Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass jede Illustration des Coronavirus anders aussieht? Vielleicht verdeutlicht gerade dieses «unwichtige» Detail, was diese Pandemie kennzeichnet – dass wir nichts wissen.
Die Konsequenzen, die diese Corona-Pandemie bisher hatte – gesundheitlich, wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch – sind monströs. Noch monströser sind die Konsequenzen, die noch kommen werden, weil sie niemand genau benennen kann und sie darum so Furcht einflössend sind.
Das Unwissen über Ursachen, Wirken und Konsequenzen dieser Krise hält die globale Gesellschaft in Gefangenschaft. Dieses Unwissen ist angesichts der Nachrichtenflut und Kakophonie der richtigen, halbrichtigen und falschen Informationen eigentlich unerträglich.
Hier sind einige Beispiele:
1. Das Virus stammt aus Wuhan – oder auch nicht
(Bild: UN)
Es stimmt nicht, dass das Coronavirus, offiziell Sars-CoV-2 genannt, aus einem Labor in der chinesischen Stadt Wuhan stammt. Jedenfalls gibt es dafür keine Beweise – oder jedenfalls keine Beweise, dass es sich beim dem Virus um eine Manipulation handelt, die aus einem Labor stammt.
Aber es stimmt, dass das Virus erstmals in Wuhan zu Erkrankungen geführt hat. Es stimmt, dass in einem Labor in Wuhan an Coronaviren geforscht wurde, die von Fledermäusen stammen. Doch sind diese Viren nicht auf den Menschen übertragbar. Wo der «missing link« ist, der zu den Infektionen am Menschen geführt hat, wissen wir nicht.
2. China handelte in der Pandemie-Bekämpfung vorbildlich
(Bild: Unsplash)
Der Westen staunt erstens über die Akribie, mit der chinesische Wissenschafter und Mediziner zum Coronavirus forschen und Studien publizieren. Der Westen staunt auch über die Massnahmen Chinas zur Eindämmung der Pandemie: dem totalen Lockdown, der Sperrung ganzer Städte und Regionen, dem Social Tracking, den Tests.
Doch sind wir nicht so naiv zu glauben, dass China die Coronakrise tatsächlich soviel besser handhabt als Europa und die USA. Wie sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron? «Wir wissen es nicht. Es geschahen (in China) ganz klar Dinge, von denen wir nichts wissen.» Immerhin, das wissen wir.
3. Wie wird das Virus überhaupt übertragen?
(Bild: Medical News Today)
Klar, in «Social Distancing» geübte Menschen wissen: Das Coronavirus wird durch physischen Kontakt übertragen und durch Tröpfchen, die vom Husten oder durch Niesen ausgestossen werden. Aber kann das Coronavirus in der Luft überleben – so wie normale Grippeviren?
Eine Studie belegt, dass das Coronavirus in Luftpartikeln während drei Stunden überlebt – in einem Labor. Aber ob das für eine Infektion «im freien Feld» reicht, wissen wir nicht. Eigentlich wissen wir auch nicht, auf welchen Oberflächen und bei welchen Temperaturen das Virus wie lange überleben kann. Das heisst: Wissenschafter wissen das, doch kann man sich das unmöglich alles merken. Also fassen wir nichts an, auch kein Hunde- oder Katzenfell. Man weiss ja nie.
4. Schutzmasken sind nutzlos, aber sie können Leben retten
(Bild: Centers of Disease Control)
Die eigentliche Desinformationskampagne, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) punkto Schutzmasken führt, könnte exemplarisch für all das Nichtwissen um die Corona-Pandemie sein. Denn das BAG empfiehlt zwar nicht, dass Masken getragen werden sollen, da sie vor einer Ansteckung zu wenig schützen würden. Jedoch würden Masken Ansteckungen verhindern.
