Mit einem neuen Konzept wirkt die diesjährige Frieze London den schwierigen Zeiten in der Kunstwelt entgegen und sorgt dafür, dass sich die Themsestadt auch in der Zukunft als eine führende Adresse in der sich rasant wandelnden Kunstszene empfehlen kann. 

Lange wollte es niemand wahrhaben. Doch die Anzeichen häuften sich bereits seit Anfang 2024. Die globale Kunstbranche durchlebt schwierige Zeiten.

Einen eindeutigen Befund lieferte diesbezüglich spätestens die Art Basel im vergangenen Juni, wo die Verkäufe wesentlich unter den Vorjahren zu liegen kamen, wie auch finews.art berichtete.

Weltweit gingen im ersten Halbjahr 2024 auch die Transaktionen an Auktionen um knapp 30 Prozent zurück. Über den Sommer hat sich diese Entwicklung gar noch verstetigt, so dass in London, wo diese Woche die Frieze Art ihre Tore in vorerst gedämpfter Stimmung öffnete.

Galerie Sadie Coles HQ, Frieze London 2024 (Bild: Linda Nylind, Courtesy Frieze)

In der Themsestadt schlossen in den vergangenen Monaten nicht nur diverse aufstrebende Galerien (Parafin, Addis, Vitrine und Sundy), wie die «Financial Times» (Artikel hinter Paywall) zu berichten wusste, sondern die Verkäufe der Galerien, namentlich zeitgenössischer Kunst, brachen regelrecht ein; und aufgrund der rückläufigen Nachfrage übten sich auch die grössten Auktionshäuser mit ihren Verkaufsveranstaltung in grösserer Zurückhaltung.

Als ob das alles nicht schon genügte, schloss Ende Juni 2024 die seit acht Jahrzehnten trendsetzende Marlborough Gallery in London ihre Tore.

Im Vorfeld viel unternommen

Es liesse sich herleiten, dass alle diese Entwicklungen Folgen des Brexits sind. Doch gleichzeitig befindet sich ein Grossteil der Welt aktuell in einer geopolitisch doch sehr beunruhigenden Verfassung, die sich letztlich auch auf die Kunstszene niederschlägt.

Vor diesem Hintergrund taten die Verantwortlichen der Frieze Art Fairs (Frieze London und Frieze Masters) tatsächlich gut daran, das Konzept der dieses Jahr vom 9. bis 13. Oktober dauernden Messe im Vorfeld grundlegend zu überdenken, wie auch finews.art bereits berichtete.

Frieze Art Fair in Regents Park, London. Photo by Linda Nylind. 9/12/2024.

Modern Art, Frieze London 2024 (Bild: Linda Nylind)

Tatsächlich fällt beim Besuch der Messehallen im Regent's Park sofort auf, dass die diesjährige Frieze Art viel willkommender und offener wirkt als in den Vorjahren; ausserdem gibt es deutlich mehr Sitz- und Verweilgelegenheiten, was angesichts des zeitweiligen Überangebots and Kunst und Performances sehr angenehm ist.

Viele Premieren

Frieze Art Fair in Regents Park, London. Photo by Linda Nylind. 9/12/2024.

Galerie Esther Schipper (Bild: Linda Nylind, Courtesy Frieze)

Gleichzeitig scheint es aber auch, dass sich viele Galerien offener geben und den Kontakt mit dem Publikum suchen; insgesamt wirkt alles viel weniger elitär als früher. Das mag wiederum auch mit diversen Initiativen zusammenhängen, die in diesem Jahr Premiere feiern. So etwa die Initiative «Artist-to-Artist», bei der sechs Künstlerinnen oder Künstler die Werke eines Kollegen respektive einer Kollegin kuratiert haben. 

Ein weiteres Vorhaben ist der Ausstellungsbereich «Smoke», den Pablo José Ramírez, Kurator im Hammer Museum in Los Angeles, eingerichtet hat, und wo verschiedene Künstlerinnen und Künstler die Wechselwirkung zwischen Keramik und nicht-westlicher Kunst ausleuchten.

