Mit Boris Collardi will die Privatbank Pictet zu mehr Wachstum kommen. Doch dafür ist die Eigentümerstruktur der mehr als 200 Jahre alten Bank ungeeignet. Es wird zu Veränderungen kommen.


Von Shruti Advani, Gastautorin von finews.asia


Mit dem Ankunft von Boris Collardi als Partner bei Pictet offenbaren sich seit diesem Monat zwei Gegenpole: Einerseits steht die Genfer Privatbank für die alte konservative Welt im Wealth Management, in der Risiken gescheut werden. Und andererseits repräsentiert der neue, 43-jährige Teilhaber aggressives Rekrutieren, kühne Transaktionen und schnelles Wachstum. 

Will Pictet tatsächlich an die Honigtöpfe des aufstrebenden Geldadels in Asien, so wird die Bank nicht umhin kommen, ihre Bilanz stärker auszubauen, wie finews.ch bereits am Mittwoch schrieb. Ein Blick zurück offenbart dabei, auf welchem Fundament das Institut ruht.

Erdbeben für Pictet

Offene Fragen zu den eigenen Kapitalanforderungen und die schwer einschätzbaren Folgen des US-Steuerstreits waren die Hauptgründe für Pictet, sich 2014 vom ursprünglichen Rechtskleid des «Banquier privé» zugunsten eines zeitgemässeren Teilhaber-Modells zu verabschieden.

Dabei verschoben die Partner ihre persönliche Haftung in Richtung Aktienkapital und gründeten entsprechend eine Aktienkommanditgesellschaft. Es war ein Erdbeben für die Privatbank, die sich stets gerühmt hatte, ihre Prinzipien der Teilhaberschaft und der Nachfolgeplanung seit dem napoleonischen Zeitalter niemals zu ändern.

Gang an den Kapitalmarkt

Mit dieser juristischen Veränderung eröffnete sich Pictet mehrere strategische Optionen. Denn ohne das Korsett der persönlichen Haftung jedes einzelnen Teilhabers steht einer Ausdehnung der Bankbilanz beziehungsweise einer Mittelbeschaffung an den Kapitalmärkten recht eigentlich nichts mehr im Wege.

Wie sich dies bewerkstelligen lässt, führte Collardi bei seiner früheren Arbeitgeberin vor: Julius Bär emittierte in Singapur eine Anleihe – ein für eine ausländische Bank bislang einmaliger Schritt. Pictet hätte gute Voraussetzungen für einen solchen Schritt, zumal die Firmenmarke «Gold wert» sei, wie es ein Investmentbanker gegenüber finews.ch formulierte. Es wäre indessen das erste Mal überhaupt, dass die 1805 gegründete Bank einen solchen Schritt unternähme.

Staatsfonds als Investor?

«Eine Stärkung des Kapitals durch eine Emission stellt für ein so angesehenes Institut wie Pictet keinerlei Probleme dar», ergänzte der Fachmann. Pictet könnte allerdings auch andere – aggressivere und unkonventionellere – Optionen wählen.

Denkbar wäre beispielsweise auch eine Öffnung für einen Investor, beispielsweise einem Staatsfonds. Gerade für Institutionen wie GIC oder Temasek in Singapur wäre das Engagement in eine Privatbank wie Pictet eine attraktive Sache.

Mindestens 4 Milliarden Franken

Pictet veröffentlicht zwar nur wenige betriebliche Kennzahlen, doch es ist klar, dass der Einstieg eines Investors einen durchaus stolzen Preis hätte. Mit seinen rund 200 Milliarden Franken an verwalteren Vermögen wäre allein der Bereich ‹Global Wealth Management› mindestens vier Milliarden Franken wert, nimmt man als Berechnungsgrundlage rund 1,5 Prozent des Buchwerts der Bank.

Diese Bewertung läge zwischen den 1,25 Prozent, welche Julius Bär für die Kundengelder von Merrill Lynch bezahlte und den 1,75 Prozent, welche die Bank of Singapore für Barclays Asia auf den Tisch legte – und sie beinhaltet erst noch eine gute Portion Goodwill.