Nicht zuletzt im Private Banking gilt Empathie als Voraussetzung für eine fruchtbare Kundenbeziehung. die gute Nachricht: laut Standford-Professor Jamil Zaki kann man lernen, auf andere einzugehen.

Das Wort Empathie oder vielmehr die Fähigkeit, Empathie zu zeigen, hat in der Corona-Pandemie eine neue Bedeutung erhalten. Es ist wohl erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass ein globales kollektives Bewusstsein gegenüber einer gesundheitlichen Bedrohung herrscht, und das Corona-Virus gleichzeitig individuelle Sorgen und Ängste auslöst, denen Mitmenschen mit Empathie begegnen können: Mit der Fähigkeit, auf Gedanken und Gefühle anderer einzugehen und zu reagieren.

Empathie ist etwas, was in den letzten Jahren auch im Banking eine höhere Bedeutung erlangt hat. Seit sich Banken weniger dem Produkteverkauf, als vielmehr den Kundenbedürfnissen widmen wollen, gilt die zwischenmenschliche Komponente, die Chemie zwischen Berater und Kunde, als Schlüssel für eine erfolgreiche Kundenbeziehung.

Empathie ist nicht nur Frage des Charakters

Klar ist, das nicht jedem die gleiche Fähigkeit gegeben ist, Empathie zu zeigen und zu leben. Dafür hat Jamil Zaki, Psychologie-Professor an der Stanford University in den USA, eine gute Nachricht. An einem TedxMarin-Talk sagte Zaki, Empathie sei eine erlernbare Fähigkeit, denn ein fixer Charakterzug. «Empathie ist ein einfaches Wort für eine komplexe Idee», sagte er. «Wissenschafter sehen darin einen Sammelbegriff für zahlreiche Arten, wie wir auf die Emotionen anderer Menschen reagieren.»

Zaki macht aus Empathie keine Religion. Empathie zu zeigen, könne situativ auch unangebracht oder ungerecht sein. Doch sagt Zaki auch: «Ich glaube, auf Empathie zu bauen, ist ein Weg, um der Gesundheit unserer Gesellschaft Sorge zu tragen.»

Zaki gibt in Stanford ein Einführungs-Seminar zu Empathie und beschreibt in seinem Buch «The War of Kindness: Building Empathy in a Fractured World» Methoden, wie sich Empathie trainieren lässt.

Dazu fünf Übungen:

1.Empathie beginnt bei einem selbst

Mit seinen eigenen inneren Kämpfen und Problemen geht man in der Regel anders um, als mit denselben Kämpfen und Problemen, die Freundinnen oder Freunde haben und einen darum um Rat beten. Während man sich hier geduldig und grosszügig zeigt, ist man gegenüber sich selber hart und und voller Selbstkritik. Zaki sagt, wenn man sich selbst gegenüber empathisch zeige, steigere man die Fähigkeit, dies auch gegenüber Mitmenschen zu tun. Empathie beginnt bei einem selbst.

2. Nettigkeiten am Limit

Das kostet Überwindung: Wenn man müde und gestresst ist und meint, selber am Limit zu laufen, findet man doch noch einen kleinen Energievorrat, den man einem Mitmenschen spendet. Indem man ihm eine kurze Nachricht schreibt, der Partnerin oder dem Partner seine Lieblingsschokolade nach Hause bringt oder sonst jemandem einen unerwarteten Gefallen tut. Was geschieht, ist: Durch die gespendete Energie sind die eigenen Speicher nicht vollends leer, man spendet auch sich Energie.

Glück und Wohlbefinden seien kein Nullsummenspiel, so Zaki. Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt, sagte einst Albert Schweitzer.

3. Verstehen heisst nicht Dulden

Es ist eine der schwierigeren Empathie-Übungen: Jemandem zuzuhören, mit dem man überhaupt nicht übereinstimmt. Zuhören heisst: nicht debattieren oder diskutieren. Das Ziel ist: Man soll lernen, dass man die Ansichten oder Ideologien einer Person komplett ablehnen kann, ohne dass man die Person selber ablehnt oder gar als Gegner wahrnimmt. Natürlich gibt es hier Grenzen. «Aber Empathie heisst nicht dulden, es kann verstehen heissen«, sagt Zaki. Insofern ist Empathie die Grundlage für respektvolle Konversationen, die trotz sozialer Hürden oder persönlicher Differenzen geführt werden können.

4. Technologie ist ein Medium fürs Zwischenmenschliche

Ist das Smartphone zwischenmenschliches Bindemittel oder dient es nur für Scrolls, Clicks und Kommentare? Twitter, sagte einst Tesla-CEO Elon Musk, sei eine Kriegszone. Social Media dient als Plattform für Ablenkung, für Selbstdarstellung – oder für Hass. Will man so seine Zeit verbringen, fragt Zaki. Smartphone-Junkies sollten sich lieber vornehmen, echte Interaktionen und Beziehungen aufzubauen, als bloss «Likes» zu klicken oder Emojis zu senden.

5. Die Empathie anderer Menschen loben

Komplimente übers Aussehen oder einen gelungenen Auftritt auszusprechen, fällt weniger schwer, als das empathische Verhalten anderer Menschen zu loben. Denn nur schon dieses zu erkennen, ist schwieriger, als den kurzen Moment, der unsere Aufmerksamkeit einfängt.

Als Führungsperson lohnt es sich, regelmässig darüber nachzudenken, welche Mitarbeiterin oder welcher Mitarbeiter am meisten dazu beitragen, dass das gesamte Team seine Ziele erreicht. Darüber soll man auch sprechen. Empathie lässt sich als Kultur innerhalb einer Gemeinschaft üben und kultivieren, indem man die eigene Empathie pflegt und andere dazu ermutigt.