Hommage an ein Rauchtier

«Smoke» ist eine Hommage an «El Animal Humo» (das Rauchtier), einer Geschichte von Humberto Ak'abal über ein rätselhaftes Wesen aus Rauch, das als erhabene und beunruhigende Manifestation der Natur aus dem Boden aufsteigt.

Die Sektion «Focus» wiederum zeigt 34 Einzel- und Doppelpräsentationen von Künstlerinnen und Künstlern sowie Galerien aus fünf Kontinenten, darunter neue Räume, die die Londoner Kulturszene prägen. Damit versteht sich die Frieze Art auch als entschlossene Erneuerin der Szene.

Beiläufig oder auch ergreifend

Zu den jungen Künstlerinnen und Künstlern gehört auch René Matić. Die in Peterborough geborene Londonerin (heute «queer»/«es») beruft sich in seinen Arbeiten gerne auf das Erbe der jamaikanisch-britischen Ska- und Skinhead-Subkulturen, um Fragen des Schwarzseins, des Britischseins und der Identität im weiteren Sinne anzusprechen. Im Jahr 2021 wurde sein Werk auf der Frieze London von der Tate erworben und ist nun nach der grossen Neuhängung 2023 dauerhaft in der Tate Britain zu sehen.

Auf der Frieze London 2024 wird sein Werk von Arcadia Missa präsentiert. Matić verwendet oft eine einfache, 35-mm-Kamera, die es in einem leeren Studio ausrangiert gefunden hat. Die Ergebnisse können zart und intim sein – Momente, die sowohl beiläufig als auch ergreifend mit Bedeutung und Erinnerungen aufgeladen erscheinen können.

Engagement der Deutschen Bank

Bei seinem jüngsten Auftrag für die Londoner Büros der Deutschen Bank lauteten Matićs Leitprinzipien «Liebe, Sorgfalt und Respekt». Das deutsche Finanzinstitut ist heuer zum 21. Mal globaler Partner aller Frieze-Art-Messen, die übers Jahr verteilt ausser in London auch in Los Angeles, New York und Seoul stattfinden.

Frieze Art Fair in Regents Park, London. Photo by Linda Nylind. 9/12/2024.

Artist-to-Artist, Nengi Omuku kuratiert von Yinka Shonibare, Pippy Houldsworth Gallery (Bild: Linda Nylind)

Ein wiederkehrendes Thema war dieses Jahr die Besorgnis, dass die bereits nächste Woche (18. bis 20. Oktober 2024) stattfindende Art Basel Paris der Frieze London mittlerfristig den Rang ablaufen könnte. Diese Bedenken existieren bereits auch in Basel.

Vor diesem Hintergrund organisiert die Londoner Messe am letzten Ausstellungstag, also am Sonntag, 13. Oktober 2024 ein VIP-Dinner, um die Beziehung zu den allerwichtigsten Sammlerinnen und Sammlern sowie zu den Opinion Leaders, namentlich aus Asien zu pflegen. Denn auch diesem Jahr setzte sich das Publikum gut sichtbar zu einem sehr grossen Teil aus asiatischer Klientel zusammen. 

Besorgte Blicke nach Paris

Frieze Art Fair in Regents Park, London. Photo by Linda Nylind. 10/12/2024.

Mehr Verweilzonen (Bild: Linda Nylind, Courtesy Frieze)

Zu reden geben dieser Tage auch die ungebremst steigenden Kosten für viele Galerien, indem sich die (wirtschaftliche) Inflation nun auch da bemerkbar macht. Dies setzt vor allem mittelgrosse Galerien unter Druck, welche hohe Fixkosten verzeichnen und gleichzeitig mit der momentanen Nachfrageschwäche konfrontiert sind.

Vor diesem Hintgergrund ist an der diesjährigen Frieze auch ein neuer Trend hin zu Partnerschaften feststellbar, indem sich Galerien zusammenschliessen, auch für Veranstaltungen, was den Kunstsammlern und -interessierten ein grösseres und vielfältigeres Angebot aus einer Hand erschliessen soll.

Mit ihrem neuen Konzept hat die Frieze London dieses Jahr eine wichtige Aufgabe übernommen: London auf der Weltkarte der wichtigsten Kunstausstellung zu verewigen.