Nur ungern möchten Anleger ihre Cash-Anlagen aufgeben, nachdem diese nun wieder Erträge abwerfen wie seit über zehn Jahren nicht mehr. Doch dadurch entgehen ihnen wesentlich bessere Chancen, schreibt Shaniel Ramjee in seinem Beitrag auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Kurz vor der Pandemie haben die Anleger jeder noch so winzigen Zusatzrendite nachgejagt. Ähnlich war die Situation auch schon in den zehn Jahren nach der globalen Finanzkrise.

In diesem Umfeld konnte Österreich Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 100 Jahren ausgeben, und Unternehmen konnten sich zu historisch niedrigen Zinsen Geld leihen, mit denkbar geringer Absicherung für die Kreditgeber. Gleichzeitig lauerten überall Zombiefirmen – hoch verschuldete Unternehmen, deren Gewinn selbst bei Zinsen nahe Null kaum den Zinsaufwand deckte.

«Trotzdem zögern die Anleger noch immer»

Der weltweite Inflationsanstieg nach der Pandemie hat all das verändert. Doch nun, wo an den Börsen wieder üppige Gewinne – in Teilen des Unternehmensanleihen- und Schwellenländeruniversums sogar zweistellige Renditen – winken, greifen die Anleger nicht zu, sondern bleiben bei Cash. Das Volumen weltweit gehaltener Geldmarktanlagen ist gegenüber 2018 um 2,6 Billionen Dollar gestiegen.

Ohne Frage bringt Cash erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt eine attraktive Rendite – etwa 5,1 Prozent in den USA und 3,8 Prozent im Euroraum. Auch real ist diese Rendite angesichts des deutlichen Inflationsrückgangs in beiden Regionen recht ansehnlich.

Bei den Geldmarktrenditen ist allerdings schon ein Abwärtstrend zu erkennen, der sich weiter fortsetzen dürfte, denn die Zentralbanken signalisieren nun Zinssenkungen. So preist der Markt in den USA für dieses Jahr aktuell eine Leitzinssenkung um 75 Basispunkte auf 4,75 Prozent ein.

Trotzdem zögern die Anleger noch immer, Geldmarktpositionen abzubauen und Kapital in renditestärkere Anlagen umzuschichten. Zum Teil könnte diese Übervorsicht damit zu tun haben, dass sie nicht nur ihre Risikobereitschaft anders beurteilen, sondern auch das Marktrisiko.

«Selbst erstklassige US-Treasuries, die als ‹sicherer Hafen› gelten, erlitten zweistellige Verluste»

Beispielsweise hat der Inflationsanstieg die Anleger daran erinnert, dass auch bei «risikofreien» Staatsanleihen durchaus Verluste möglich sind. Aggressive Zinserhöhungen der Zentralbanken haben an den Anleihenmärkten zu historischen Verkaufswellen und extremer Volatilität geführt. So verzeichneten globale Anleihen im Jahr 2022 Einbussen von 31 Prozent – der grösste Verlust am Anleihenmarkt seit mindestens 1900.

Selbst erstklassige US-Treasuries, die als «sicherer Hafen» gelten, erlitten in jenem Jahr zweistellige Verluste. Diese schmerzhaften Erfahrungen lassen sich nicht einfach auslöschen. Zudem lässt die Umkehrung der Zinsstrukturkurve – also höhere Renditen bei kürzeren Laufzeiten als bei langen – Cash attraktiver erscheinen. Die Übernahme des Laufzeitrisikos wird einfach nicht belohnt.

Dabei haben auch Unternehmensanleihen und Aktien potenziell einiges zu bieten. Anleger sollten nach Anlagen Ausschau halten, die Risiken angemessen kompensieren und einen Puffer gegen Volatilität darstellen. Momentan bieten bestimmte Hochzinsanleihen und Schwellenländer einen guten Schutz vor Rückschlägen. Durch Anlagen mit kurzer Restlaufzeit lassen sich einige Risiken der zinspolitikbedingten Volatilität vermeiden. Die Breakeven-Renditen – also die Schwelle, ab der Anleger Geld verlieren – gehören insgesamt zu den höchsten seit zehn Jahren. Ausserdem sind da natürlich noch Aktien.

An den Aktienmärkten hat die Volatilität nachgelassen, obwohl die Bewertungen – besonders in manchen Sektoren – relativ hoch sind und die effektive Duration dieser Anlagen lang ist. Aktien haben – für viele überraschend – den geldpolitischen Straffungszyklus besser überstanden als Anleihen, weil es in der Hand der Unternehmen liegt, auf veränderte Bedingungen zu reagieren.

Wenn sich das wirtschaftliche Umfeld wandelt, kann das Management das Geschäftsmodell überarbeiten und Strategieanpassungen vornehmen. Zu erkennen ist dies daran, wie schnell sich die Unternehmensgewinne erholt haben, die unter der steigenden Inflation zunächst sehr gelitten hatten.

«Cash ist also nicht alles und könnte am Ende sogar mehr schaden als nutzen»

Diese Widerstandsfähigkeit und die Tatsache, dass es den meisten Ländern dieses Jahr dank sinkender Zinsen gelingen dürfte, das Risiko einer Rezession abzuwenden, schaffen gute Voraussetzungen für Aktien und damit die Renditen für Anleger.

Wenn die vergangenen Jahre etwas gezeigt haben, dann, dass sich Risiken nicht vermeiden lassen. Selbst Geldmarkt-Instrumente kamen beim Zusammenbruch von Lehman Brothers und der dadurch ausgelösten weltweiten Finanzkrise von 2008 nicht ungeschoren davon. Was Anleger brauchen, ist eine Sicherheitsmarge, ein Polster, das ihnen über Marktturbulenzen hinweghilft.

Für fast jedes Risikoprofil verspricht eine Diversifizierung des Portfolios über die gesamte Kapitalstruktur der Märkte hinweg dank der Sicherheitsmarge, die die Renditen und Spreads derzeit bieten, bessere Ergebnisse als das Festhalten an Cash-Anlagen. Cash ist also nicht alles und könnte am Ende sogar mehr schaden als nutzen.


Shaniel Ramjee stiess 2014 als Senior Investment Manager im Multi-Asset London Team zu Pictet Asset Management. Vor Pictet arbeitete er sieben Jahre bei Barings Asset Management als Investment Manager. Er hat einen Master in Finanzen von der Universität St. Andrews und einen BA Hons in Wirtschaft und International Business von der University of North Carolina in Chapel Hill, USA. Er ist Chartered Financial Analyst (CFA) und verfügt über das Investment Management Certificate (IMC).


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