Swiss-Flottenchef Peter Koch erklärt, warum die neuen C-Series-Flugzeuge auch für die Piloten einen Quantensprung darstellen.

Die Swiss hat die Umflottung des Avro RJ «Jumbolino» hin zum Bombardier C-Series vollzogen. Die Einflottung der insgesamt zehn CS100 und 20 CS300 dauert noch bis Ende 2018 an.

Mit den neuen 125-plätzigen CS100 und den 145-plätzigen CS300, welche in der Summe rund zwei Milliarden Franken kosten werden, hat ein neues Zeitalter in der Swiss-Flotte Einzug gehalten. Die neuen Flugzeuge wurden von Hersteller Bombardier in enger Zusammenarbeit mit dem Erstkunden Swiss konzipiert und beinhalten modernste Ausstattung und Technologie.

Komplett neues Flugzeug

Für die Kunden gibt es mehr Platz und grössere Fenster. Die Swiss als Airline erhält mehr Kapazität und grössere Reichweite als bisher mit dem Avro RJ, doch auch für die Piloten ändert sich einiges zum Besseren. Peter Koch, Flottenchef C Series bei der Swiss, erklärt anhand eines Landeanflugs auf den Flughafen London-City, warum Piloten das neue Flugzeug lieben.

«Das Geniale an der CSeries ist, dass wir mit Bombardier ein komplett neues Flugzeug erbauen konnten und dabei keine Rücksicht auf bisherige Modelle nehmen mussten sowie modernste Technologie einbauen konnten», erklärt Koch.

Wichtig für die Sicherheit

Grundsatz bei der Ausstattung des Cockpits war, dass beide Piloten (Captain und Copilot) stets den Blick hinaus gerichtet haben sollten – bei den Avro war bislang die Technologie so eingerichtet, dass gerade in heiklen Flugphasen (Start, Landung, Rollen) die Blicke auf Armaturen innerhalb des Cockpits gerichtet waren.

Das ist für die Sicherheit wichtig, weil Drohnen, dichter Flugverkehr in der Luft und dichter Rollverkehr am Boden die Aufmerksamkeit der Piloten darauf, was draussen passiert, erfordern.

SWISS BCS Cockpit 500

Um den Blick nach aussen jederzeit zu gewährleisten, gibt es in den C-Series der Swiss nicht nur grössere Cockpit-Fenster, sondern auch über dem Pilotensitz ein «Head-Up Display» – eine Glasscheibe, auf der per Hologramm die relevanten Fluginformationen (Flugweg, Höhe, Geschwindigkeit) angezeigt werden.

Optimaler Anflugswinkel

«Der Vorteil daran ist, dass der Pilot diese Informationen nicht mehr an den Armaturen ablesen und in die reale Umwelt projizieren muss», erklärt Koch. An den tiefer gelegenen Hauptbedienelementen der Systeme müsse dank der Ausrichtung aufs Sichtfeld der Piloten nicht mehr viel gemacht werden; beim Avro RJ war noch viel mehr «mechanische Arbeit» des Piloten nötig. Unter dem Head-Up Display sind die Instrumente natürlich noch separat ersichtlich, allerdings schön zentriert.

Bei einer Landung, bei welcher der Autopilot übrigens bei Steilanflügen ausgeschaltet ist, sieht der Pilot nun im Head-Up-Display den Aufsetzpunkt auf der Piste, die Piste selbst (bei schlechter Sicht wichtig!) und erhält eine «flare guidance», um das Flugzeug im optimalen Anstellwinkel am geforderten Aufsetzpunkt zu landen.

Ebenfalls mitten auf dem Armaturenbrett befinden sich die Kommunikations-Elemente. Für die Wahl der Funkfrequenz und andere Arbeiten muss der Kopf neu ebenfalls nicht mehr nach unten gerichtet werden. Ganz neu daran: Künftig können Nachrichten zwischen Kontrolle und Flugzeug digital ausgetauscht werden. Das ist bislang in Europa erst teilweise umgesetzt; in den C-Series ist man dafür aber schon ausgerüstet.

«Wenn zum Beispiel die Luftverkehrskontrolle eine Anweisung zum Steigen gibt, erhält man dies wie eine Push-Meldung als schriftliche Anweisung auf dem Display, und kann das Umsetzen der Anweisung per Knopfdruck quittieren – das ist die so genannte Controller Pilot Data Link Communication», führt Koch aus.

Was der Pilot alles merkt

Neu ist auch eine «Reaktion» der Handbedienungselemente, ähnlich wie bei modernen Spielkonsolen: Wenn das Flugzeug Schub gibt, bewegen sich die Schubhebel mit. Wenn der Pilot die Hand am Schubhebel hat, merkt er dies. Bei herkömmlichen Flugzeugen gab es in so einem Fall kein bemerkbares Signal.

Ähnlich verhält es sich bei den Sidesticks, mit denen der Pilot den Flugweg steuert. Auch dort spürt man am Stick, wenn sich die Energie verändert, also was mit der Aerodynamik in der Steuerung passiert.

Pilot im Zentrum der Entwicklung

Ebenfalls neu ist, dass auf den Bildschirmdisplays die Geländestruktur eingeblendet werden kann, und auf zwei PCs an den jeweiligen Seiten des Cockpits sind elektronische Flightbags untergebracht, im idealen Sichtfeld der Piloten. Was Piloten früher in Papierform herumtrugen, etwa Anflugkarten, ist nun also elektronisch verfügbar.

