Harald Walkate, Head of ESG bei Natixis Investment Managers, erklärt im Interview, was in der Welt der ESG-Investments gut funktioniert, was nicht und was sich ändern muss.


Herr Walkate, was steht für Sie heute mit Blick auf die nachhaltige Investmentlandschaft im Vordergrund?

Die Welt steht derzeit zwar gleich vor mehreren gewaltigen Herausforderungen, doch diese fallen scheinbar alle unter die Investment-Rubrik ESG – Umwelt, Soziales und Governance. Wir sind uns der Bedeutung und Dringlichkeit der gesellschaftlichen Anliegen durchaus bewusst, doch um sie wirkungsvoll anzugehen, ist es unserer Überzeugung nach erforderlich, die Bedeutung dieser Herausforderungen anzuerkennen, die Probleme klar zu diagnostizieren und gezielte Lösungen zu finden.

Das Wachstum im ESG-Segment und die zahlreichen Investmentprodukte, die auf den Markt kommen, können und sollten zwar begrüsst werden, doch die Ängste vor Grünfärberei «Green Washing» sind nicht unbegründet. Und es gibt nach wie vor viele Probleme mit der Subjektivität von Labels, Definitionen und Rankings, aber auch einen Mangel klarer Standards, um die Wirkung zu messen, Vergleiche zu ermöglichen und Fortschritte zu überwachen.

Dabei werden nach Schätzungen ganze 6 Billionen Dollar pro Jahr benötigt, um die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) vollständig einzuhalten. Die SDGs sind sozusagen die To-do-Liste der Welt für grosse Probleme, die es zu lösen gilt, und haben sich auch zum massgeblichen Bezugsrahmen für Manager und Investments mit positiver Wirkung entwickelt.

Es bleibt eindeutig noch viel zu tun, um Kapitalflüsse in Gang zu setzen, und es ist sicherlich innovatives Denken erforderlich, wenn Kapital in die Bereiche verlagert werden soll, in denen Investitionen am nötigsten sind.

Wie können Anleger effektiver zur Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen?

Ein gangbarer Weg ist die «Mischfinanzierung». Dabei werden öffentliche Mittel eingesetzt, um private Investitionen zu fördern. So können Projekte oder Unternehmen finanziert werden, die normalerweise nicht ‚investierbar‘ wären.

In aller Regel können solche Projekte nicht nur finanzielle Erträge für Anleger bieten, sondern auch einen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nutzen für die Kommunen. In den letzten Jahren sind durch Mischfinanzierungen Hunderte Millionen Dollar in Bereiche wie nachhaltige Forstwirtschaft, Fischerei und Landwirtschaft geflossen, um zum Naturschutz beizutragen.

Lösungen wie Mischfinanzierung sind zwar hochkomplex, bieten aber bessere Aussichten darauf, massgebliche Veränderungen herbeizuführen, als andere mittlerweile populäre Ansätze zum Impact-Investment. Natürlich gilt das nur, wenn der Markt für derartige Mischfinanzierungen von Staaten und Unternehmen angespornt wird.

Doch Regierungen müssen noch eine breiter angelegte Rolle übernehmen, als nur durch Mischfinanzierungen privates Kapital zu mobilisieren. Um die mit der Nachhaltigkeit verbundenen Probleme zu lösen, ist vielfach sogar die Umwandlung ganzer Branchen erforderlich, und das dürfte kaum durch nachhaltige Investments allein zu erreichen sein, sondern wird weitreichende öffentliche politische Massnahmen erfordern.

Schliesslich sind Regierungen in erster Linie dafür zuständig, viele gesellschaftliche Anliegen in Angriff zu nehmen. Das soll aber nicht heissen, dass Investoren keine Rolle spielen können oder sollten, sondern lediglich, dass Anleger, die diese Probleme ernsthaft lösen möchten, zur echten Schlüsselvoraussetzung für die Lösungen durch nachhaltige Investments werden müssen.

Ferner müssen Investoren stärker in den Dialog mit Managementteams von Unternehmen treten. Aktionärs-Aktivismus ist möglicherweise die aussichtsreichste Methode, den Einfluss von Anlegern zu sichern, selbst wenn nach wie vor fraglich ist, wie sich solche Aktivitäten am besten organisieren lassen und wie sich ihre Wirkung vergleichbar quantifizieren lässt.

Können Anleger mit ihren Investments wirklich etwas bewirken?

Wir sind davon überzeugt – wenn das auch nicht für jeden Anleger gilt. So wirkungsvoll zu investieren, dass beispielsweise Armut verringert, die Effekte des Klimawandels gedämpft, Vielfalt gefördert, der Bau von mehr bezahlbarem Wohnraum ermöglicht wird und anderes mehr, ist auf jeden Fall möglich – doch es ist sehr schwer, damit wirklich etwas zu bewirken: also etwas Sinnvolles zu erreichen.

Das erfordert fundierte Kenntnisse – nicht nur über diese Themen, sondern auch darüber, wie komplexe Investmentinstrumente strukturiert werden und wie die Zusammenarbeit mit Regierungen, Entwicklungsbanken, Philanthropen oder NRO aussehen kann. Nur Anleger, die wirklich verstehen, wie sich Kapital durch die Finanzmärkte bewegt und wie Entscheidungen über die Kapitalallokation getroffen werden, können mit ihren Investments wirklich etwas bewegen.

Harald Walkate ist Leiter ESG bei Natixis Investment Managers.


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