Die grossen IT-Anbieter wie Apple oder Samsung bereiten Thierry Kneissler nicht allzuviele Kopfschmerzen. Stattdessen kämpft der Chef der Bezahl-App Twint gegen die Gewohnheiten der Schweizer Bevölkerung an.
Mehrere Hundert Bankleute haben letzten Montag den Finance Circle besucht, den die ZHAW School of Management and Law sowie der Zürcher Bankenverband (ZBV) organisierte.
In der Veranstaltungsreihe ging es diesmal um das Thema «Zahlungen und Zahlungsverkehr der Zukunft – Hat Bargeld ausgedient?» Als Referent waren Luzius Meisser, Gründer der Bitcoin Association Switzerland und Thierry Kneissler, CEO der Schweizer Bezahl-App Twint, geladen.
Des Pudels Kern
Letzterer eröffnete seinen Vortrag mit einer Umfrage im Publikum: Wer schon einmal eine Transaktion via einer Bezahl-App durchgeführt habe, wollte Kneissler wissen. Geschätzte 70 Prozent hoben die Hand – laut dem Twint-CEO ein unerwartet hoher Wert. Im Anschluss stellte er die Frage, wer mindestens einmal die Woche solche Bezahldienste nutze. Weit mehr als die Hälfte aller Hände blieb unten.
Dies überraschte den Twint-CEO nicht. Denn das Umfrage-Resultat trifft den Kern des Problems von Bezahl-Apps wie Twint, wie Kneissler feststellte: «Uns muss es gelingen, die Anzahl der wiederkehrenden Nutzern, die sogenannten Repeated-User, zu erhöhen.»
Bargeld-affine Schweizer
Doch die Schweizer trennen sich laut dem Twint-Frontmann nur schwer von Franken und Rappen. Denn gut zwei Drittel würden Transaktionen nach wie vor in bar erledigen.
Folgerichtig spitzte Kneissler zu: «Unser Feind ist nicht primär Apple Pay, sondern das Bargeld.»
Tatsächlich ist die Schweiz im Vergleich etwa zu den skandinavischen Ländern in Sachen digitales Bezahlen weit im Rückstand. Zwar haben Twint und Paymit momentan rund 500'000 Nutzerinnen und Nutzer und sind damit das führende mobile Bezahlangebot in der Schweiz. In Schweden allerdings benutzen mehr als 4 Millionen der 9,5 Millionen Einwohner die mit Twint vergleichbare Bezahl-App Swish.
Blosses Bezahlen ist zu wenig
Laut Kneissler entspringt die vergleichsweise hohe Bargeldquote weniger einer Liebe zum Franken als vielmehr der Gewohnheit. Um dies zu ändern, plant Twint, in ihre Bezahl-App weitere Services einzubauen.
«Wir arbeiten derzeit daran, Loyalty-Angebote mit Payment zu verbinden», so Kneissler. Auf diese Weise würde ein Mehrwert für den Nutzer entstehen und ihn animieren, die App öfters einzusetzen, so der Plan des Twint-CEOs.
Damit differenziere man sich auch gegenüber Konkurrenten wie Apple Pay. «Das blosse Bezahlen aufs Smartphone zu bringen, ist noch keine Killer-App», so Kneissler.
Das Ende der Einzahlungsscheine
Wer als mobiler Bezahldienst seine Überlebenschance verbessern will, muss dem Twint-Chef zufolge ein Ökosystem schaffen.
Die von ihm geführte Firma hat diesbezüglich ein paar Projekte in der Pipeline. So sollen Restaurant-Rechnungen künftig wie Twint beglichen werden können – mittels Einscannen des QR-Codes. Und laut Kneissler braucht es die roten und orangen Einzahlungsscheine bald nicht mehr. Diese lassen sich via Twint bezahlen.
Der Service soll voraussichtlich im nächsten Jahr angeboten werden, kündigte Kneissler an.
Allerdings: Auch Apple ist stark im Aufbau von Ökosystemen. Dem Tech-Riesen aus Cupertino ist es bereits mehrfach gelungen, Wertschöpfungsketten aufzubrechen und Intermediäre auszuschalten – beispielsweise im Musik- oder Filmgeschäft.
Kooperation mit Handel stärken
Der Prüfstein einer jeden Bezahl-Apps wird sein, zusätzliche Dienstleistungen in einer App zu integrieren, ohne dass die Nutzer zusätzliche Applikationen installieren oder unzählige physische Karten zücken müssen. Auch muss es gelingen, Transaktionen ohne Passwörter freizugeben, ohne dabei grosse Kompromisse bei der Sicherheit einzugehen.
Denn mit ein Grund für den nach wie vor regen Gebrauch von Bargeld ist auch das Überangebot an Apps und Loyalty-Programmen. Der Griff ins Portemonnaie erscheint somit einfacher und ist in manchen Fällen gar effizienter.
Das weiss auch Kneissler. «Wir müssen deshalb auch die Kooperation mit dem Handel stärken», gab er selbstkritisch zu.