Also ist das Tragen doch empfehlenswert – manchmal. Was das BAG nicht sagt: Es gab bislang in der Schweiz schlicht zu wenig Masken für ein Obligatorium, das in anderen Ländern diskussionslos Sinn macht. Das BAG hat nun 90 Millionen Masken im Ausland bestellt. Nun wissen wir wenigstens: Masken sind also doch wichtig. Ob wir sie dann auch tragen müssen, wissen wir (noch) nicht.
5. Das Virus ist tödlich – doch wie tödlich genau?
Um zu wissen, wie tödlich das Coronavirus ist, müsste man wissen, wieviele Menschen tatsächlich infiziert sind. Das wissen wir nicht. Auch nicht von Ländern, die viel aggressiver testen als die Schweiz, zum Beispiel Südkorea oder Deutschland. Wir wissen nicht genau, warum die Schweiz nicht mehr testet. Wir werden unwissend gehalten.
Das BAG und die kantonalen Gesundheitsämter datieren zwar die durch einen Test erwiesenen Corona-Infektionen auf – und die Todesfälle. Wir wissen aber nicht, wie hoch die Dunkelziffer der tatsächlichen Infektionen ist. Es ist auch nicht ersichtlich, ob die Todesfälle eine direkte Folge von Covid-Erkrankungen waren oder nicht.
Das Unwissen ist mit Blick auf andere Länder noch viel grösser. Jedes Land testet anders, und entsprechend unterschiedlich seriös ist die Statistik. Die Zahl der Todesopfer hängt zudem von der Altersdemografie und dem Gesundheitssystem in jedem Land ab. Wir haben also keine Ahnung, wie tödlich das Virus effektiv ist.
6. Kinder sind nicht gefährdet – aber sie sind eine Gefahr?
(Bild: Shutterstock)
Für Kinder stellt das Coronavirus keine Gefahr da – und doch gibt es Todesfälle. Warum? Wir wissen es nicht. Wir wissen von chinesischen Studien mit Kindern, die zwar ebenso schnell infiziert worden sind wie andere Gruppen, aber keine Symptome zeigten. Warum, wissen wir nicht.
Kinder dürfen nicht in die Schule, obwohl es keinen bekannten Fall einer Schule gibt, in der sich Corona ausgebreitet hat. Kinder durften bislang auch keinen Kontakt mit ihren Grosseltern haben, obwohl es nie irgendwelche Beweise gab, dass Kinder ein wichtiges Glied in der Corona-Übertragungskette spielen, wie dies bei «normalen» Grippen der Fall ist. Mit dem Lockdown war sogar erwartet worden, dass mehr Kinder infiziert würden – durch ihre Eltern im Homeoffice. Auch das ist nicht geschehen. Jetzt dürfen Kinder ihre Grosseltern wieder umarmen – aber nur wenn sie unter zehn Jahre alt sind.
7. Einmal krank, für immer immun?
(Bild: Harvard Medical School)
Wenn der Lockdown Ende April langsam aufgehoben wird: Wissen wir, ob eine zweite Infektionswelle heranrollt? Wir wissen es nicht – aber wahrscheinlich ist es. Denn ein Schutz gegen eine neuerliche Infektionswelle wäre die sogenannte Herdenimmunisierung oder ein effektiver Impfschutz. Wir wissen allerdings nicht, wann es ein Corona-Impfmittel geben wird. Doch es wird länger dauern, als wir es uns erhoffen.
Wir wissen auch nicht, wie stark eine zweite Corona-Welle ausfallen wird. Denn wir wissen nicht, wie viele Menschen bereits – ohne Folgen – infiziert worden sind. Wir wissen auch nicht, wie viele sich von einer Covid-19-Erkrankung erholt haben, weil die meisten Erkrankungen gar nicht registriert wurden – denn es wird nicht genug getestet.
Und wir wissen nicht, ob eine Infektion oder eine Erkrankung Schutz vor einer weiteren Infektion oder Erkrankung bieten. Eigentlich schon, so der Glaube. Aber wissenschaftlich erwiesen ist es nicht. Tatsächlich gibt es Einzelfälle von Neuinfektionen, vielleicht weil das Virus bereits mutiert. Aber wir wissen es wirklich nicht.