Trotz der vielen modernen Technologie hält Koch aber fest, dass in der Philosophie des CSeries der Pilot im Zentrum stehe, also der Mensch und nicht die Maschine. Die Automation ist nur eine Hilfe; in einem Notfall etwa hilft der Computer bei der Abarbeitung von Checklisten und macht Vorschläge über mögliche Ursachen und Lösungen von Problemen, kann aber jederzeit vom Piloten übersteuert werden. Menschliche Intuition und Erfahrung wird also höher gewichtet als Algorithmen.

Hinzu kommen Pratt Whitney-Turbinen, die leiser und kräftiger sind als ältere Antriebssysteme. Nicht zuletzt verfügen die CSeries-Flugzeuge über elektronische statt hydraulische Bremsen. Die Reaktionszeit der Bremsen ist dadurch besser, dazu braucht es keine Hydraulikflüssigkeit mehr, was das Flugzeug leichter macht.

Piloten mussten einiges lernen

Flugzeuge der CSeries sind seit fast einem Jahr in der Swiss-Flotte; nach London-City wird allerdings erst seit Juli 2017 geflogen. Dies, obwohl die CSeries gerade deshalb von der Swiss gewählt wurde, um den anspruchsvollen Anflug auf London-City problemlos umsetzen zu können.

«Die CSeries bringt alles mit, was es für die Zertifizierung von Anflügen auf London-City braucht», so Koch – doch die Piloten mussten auch erst lernen, die neuen Instrumente für den steilen Anflug auf den Londoner Stadtflughafen einzusetzen, wofür man sich bei der Swiss die notwendige Zeit gab.

London-City ist insofern schwierig, weil die Piste mit 1508 Metern relativ kurz ist und der Landeablauf ungewöhnlich ist, weil man in der Anflugphase über bewohntes Gebiet fliegt, also relativ hoch fliegen muss, nur um dann in der finalen Anflugphase relativ steil sinken zu müssen. Dazu ist die Piste relativ schmal und das Parken ist ebenfalls schwierig, weil die Platzverhältnisse eng sind. Bei schlechter Sicht wird das Ganze noch schwieriger.

«Das ist aber auch das Salz in der Suppe eines Piloten, und mit den CSeries haben wir ein zuverlässiges Flugzeug für diese Anflüge», so Koch.

Nebst den C-Series – und dabei nur die CS100, nicht aber die CS300 - sind relativ wenige Flugzeugtypen für Flüge nach London-City zugelassen: Etwa der Airbus A318, Saab 340 und 2000, Avro RJ, ATR42 und 72, Fokker 50 und 70, die Embraer-Jets sowie einige kleinere Privatjet-Typen. Man merkt anhand der Liste, dass die Swiss das mit Abstand modernste Flugzeug für Flüge nach London-City verwendet.

Obwohl London-City also zentral für die Anschaffung der CSeries war, gibt es weitere Vorteile, etwa durch die höhere Reichweite. So kann die CSeries auch mal auf Strecken eingesetzt werden, die weiter entfernt liegen, aber bei tieferer Nachfrage mal mit weniger grossem Fluggerät bedient werden kann. «Die Swiss-Netzwerkplaner erhalten so zusätzliche Optionen», erklärt Koch.

Kein Pilotenmangel

Aktuell sind 250 Swiss-Piloten in der Schulung fertig auf die CSeries geschult. Es gibt laut Koch ein «Kernteam» von rund 30 Piloten, welche nach London-City eingesetzt werden können, dafür also spezielle Schulungen durchlaufen. Die Pilotenausbildung für die Steilanflüge erfolgt übrigens sowohl auf den Simulatoren in Zürich-Kloten; in speziellen Landetrainings wird mit der üblichen Streckeneinführung abgeschlossen.

Der durch die neuen Flugzeuge gestiegene Bedarf an Piloten stellt für die Swiss übrigens kein Problem dar. Laut Koch zahle es sich aus, dass die Swiss stets eine Pilotenschule betrieb, also auch in Zeiten tieferer Nachfrage.

«Mich stört es, wenn vom globalen Pilotenmangel die Rede ist, denn die Swiss hat keinen Pilotenmangel», führt Koch aus. Er gesteht aber ein, dass die Rekrutierung weiterhin eine Herausforderung sei – gerade in der Schweiz, aufgrund der geringen Bevölkerungszahl und der grossen Auswahl an Berufs-Alternativen.

Noch immer ein Traumberuf?

Pilot sein, ist laut Koch aber immer noch ein Traumberuf, und die Swiss gewähre gute Anstellungskonditionen. Dazu sei die Pilotenausbildung vorfinanziert: Die Swiss und der Bund steuern ein zinsloses Darlehen bei, das während der Ausbildung schrittweise zurückbezahlt wird, so dass man sich für den Pilotenberuf bei der Swiss nicht zu verschulden brauche.

  • Wer Interesse am Pilotenjob hat, findet unter diesem Link alle notwendigen Infos. Eines vorweg: Wer älter ist als 32 Jahre, darf keine Schulung mehr antreten.