Northern Trust hat vor kurzem bekannt gegeben, dass das Unternehmen von der Finma die Genehmigung erhalten hat, seine Dienstleistungs-Palette hierzulande erweitern zu können. Gil Platteau und Joanne O'Brien erklären nachfolgend, was die Depotbank-Lizenz für die Ambitionen des Unternehmens in der Schweiz bedeutet.


Was hat Northern Trust dazu bewogen, die aufsichtsrechtlichen Bewilligungen für das Anbieten von Depotbank-Dienstleistungen einzuholen?

O’Brien: Northern Trust betreut seit drei Jahrzehnten institutionelle Anleger und Asset Manager in der Schweiz. Das Unternehmen verfügt über ein bedeutendes Geschäftsvolumen mit einigen der anspruchsvollsten Eigentümern von Vermögenswerten und Verwaltern der Welt. Wir erachten die Gründung einer regulierten Einheit in der Schweiz – dies als Niederlassung unserer Luxemburger und EU-Bank Northern Trust Global Services SE – als eine natürliche Entwicklung unseres Geschäfts. Dieses basiert auf unseren Referenzen als führender Fondsadministrator nach der Übernahme des entsprechenden Geschäftsbereichs der UBS Asset Management im Oktober 2017.

Platteau: Wir haben über 100 Partner allein in der Schweiz und kennen folglich die besonderen Bedürfnisse hiesiger Kunden sehr gut. Wir haben auch ein fundiertes Wissen über die lokalen Buchhaltungs-, Steuer- und Berichtsanforderungen. Mit dem neuen Angebot von Depotbank-Dienstleistungen unter der Leitung von Marco Wiegmann können wir unsere Expertise in der Schweiz voll ausschöpfen und Kunden über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg unterstützen.

Können Sie näher erläutern, was Sie mit «Kunden-Unterstützung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg» konkret meinen?

Platteau: Wir sind uns bewusst, dass der Bereich Asset Services in der Schweiz oft nur mit Custody und Fondsverwaltung in Verbindung gebracht wird. Unser Leistungsversprechen geht aber weit darüber hinaus – und hier kommt der Gedanke ins Spiel Kunden über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu betreuen.

O’Brien: Die Finanzindustrie als Ganzes entfernt sich von der Vorstellung eines Front-, Middle- und Back-Office. Wir stellen vermehrt fest, dass Kunden heute nach Partnern suchen, die sie in ihrem gesamten Leistungsspektrum unterstützen können.

Platteau: Beim Asset Servicing geht es immer mehr darum, wie wir die Eigentümer und Verwalter von Vermögenswerten dabei unterstützen können, ihr Betriebsmodell effizienter zu gestalten, um sich auf das jeweilige Kerngeschäft konzentrieren zu können. Zu diesem Zweck bieten wir ihnen eine durchgängige Betriebs-Plattform, auf der sie ihre Geschäftsstrategie implementieren können.

O’Brien: Der «Open Architecture»-Ansatz bei Northern Trust kombiniert die eigene Plattform mit anderen innovativen Partnern, um unseren Kunden in einem zunehmend digitalisierten Umfeld ein Höchstmass an Vielfalt und Bedienbarkeit sowie Zugang zu erstklassiger Technologie und modernen Applikationen zu bieten.

Was bedeutet die offene Architektur konkret für die Kunden von Northern Trust?

O’Brien: Unsere Kunden haben spezifische und vielfältige Bedürfnisse, welche mit einer einzigen Applikation allein nicht befriedigt werden können. Ein Gesamtangebot bedeutet für jeden Kunden etwas anderes. Die einen haben vielleicht das Gefühl, dass sie in gewissen Bereichen gute Lösungen haben, aber in anderen mehr Unterstützung bräuchten, um ihre gesamten Betriebsabläufe zu optimieren. Und genau da können wir ansetzen.

Platteau: Wir stellen eine Plattform mit Kompetenzen bereit, mit denen Kunden allfällige Lücken oder Herausforderungen über die gesamte Wertschöpfungskette zwischen Front- und Back-Office schliessen können. Sie können dabei auf neue Technologien zugreifen, auf Dienstleistungen und Lösungen in den Bereichen Strategieumsetzung, Handel, Operations, Daten sowie auf digitale und auch analytische Lösungen.

Können Sie eine Applikation nennen, welche in dieses Spektrum gehört?

O’Brien: Eine Methode, die Verwalter und Eigentümer von Vermögenswerten anwenden, um effizienter zu werden und Kosten zu sparen, besteht darin, sich auf ihren Anlageprozess sowie die Wertschriften-Selektion zu konzentrieren und gleichzeitig den Handel auszulagern. Wir bieten ihnen Front-Office-Leistungen durch Auslagerung des Handels von Aktien, Obligationen und Devisen. Das Ganze wird kombiniert mit einem vollständig integrierten Middle- und Back-Office, um das operative Risiko zu senken, die Einhaltung von aufsichtsrechtlichen Vorschriften zu gewährleisten und die Betriebseffizienz zu steigern.

Welche Chancen sehen Sie für die Zukunft von Northern Trust in der Schweiz?

O’Brien: Wir denken sehr positiv über den Schweizer Markt. Mit einem Custody-Volumen von fast 50 Milliarden Dollar per Ende März 2021 und Assets under Administration von mehr als 500 Milliarden Dollar per Ende Juni 2021 in der Schweiz sind sicherlich Know-how und Marktkenntnisse sowohl im Bereich Asset Management als auch im institutionellen Segment tief in unserer Organisation verwurzelt.

Platteau: Ähnlich wie im übrigen Europa sehen sich auch die Schweizer Anleger mit der Notwendigkeit konfrontiert, ihre Governance-Strukturen zu optimieren und Wege zu finden, um sowohl Risiken als auch Margen- und Kostendruck zu bewältigen. Die erfolgreichsten Marktakteure überdenken ihre Betriebsmodelle aus der Perspektive des Gesamtunternehmens. Sie suchen vermehrt nach ganzheitlichen Veränderungen – so etwa beim Outsourcing –, die ihnen helfen können, das Geschäft auszubauen und den eigenen Kunden wie auch Investoren einen Mehrwert zu bieten. Dies eröffnet Chancen für Northern Trust als spezialisierter Dienstleister im Bereich Asset Services.


Joanne O'Brien ist als Senior Vice President verantwortlich für die Geschäftsentwicklung von Northern Trust in der EMEA-Region, einschliesslich der Schweiz und Luxemburg. Vor ihrer Tätigkeit im Business Development hatte sie global verschiedene leitende Positionen bei Northern Trust inne, so in den Bereichen Betrieb, Kunden- und Relationship Management. Diese Erfahrung ermöglicht es ihr, mit Kunden zusammenzuarbeiten, um optimale Betriebslösungen zu finden, die ein Unternehmen ganzheitlich bei der Umsetzung seiner geschäftlichen und strategischen Ziele unterstützen. Mit mehr als 15 Jahren Branchenerfahrung hatte sie auch Funktionen bei der Bank of Ireland Securities Services und bei der Bank of America inne.

Gil Platteau ist Senior Vice President und Mitglied des Führungsteams von Northern Trust Schweiz. Er pflegt wichtige Beziehungen zu institutionellen Anlegern in der Schweiz und der gesamten EMEA-Region. Er stiess im September 2019 zu Northern Trust und bringt 20 Jahre Branchenerfahrung mit. Er arbeitete unter anderem in leitenden Positionen bei Rothschild Asset Management, Barclays und Mercer Delegated Solutions in Zürich als Länderchef.