Die Genfer Privatbank Pictet, bislang eher bekannt für ihre noble Zurückhaltung, geht nun ungehemmt in der Abwerbung ganzer Teams bei der Konkurrenz vor – und mit besonderem Elan bei Julius Bär, wie sich nun zeigt.
Viele Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte lang, übte sich die Genfer Privatbank Pictet in vornehmer Zurückhaltung. Nach aussen wurde lediglich das wirklich Notwendigste kommuniziert. Insofern war das Institut stets bemüht, für möglichst wenig Schlagzeilen zu sorgen – ganz nach der Devise des römischen Dichters Ovid (43 vor bis 18 nach Christus), der sagte: «Glücklich lebte, wer sich gut verborgen hielt».
Pictets Diskretion galt bislang auch für Personalfragen. Neuanstellung wurden ohne grosses Aufheben behandelt, und dass man bei einer anderen Bank Leute gezielt resepktive offensiv abwarb, kam eher selten vor. Das passte nicht zum Stil des Hauses. Doch in einer Private-Banking-Welt, die generell im Umbruch ist wie noch nie, ändert sich auch bei Pictet einiges. Vorbei sind die Zeiten der noblen Bescheidenheit.
Delikate Manöver
Spätestens seit knapp einem Jahr weht bei den Genfern ein anderer Wind – offensichtlich seit der Bankmanager und frühere CEO von Julius Bär, Boris Collardi, seinen Job als Partner bei Pictet angetreten hat. Mit dem klaren Auftrag, das noble Institut sowohl in der (Deutsch-)Schweiz als auch international substanziell weiterzubringen, entpuppt sich Pictet neuerdings als Bank, die Geschmack daran findet, ganze Teams abzuwerben – so, wie das andere Geldhäuser schon lange tun. Damit offenbart das Genfer Institut ein ganz neues Gesicht.
Delikat ist das Ganze natürlich, wenn diese Abwerbemanöver ausgerechnet bei Julius Bär, also bei der früheren Arbeitgeberin Collardis, erfolgen. Doch offenbar hat der neue Pictet-Partner überhaupt keine Hemmungen, in seinem «alten Quartier» zu wildern, wie sich in den vergangenen Monaten mehrmals unmissverständlich gezeigt hat.
Sehr kleine Bank
So wurde im vergangenen Dezember bekannt, dass ein insgesamt 18-köpfiges Nahost-Team unter der Leitung von Daniel Savary zu Pictet wechselt, wie auch finews.ch berichtete. Und vor nicht einmal zwei Monaten bestätigten die Genfer, dass eine 10-köpfige Beratercrew unter der Ägide von Marc Braendlin ebenfalls von Julius Bär zu Pictet wechselt.
Lange Zeit wurde in der Branche auch darüber spekuliert, wann diese konzertierten Aktionen auch in Asien, dem Wachstumsmarkt par excellence, beginnen würden, denn vorerst war es in dieser Hinsicht still zwischen Singapur und Hongkong geblieben. Gleichwohl signalisierte Asien-Chef Claude Haberer unlängst auch im Gespräch mit finews.asia in Hongkong, dass Pictet grosse Ambitionen hege, aus dem Stadium einer «sehr kleinen Bank» in eine nächstgrössere Kategorie aufzusteigen. Dass dieser Plan nicht nur organisch realisiert kann, liegt auf der Hand.
Wie weitere Recherchen von finews.asia nun ergeben haben, ist die «Jagdsaison» jetzt auch in Asien für Pictet eröffnet: Wie ein Sprecher am (gestrigen) Montag bestätigte, wechselt die renommierte und langjährige Kundenberaterin Pamela Hsu Phua ebenfalls mit einem ganzen Team von Julius Bär zu Pictet. War sie bei ihrer früheren Arbeitgeberin für den hoch lukrativen und extrem wachstumsstarken chinesischen Markt (Greater China) zuständig, übernimmt sie bei Pictet nun das Geschäft mit den Dienstleistungen für Family Offices.
Lockrufe des ehemaligen Chefs
Einiges deutet darauf hin, dass die Anstellung Phuas nur der Startschuss war für eine gross angelegte Personaloffensive bei Pictet. Denn allein aus eigener Kraft wird das Genfer Institut, das sich bislang auch in der Gewährung von den in Asien weit verbreiteten (Lombard-)Krediten an vermögende Privatkunden eher zurückhaltend verhielt, nicht signifikant wachsen können. Es müssen also erstklassige Berater her, die mit der rasant wachsenden Zahl an Millionären und Milliardären in China und Umgebung bereits beste Beziehungen unterhalten.
Dass man solche Relationship Manager (RM) insbesondere auch bei Julius Bär findet, darf nicht erstaunen, hat doch die Zürcher Traditionsbank schon vor Jahren Asien als ihren zweiten Heimmarkt definiert und rangiert dort, gemessen an den verwalteten Kundenvermögen, unter den ersten fünf Häusern. Jimmy Lee, der Asien-Chef von Julius Bär, wird sich spätestens jetzt einiges einfallen lassen müssen, damit nicht weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Lockrufen ihres früheren CEOs erliegen.