Wie erkennt man nachhaltige Anlagechancen? Durch einen Blick zurück auf die verschidedenen industriellen Revolutionen.
Von Edward Lees, Co-Head und Senior PM, Environmental Strategies Group, und Ulrik Fugmann, Co-Head und Senior PM, Environmental Strategies Group, BNP Paribas Asset Management
Covid, unkontrollierte Inflation, Nahrungsmittelkrisen, extreme Klimaereignisse und geopolitische Turbulenzen: Trotz stürmischer Gegenwinde steht die Welt an der Schwelle zu einer neuen industriellen Revolution.
«Industry 4.0» steht für eine grünere Zukunft – mit «Smart Factories», autonomen Systemen, dem Internet der Dinge, künstlicher Intelligenz, 3D-Druck und maschinellem Lernen. Und auch die Lebensstandards und Arbeitsmärkte profitieren weltweit von einer wiederhergestellten Biosphäre, von mehr Sicherheit bei der Energie- und Nahrungsmittelversorgung und dem Aufschwung des Produktivitätswachstums, dem Fundament der «Industry 4.0».
All diese Entwicklungen sind eng miteinander vernetzt. Gemeinsame «Open-Source»-Ansätze bei Daten und Innovationen beschleunigen so den Wandel, zum Wohle aller. Ein Beispiel: In Zukunft hat kaum jemand noch ein eigenes Auto – wer eines braucht, mietet es einfach.
Auf dem Weg zu «Industry 4.0»
Diese Entwicklungen erfordern massive Investitionen. Für Anleger ist es jedoch nicht einfach, die langfristigen Gewinner von den «Eintagsfliegen» zu unterscheiden. Will man wissen, wie die «Industry 4.0» sich in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird, sollte man einen Blick in die Geschichtsbücher werfen.
Die erste industrielle Revolution fand zwischen 1760 und 1860 in England statt – dank technologischem Fortschritt, einem aufstrebenden Bildungswesen und Kapitalwachstum. England wurde zur «Werkstatt der Welt» und das Pro-Kopf-Realeinkommen stieg nachhaltig. Die zweite industrielle Revolution setzte nach 1850 in den USA ein und wurde durch die Elektrifizierung, Rohölförderung, die rasche Verbreitung der Telefonie und die Fliessbandproduktion von Fahrzeugen vorangetrieben.
Anfang des 21. Jahrhunderts hatte sich das Produktivitätspotenzial der Infrastruktur erschöpft, auf welcher die zweite industrielle Revolution aufgebaut hatte. Eine neue technologische Infrastruktur entstand, mit Computern, IT-Netzwerken und Robotik. Sie waren das Sprungbrett für die «Industry 4.0» (siehe nachstehende Abbildung).
Alles wird grüner – auch die Infrastruktur
Der US-Ökonom Jeremy Rifkin ist überzeugt, dass technologische Fortschritte bei immer mehr Gütern und Dienstleistungen die Kosten für deren Herstellung und Lieferung gegen Null treiben werden. Im Verlagswesen und den Medien sei dies bereits der Fall. In jeder industriellen Revolution entstand eine neue Architektur, die für fast alle Produktivitätsgewinne verantwortlich war, so der Ökonom.
Gemäss Rifkin werden im nächsten Jahrzehnt autonome Elektro- und Brennstoffzellen-Fahrzeuge in intelligenten Strassen-, Schienen-, Gewässer- und Luft-Netzwerken zu Nullkosten über erneuerbare Energiequellen angetrieben. So können die Menschen miteinander kommunizieren und gemeinsam Energie- und Mobilitätsangebote nutzen, insbesondere in den kapitalistischen Märkten und der aufkommenden «Sharing Economy».
Wie man Themen und Gewinner findet
Für Anleger liegt die grosse Herausforderung darin, diejenigen Unternehmen zu finden, welche die nächsten 10 bis 20 Jahre nicht nur überleben, sondern «aufblühen» werden.
Die Vergangenheit lehrt uns, dass disruptive Produkte und Dienstleistungen systematisch unterschätzt wurden: Der technologische Wandel und die Kostensenkungen waren oft dynamischer als prognostiziert, etwa im Bereich erneuerbare Energien. Umweltbewusste Lösungen wie «grüner» Wasserstoff, Solarenergie, Elektrofahrzeuge oder Bio-Plastik verändern und unterbrechen Produktions- und Lieferketten und führen weltweit zu einem veränderten Konsumverhalten.
Die Transformation der Konsumgewohnheiten schreitet immer schneller voran, mit den entsprechenden Auswirkungen auf die betroffenen Wirtschaftszweige. Nur wenn wir die Hintergründe verstehen, können wir bewusstere Anlageentscheidungen treffen.
Gewinner findet man nur mit seriösem Research, Unvoreingenommenheit und einer differenzierten Betrachtung der Herausforderungen und Chancen. Umweltfreundliche Investitionen mit einem ganzheitlichen Ansatz sind gefordert. Und wir sind überzeugt, dass schlussendlich ein aktives Anlagemanagement der Schlüssel zur erfolgreichen Identifizierung von Unternehmen ist, die eine überdurchschnittliche Performance erzielen können.
Abbildung 1: Die vierte industrielle Revolution hat bereits begonnen.
Quelle: Visualcapitalist, BNP Paribas Asset Management, September 2022