Marion Pester, Chefin der DZ Privatbank Schweiz, über deutsch-schweizerische Befindlichkeiten, Selbstbewusstsein und die Chancen des hiesigen Finanzplatzes.
Frau Pester, das Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland - Schweiz wird zusehends kontrovers diskutiert: Sehen Sie das Abkommen als gefährdet?
Es gibt Interessengegensätze zwischen Regierung und Opposition auf Bundesebene in Deutschland. Diese unterschiedlichen Interessen könnten unmittelbar Auswirkung auf die Gesetzgebung haben, weil zurzeit geteilte Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat vorliegen. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass die Bundesregierung zu den bislang mit der Schweiz vereinbarten Verpflichtungen steht. Es braucht aber auch eine Mehrheit der Bundesländer – das ist ein ganz normaler demokratischer Prozess. Leider finden sich in der aktuellen Diskussion auch polemische und polarisierende (Wahlkampf-)Positionen.
«Der Schweiz sollte mit mehr Respekt begegnet werden»
Nochmals, hat das Abkommen überhaupt noch eine Chance?
Ich gehe nach wie vor davon aus, dass die Vernunft – und damit meine ich nicht nur die fiskalische Seite – Sieger bleibt. Gerade in Zeiten der Euro-Krise sollte einem Nachbarland, das mit seinen dezentralen Strukturen und seinem ordnungspolitisch liberalem Staatsverständnis sowohl eine minimale Staatsverschuldung als auch wirtschaftliche Stabilität aufweist, mit mehr Respekt begegnet werden. Das Abkommen schafft Rechtssicherheit für beide Seiten und berücksichtigt die legitimen Interessen beider Länder.
Was sind das für Kunden, die zur DZ Privatbank nach Zürich kommen?
Es sind überwiegend genossenschaftliche Private-Banking-Kunden, die in Deutschland in der Regel eine der mehr als 1'100 Genossenschaftsbanken als Hausbank haben. Häufig sind es mittelständische Unternehmer, die als Firmenkunden eine langjährige Kreditbeziehung zu einer Genossenschaftsbank haben, oder Privatkunden mit einer Baufinanzierung bei ihrer Genossenschaftsbank. Ihre Vermögensanlagen haben diese Kunden aber bislang zumindest teilweise bei Wettbewerbern respektive nur im Euro-Raum vorgenommen. Individuelles Private Banking fängt traditionell ab mindetens 500'000 Euro an. Wir bieten dies bereits ab einem gesamten Geldvermögen von 250'000 Euro an.
Warum wollen DZ-Kunden in die Schweiz?
Zum einen punkten unsere Kundenberater mit typisch schweizerischen Tugenden bei deutschen Kunden. Sie können und wollen zuhören, sind keine Produktverkäufer, pflegen langjährige persönliche Kundenbeziehungen und sind im besten Sinne «konsensual».
«Die Schweiz bietet echte Diversifikation»
Zum anderen bietet die Schweiz als Depotstelle echte Diversifikation. Die Schweiz ist ein sicherer Hafen für Vermögensanlagen – in einem stabilen Wirtschaftsraum bei hoher Rechtssicherheit für das Eigentum – und das innerhalb Europas, aber ausserhalb des Euro-Raums respektive der EU. Dies ist ein wichtiger Vorteil im Wettbewerb der Finanzplätze.
Wie sind Sie in der Schweiz aufgestellt?
Die DZ Privatbank (Schweiz) AG ist eine Schweizer Vollbank und eine 100-prozentige Tochter der DZ Privatbank S.A. in Luxemburg. Wir beschäftigen hier rund 200 Mitarbeiter und erfüllen von hier aus auch Aufgaben für die gesamte DZ Privatbank Gruppe, zum Beispiel im Asset Management und bei Anlagevorschlägen für Neukunden in Deutschland.
Welchen Stellenwert spielt Zürich in diesem Geschäftsmodell?
Wir gehören seit Jahren zu den Top drei der deutsch-beherrschten Banken am Finanzplatz Zürich und haben einen klaren Auftrag der genossenschaftlichen «FinanzGruppe»: Lokal. National. International ist unser Private Banking. Dazu gehört neben den internationalen Standorten Luxemburg und Singapur eben auch Zürich.
«Natürlich spüren wir die Verunsicherung der Anleger»
Die Limmatstadt steht für Qualität, für hochqualifizierte Mitarbeiter, langjährige Tradition in der Verwaltung grosser Vermögen, für die Stabilität des eidgenössischen Wirtschaftsstandortes und für eine offene liberale Gesellschaft. Das sind wichtige Pluspunkte.
Wie läuft derzeit das Geschäft, und welche Ziele haben Sie sich mittelfristig gesetzt?
Dem Branchentrend können wir uns angesichts der starken Verunsicherung der Kunden durch das Kapitalmarktumfeld leider nicht entziehen. Und selbstverständlich spüren wir auch die Verunsicherung der Anleger im Rahmen der politischen Diskussion in Deutschland. Hier wünschen wir uns sobald wie möglich Rechts- und Planungssicherheit. Zu viele Ressourcen sind aktuell mit regulatorischen Auflagen und Pflichten belegt.
«Es gilt, alten Ballast zügig abzuwerfen»
Aber auch wenn wir in 2012 mit einem ertragsschwächeren Jahr rechnen, können wir mit den Bruttoneugeldern sehr zufrieden sein. Denn dies belegt die Zukunftsfähigkeit und Attraktivität des Finanzplatzes auch im Zuge unserer Marktinitiative «Private Banking» in Deutschland. Hier investiert die genossenschaftliche «FinanzGruppe» erheblich, und wir sind integraler Teil dieser Aktivitäten.
