Preisstabilität zu gewährleisten, ist primäres Ziel der Zentralbanken. Deren Bilanzen haben sich im Rahmen immer öfter und heftiger auftretender Finanzkrisen massiv ausgeweitet. Das lässt kritische Fragen zu, wie ein hochkarätiger Roundtable an der Finanz’23 zeigen wird.
Die Pandemie, der Angriffskrieg auf die Ukraine und jüngst wieder drohende Bankenpleiten: Seit der 2007 ausgebrochenen Finanzkrise haben sich sowohl die Kadenz als auch die Dimensionen der Krisen erhöht. Finanzkrisen gefährden die Preisstabilität.
Um sie zu verteidigen und je nach Mandat die konjunkturelle Entwicklung zu stabilisieren, waren in den vergangenen Jahren immense Liquiditätsspritzen notwendig. Auch vor geldpolitischen Experimenten wie Negativzinsen oder umfangreichen Wertpapierkäufe scheuten die Zentralbanken nicht zurück. Die langfristigen Auswirkungen sind noch wenig erforscht.
All diese Massnahmen führten global zu einer exponentiellen Ausweitung der Geldmenge. Kritiker prangern nun an, dass die Massnahmen zur Bekämpfung von Finanzkrisen und zum Abfedern der Nachbeben Ursache des aktuellen Inflationsschubs seien. Die Zentralbanken selbst sehen allerdings im Anheben der Leitzinsen weiterhin das wirksamste Mittel zur Bekämpfung einer übermässigen Teuerung.
Feuerwehr oder Feuerteufel?
In diesem Spannungsfeld wächst zudem die Kritik an den Zentralbanken, dass sie mit ihrem Instrumentarium und ihrer Geldpolitik selbst Verursacher immer wiederkehrender und immer grösserer Krisen seien.
Die Kritiker sehen darin die Gefahr, dass die Währungshüter nicht mehr in der Lage sein könnten, die von ihnen gelegten «Feuer» noch löschen zu können, da sie die Wirtschaft immer stärker von billigem Geld abhängig gemacht haben.
Denn erfolge die Ausweitung der Geldmenge durch Kreditvergabe, führt dies in den Augen der Kritiker zu einem künstlichen Absenken der Marktzinsen. Der so in Gang gesetzte Aufschwung sei aber nicht nachhaltig und müsse zwangsläufig in sich zusammenbrechen, was neue Krisen heraufbeschwöre.
Passiere dies, seien es wieder die Zentralbanken, die mit noch mehr und noch billigerem Geld als Retter in der Not agieren müssten. In der nun erfolgten Zinswende tauchen allerdings gewisse Zweifel an dieser Theorie auf, zumal Treiber des aktuellen Inflationsschubs zu einem guten Teil auch die Rohstoffpreise sind, die sich der Kontrolle der Zentralbanken entziehen.
Zentralbanken im Dilemma
Angebotsseitige Störungen bringen Zentralbanken potentiell in ein Dilemma. Sollen sie für stabile Preise sorgen und so riskieren, den Wirtschaftsmotor abzuwürgen? Oder sollen sie die Konjunktur unterstützen und einen gewissen Inflationsschub in Kauf nehmen?
Angesichts der jüngsten Energiepreisentwicklungen werden hier Erinnerungen an die Stagflation der frühen 1970-er Jahre wach, als die Erdölverknappung zu einer Stagnation führte und die Lohn-Preis-Spirale auch die Inflation befeuerte. Zumindest ist die Schweiz im europäischen Vergleich diesbezüglich weniger stark exponiert. Dies aber auch nur, weil die Gewichtung von Energieträgen im Warenkorb vergleichsweise tief ist.
Hoffnung, dass sich eine Stagflation abwenden lässt, geht davon aus, dass die Globalisierung mit der Corona-Krise und den geopolitischen Spannungen ihren Zenit überschritten haben könnte und dass eine vermehrte Re-Nationalisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten die Resilienz der heimischen Konjunktur stärkt und sie weniger abhängig von Problemen in den globalen Lieferketten macht, wenngleich die Entwicklung preistreibend wirken dürfte.
Geldpolitische Unabhängigkeit unter Druck
In jüngster Zeit sehen die Zentralbanken ihre Unabhängigkeit in der Bestimmung der Geldpolitik zunehmend gefährdet. Die Schweizerische Nationalbank ist hier in einer vorteilhaften Situation: Ihre Unabhängigkeit ist in der Bundesverfassung verankert. Die Zentralbanken erachten die Unabhängigkeit als unabdingbar, um Preisstabilität nachhaltig wahren zu können.
Gänzlich ignorieren können sie aber fiskalpolitische Auswirkungen gleichwohl nicht. Und ziehen weitere Krisen auf, wird den Zentralbanken kaum eine andere Wahl bleiben, als den Geldhahn kräftig aufzudrehen, um das Funktionieren der Märkte zu gewährleisten und ihre Bilanzen weiter aufzublähen.
An der Finanz’23 diskutieren Petra Gerlach, Stellvertretendes Mitglied des Direktoriums der SNB; Professor Ernst Baltensperger, ehemaliger Direktor des Studienzentrums Gerzensee der SNB, Yvan Lengwiler, Finanzprofessor der Universität Basel, unter der Leitung von Geldökonom Fabio Canetg, wie gut die Zentralbanken für die nächste Krise vorbereitet sind.
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