Exodus der Elite: Wohin wandern Amerikas Reiche aus?
70-Prozent-Anstieg seit 2023
Die Zahl der Anfragen aus den USA stieg im Jahr 2024 um 70 Prozent im Vergleich zu 2023, womit die Vereinigten Staaten für Henley & Partners zum wichtigsten Markt wurden. Und der Trend setzt sich fort: «Betrachtet man die bisherigen Zahlen für 2025 (1. Januar bis 18. Februar), so gab es eine weitere Zunahme der Anfragen aus den USA um 144 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2024.»
Mohr Elzeki erklärt, dass insbesondere europäische Programme stark nachgefragt werden.
Malta, Portugal, Schweiz, Österreich
Zu den begehrtesten Optionen gehören die maltesische Staatsbürgerschaft, das «Golden Visa»-Programm Portugals sowie Optionen für Aufenthaltsgenehmigungen in der Schweiz und Österreich. Laut Mohr Elzeki sprechen diese Programme wohlhabende Amerikaner an, die nicht nur ihre finanziellen Mittel diversifizieren, sondern auch Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung, Bildung und globaler Mobilität erhalten möchten.
Dieser Nachfrageschub deckt sich mit anderen Marktindikatoren und deutet darauf hin, dass Investitionsmigration für US-Bürger keine Randerscheinung mehr ist, sondern zunehmend als strategische Option in Betracht gezogen wird.
«Geopolitisches Arbitrage»
Mohr Elzeki ergänzt: «Angesichts beispielloser Instabilität und Unsicherheit verfolgen unsere Kunden eine Strategie der geopolitischen Arbitrage, um zusätzliche Aufenthalts- und Staatsbürgerschaftsoptionen zu sichern. Sie nutzen die Unterschiede in rechtlichen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Bedingungen verschiedener Länder, um ihre persönlichen, finanziellen und Lifestyle-bezogenen Möglichkeiten zu optimieren.»
Die Erkenntnisse von Henley & Partners werden durch Daten von ExPatsi, einem auf globale Relocation-Services spezialisierten Unternehmen, bestätigt. Ihre 2024 veröffentlichte Umfrage, die Antworten von über 116'000 auswanderungsinteressierten Amerikanern analysiert, zeigt, dass der Wunsch nach Auswanderung weiter im Steigen begriffen ist. Zwei Drittel der Befragten gaben an, bis spätestens 2026 die USA verlassen zu wollen – ein deutlicher Paradigmenwechsel.
Spanien und Frankreich
Westeuropa ist der klare Favorit unter den bevorzugten Zielen, wobei Portugal, Spanien, die Schweiz und Frankreich an der Spitze stehen – eine Entwicklung, die auch andere Branchenexperten bestätigen. Diese Präferenzen stimmen mit den von Henley & Partners erhobenen Daten weitgehend überein.
Die Gründe für diesen Wandel sind vielfältig: Neben wirtschaftlichen Aspekten rücken zunehmend politische und gesellschaftliche Faktoren in den Vordergrund.
Konservatismus, Waffengewalt
Der ExPatsi-Bericht zeigt, dass der Anteil der Amerikaner, die die konservativen Tendenzen in den USA als Hauptgrund für ihre Auswanderungspläne nennen, im Jahr 2024 um 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist. Erstmals wurde auch die Angst vor Waffengewalt als Antwortoption aufgenommen – und fast 50 Prozent der Befragten wählten diese Begründung.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind ebenfalls beachtlich: Laut ExPatsi könnte der Abfluss potenzieller Auswanderer aus den USA ein jährliches Kaufkraftvolumen von 6,5 Milliarden US-Dollar ins Ausland verlagern. Der Trend geht also über den blossen Wunsch nach einem neuen Lebensstil hinaus – er hat auch weitreichende finanzielle und wirtschaftspolitische Implikationen.
Aktive Exit-Planung
Die Erkenntnisse von ExPatsi untermauern die Schlussfolgerungen von Henley & Partners. Amerikaner erkundigen sich nicht mehr nur nach alternativen Wohnsitzen – sie planen ihren Ausstieg aktiv.
finews.ch hat mit weiteren Branchenexperten gesprochen, um ein detaillierteres Bild der treibenden Kräfte zu erhalten, die vermögende Amerikaner dazu bringen, ihre Zukunft im eigenen Land neu zu überdenken.
1 Million YouTube-Follower
Eine der prominentesten Stimmen im Bereich der Investitionsmigration ist Andrew Henderson, Gründer und CEO von Nomad Capitalist. Er hat seine US-Staatsbürgerschaft persönlich aufgegeben und seine Karriere der Beratung von Unternehmern und vermögenden Privatpersonen gewidmet, die sich mit Auswanderungsstrategien befassen. Seine YouTube-Plattform zu diesem Thema hat über 1 Million Abonnenten.
Im Gespräch mit finews.ch reflektierte Henderson über seine Entscheidung: «Für mich war es eine Mischung aus persönlicher Unzufriedenheit mit der US-Kultur und der extremen Komplexität der Steuervorschriften. Selbst wenn man legal keine Steuern zahlt, bleibt die Bürokratie erdrückend.» Seine Schlussfolgerung: «Der Westen entwickelt sich in die falsche Richtung, und ich bin in einem Land wie Malaysia viel glücklicher. Wir helfen anderen, dasselbe zu tun.»
Irland rückt in den Fokus
Seine Firma betreut eine spezielle Klientel: vor allem Unternehmer und Investoren, die alternative Staatsbürgerschaften, Steueroptimierung und globale Mobilität anstreben. «Eine Rekordzahl von Amerikanern erhält derzeit eine britische Staatsbürgerschaft, weil sie dort gelebt haben. Wir selbst helfen nicht beim Umzug nach Grossbritannien, aber wir sehen ein steigendes Interesse an Irland. Portugal bleibt ein Favorit, Spanien bleibt interessant.»
Warum die Schweiz keine bedeutende Destination für seine Kunden ist? Henderson erklärte: «Ich denke, die Schweiz ist komplizierter. Wer einen sauberen Strafregisterauszug hat, erhält mit hoher Wahrscheinlichkeit ein portugiesisches Golden Visa. Die Schweiz hingegen ist kein Selbstläufer.»
Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Nachfrage nach Schweizer Bankkonten steigt – und wie die USA darauf reagieren.