr Einführungstempo eindeutig ein wichtiger Faktor sein. Der Ausbau des Umfangs und des Entwicklungsstands der Telepräsenz in der Medizin und in der medizinischen Ausbildung, der im letzten Jahr offenbar an Bedeutung gewonnen hat, birgt ebenfalls enormes Potenzial.
In der 5G-Diskussion ist die Produktion ein wiederkehrendes Thema. Welche Rolle kommt 5G dabei zu?
Kharmandarian: Im Zuge der laufenden Entwicklung hin zu mehr Automatisierung wird 5G autonomen Maschinen ermöglichen, sich schneller auf ihre Umgebung einzustellen, von anderen im Netzwerk rascher zu lernen und auf zentrale Kommandos genauer und zügiger zu reagieren.
5G, KI und Robotik werden in einem positiven Kreislauf zusammenwirken: Innovationen pflanzen sich von einem in alle anderen Bereiche fort. Betrachten wir ein Netzwerk mit einer Million oder mehr Knoten und berücksichtigen die mathematischen Elemente der Netzwerktheorie – wonach der Wert eines sozialen Netzwerks steigt, je mehr Mitglieder es hat –, so bestehen gewaltige Chancen für exponentielles Wachstum bei der Kapazität ebenso wie bei der Wirtschaftsleistung.
Was ist der Stand der Dinge in Bezug auf den sicheren Schutz von 5G-Netzen vor vorsätzlichen Störungen
Rolin: 5G ist eine Gelegenheit zur Wertschöpfung, doch ein solches Mass an Konnektivität eröffnet natürlich auch Chancen für zynischere Nutzungen von Netzwerken – wenn die Netzwerkbetreiber und ihre Partner in der Industrie nicht gut aufpassen.
«Wenn Sie auf Ihrem Handy nicht den Super Bowl verfolgen können, ist das ärgerlich»
Es werden belastbare Sicherheitsstrategien erforderlich sein, um den Schutz von Netzwerken und eingebundenen Geräten sicherzustellen. Verschlüsselung und Identitätsmanagement werden künftig noch wichtiger sein als heute. Angesichts des grossen Entwicklungsschritts, den 5G darstellt, werden vorhandene Plattformen und Protokolle in erheblichem Umfang aktualisiert und modernisiert werden müssen.
5G nimmt im Diskurs um strategische Technologien und den Wettbewerb zwischen Wirtschaftsblöcken immer mehr Raum ein. Aus welchem Grund?
Rolin: Dabei geht es um die Kapazitäten, die diese Technologie erschliesst. Mit 4G wurde es möglich, auf dem Handy Videos zu streamen. Sich im Bus ein Football-Spiel anzuschauen, ist natürlich toll, aber nichts, was sich in die Makrokapazitäten einer ganzen Volkswirtschaft übersetzen lässt.
5G dagegen könnte es beispielsweise ermöglichen, das gesamte New Yorker Stromnetz an ein einziges Überwachungs- und Steuerungsnetzwerk anzuschliessen. Das war mit 4G nicht möglich. Dadurch würde das System aber eindeutig anfälliger für Cyberangriffe. Wenn Sie auf Ihrem Handy nicht den Super Bowl verfolgen können, ist das ärgerlich. Wenn in der ganzen Stadt der Strom ausfällt, hat das aber ungleich schlimmere Auswirkungen.
«Wir müssen da unbedingt weiterdenken»
Das ist natürlich ein Extrembeispiel, doch wenn Sie einkalkulieren, welche Möglichkeiten sich Ländern bieten, die geopolitisch im Wettbewerb stehen, und dabei auch das Spionagepotenzial berücksichtigen – das heisst, die unbefugte Erfassung und Weitergabe von Daten –, so potenzieren sich die Risiken.
Mit Blick auf die fernere Zukunft: Was bringt uns 5G?
Kharmandarian: Wir müssen da unbedingt weiterdenken – an künftige Generationen. Nur dann können wir uns exponentielle Veränderungen vorstellen. Die Umstellung von 1G auf 2G war nicht sehr dramatisch. Doch mit jeder anschliessenden Generation hatte der nächste Schritt grössere Konsequenzen. 5G stellt einen neuen Höhepunkt dar.
«Das dürfte in den 2030er-Jahren zum Thema werden»
Vergessen Sie dabei nicht: 1G ist erst ein paar Jahrzehnte her – der Logik des exponentiellen Wachstums zufolge wird 5G Effekte erster und zweiter Ordnung haben, die um eine ganze Grössenordnung grösser ausfallen.
Die offensichtliche abschliessende Frage: Wann dürften wir erstmals von 6G hören?
Die Entwicklungen laufen weltweit bereits – doch derzeit noch überwiegend im Labor. Das dürfte in den 2030er-Jahren zum Thema werden.
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