In den vergangenen Jahren haben sich Schwellenländer-Anleihen zu einer alternativen Investmentmöglichkeit entwickelt. Oli Shakir-Khalil, Investment Director für Emerging Market Debt bei Fidelity, beantwortet wichtige Fragen in diesem Zusammenhang.


Herr Shakir-Khalil, die Schwellenländer haben sich rasant verändert und sind zunehmend in den Fokus der Anleger gerückt. Wo steht die Anlageklasse heute?

Die Schwellenländer entwickeln sich kontinuierlich weiter. Wir beobachten gegenwärtig, wie sowohl die lokalen Finanzmärkte als auch die sich dort bietenden Anlagemöglichkeiten an Vielfalt gewinnen.

Gleichzeitig verbessern Reformprogramme die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Schwellenländer sind nach wie vor deutlich niedriger verschuldet als Industrieländer, und einige von ihnen haben in den vergangenen Jahren ihre externen Ungleichgewichte beseitigt, wodurch das Risiko eines Schocks – wie er während der «Taper Tantrum»-Periode 2013 zu beobachten war – abgenommen hat.

«In vielen Teilen des Schwellenländer-Universums gibt es nach wie vor Risikobereiche»

Länder wie Indien und China befinden sich seit mehreren Jahren in einer Transformationsphase zu Volkswirtschaften mit mittlerem Einkommensniveau. In anderen Ländern wie in der Elfenbeinküste, einem grossen Kakaoproduzenten, werden Massnahmen zur Diversifizierung der Wirtschaft und zur Verbesserung der Wertschöpfungskette ergriffen.

In vielen Teilen des Schwellenländer-Universums gibt es nach wie vor Risikobereiche. Anleger müssen sich bewusst sein, dass kurzfristige Faktoren, wie politische Risiken, zu höherer Volatilität führen können. Aktuelle Beispiele sind die Türkei, Russland und Brasilien.

Obwohl Schwellenländer-Anleihen seit Ende der 1990er-Jahre eine etablierte Investmentstrategie sind, sind sie in den meisten Portefeuilles nach wie vor untervertreten. Was sind die Gründe dafür?

Strategien mit Schwellenländer-Anleihen sind eine überaus komplexe Angelegenheit, da die Entwicklung von vielen Faktoren beeinflusst wird, darunter Schlagzeilen in den Medien und politische Risiken.

Dies erklärt auch, weshalb die kurzfristigen Schwankungen so stark sind. Darüber hinaus wirken vergangene Verwerfungen wie die Asienkrise von 1997/1998 sowie die Argentinien- und Russlandkrise immer noch nach. Daher hat es verständlicherweise länger gedauert, bis sich die Investoren mit der Anlageklasse anfreundeten.

«Die Flut des billigen US-Geldes geht zurück»

Die niedrigen Zinsen in den entwickelten Märkten haben die Anleger jedoch dazu gebracht, sich näher mit Schwellenländern zu beschäftigen, da diese eine der wenigen hochverzinslichen Anlagen sind, die es noch gibt.

Wir stellen fest, dass der Markt seit den 1990er-Jahren deutlich gewachsen und vielfältiger geworden ist; 1993 gab es 14 Länder im Hartwährungsindex für Staatsanleihen. Heute sind es 66.

Was können Anleger von Schwellenländer-Anleihen noch erwarten, und warum sollten sie einen entsprechenden Fond in ihr Portfolio aufnehmen?

Die Flut des billigen US-Geldes geht zurück, was zu vorübergehenden Verwerfungen in den Schwellenländern führen könnte. Insgesamt solide Fundamentaldaten in den Schwellenländern könnten jedoch dazu beitragen, dies abzumildern, wenn die US-Notenbank bei der Straffung ihrer Geldpolitik behutsam vorgeht und die Wachstumsdynamik anhält.

Da viele Wahlen in den Schwellenländern nun hinter uns liegen, sorgt eine ruhigere politische Entwicklung ebenfalls für positive Impulse. Insgesamt sind wir bei Schwellenländer-Anleihen taktisch vorsichtig, glauben jedoch, dass die Anlageklasse von längerfristigen Trends profitieren wird.