Mit ihrem Geschäftsmodell baut die DZ Privatbank bewusst auf den Stärken des hiesigen Finanzplatzes auf. Wie wird sich der Finanzplatz in fünf Jahren präsentieren?
Der Finanzplatz wird ein anderer sein. Nach meiner Überzeugung ein wettbewerbsfähigerer, sofern es gelingt, alten Ballast zügig abzuwerfen, Effizienzpotentiale ernst zu nehmen, Kostendisziplin neu zu bewerten und schliesslich die Kernkompetenzen zu stärken und zu nutzen.
Dazu gehört auch die Besinnung auf die gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen der Schweiz als echtes Alleinstellungsmerkmal: Das liberale Menschenbild, die konsequente Ordnungspolitik, die gelebte Subsidiarität sowie die basisdemokratischen und verantwortlichen Willensbildungsprozesse.
«Private Banking in der Schweiz steht auch für hohe Preise»
Die Selbstverständlichkeit, mit der Eigenverantwortung in der Schweiz gelebt wird, ist für internationale Kunden kein Beiwerk, sondern Basis einer vertrauensvollen Geschäftsbeziehung.
Die Schweizer Bankbranche konnte viele Jahre ohne grössere Anstrengungen erfolgreich wirtschaften. Das hat sich geändert. Wo besteht Ihres Erachtens Handlungsbedarf im hiesigen Bankwesen respektive bei den hiesigen Bankleuten?
Private Banking in der Schweiz steht nach wie vor für Qualität, aber auch für einen niedrigen Outsourcing-Grad und vergleichsweise hohe Preise – und die müssen im internationalen Wettbewerb verdient sein. Auf die neuen Rahmenbedingungen übersetzt, bedeutete dies beispielsweise, dass die Schweiz als weltgrösster Standort für internationale Vermögen sich auf die neuen Cross-Border-Anforderungen inhaltlich und ausbildungsseitig verstärkt ausrichten und in Humankapital und Prozesse investieren muss. Die hohe interkulturelle Kompetenz der Schweiz ist dafür eine hervorragende Basis.
«Werte-Themen werden immer wichtiger»
Notwendig ist aber auch eine verstärkte Hebung von Effizienzpotentialen. Die Wertschöpfungstiefe ist bei Schweizer Banken nach wie vor international vergleichsweise hoch. Und auch Wertethemen werden eine erhebliche Rolle spielen, denn das, was in der Finanzmarktkrise und gegenüber dem Schweizer Finanzplatz nachteilig zu werden droht, ist schwindendes Vertrauen von Kunden.
Gelingt es Schweizer Banken, wieder stärker, das Suchen nach dem Verbindenden und dem Gemeinsamen auch in der Gesellschaft in den Vordergrund zu stellen und ihren volkswirtschaftlichen Nutzen zu belegen, dann wäre auch dies ein Feld, in dem sich die Schweiz positiv von ihren europäischen Nachbarn differenzieren kann.
«Ich habe einen hohen Respekt vor dem ‹Schweizer Weg›»
Dies alles braucht schliesslich eine offensive Öffentlichkeitsarbeit, die die Qualität des Private Banking und des Wirtschaftsstandortes – auch als Industrie- und Exportland – Schweiz herausstellt.
Sie sind vor gut sechs Jahren von Deutschland (Frankfurt) in die Schweiz gekommen. Wie hat sich Ihr Schweiz-Bild seither verändert?
Als überzeugte Liberale, für die Selbstverantwortung und Mitbestimmungsrechte einen hohen Stellenwert haben, war die Schweiz von Beginn an faszinierend. Daran hat sich bislang nichts geändert, auch wenn ich erst mit der Zeit gemerkt habe, wie wenig ich zuvor doch über dieses Land gewusst habe. Ich habe einen hohen Respekt vor dem «Schweizer Weg», würde mir allerdings manchmal wünschen, dass seine Modernität und Zukunftsfähigkeit noch stärker herausgestellt wird.
«Momentan ist die Stimmung eher verhalten»
Wie empfinden Sie persönlich die aktuelle Befindlichkeit in der hiesigen Bankbranche?
Ich erkenne eine Phase der Reorientierung. Das ist eine grosse Chance und die sollte auch genutzt werden: Selbstkritisch, aber selbstbewusst. Momentan ist die Stimmung, soweit ich das wahrnehme, allerdings eher verhalten.
Sie zählen zu den wenigen weiblichen CEOs bei Schweizer Banken. Welche Vorteile ziehen Sie daraus? Was sind die Nachteile?
Sagen wir mal so: Für mich ist das völlig normal. Und es würde – glaubt man den empirischen Studien auf diesem Feld – auch kaum schaden, wenn das viele so sehen würden.
Marion Pester übernahm im Herbst 2011 die Führung der DZ Privatbank in der Schweiz. Mitglied der Generaldirektion ist sie allerdings bereits seit 2006, wobei sie vorher für Handel/Treasury, Produkt- und Portfoliomanagement, IT und Operations zuständig war.
Heute verantwortet Pester die wichtigen Bereiche Private Banking Schweiz, Produkt- und Portfoliomanagement sowie Human Ressources.
Vor ihrem Wechsel nach Zürich hatte sie diverse Führungsfunktionen im Vertrieb, Consulting und Produktmanagement der DZ-Bank-Gruppe inne.
Die genossenschaftlich organisierte Firma dürfte in den nächsten Jahren im Rahmen der Weissgeld-Strategie auf dem Schweizer Finanzplatz eine noch stark wachsende Bedeutung für deutsche Kunden erlangen. Marion Pester ist somit in einer Schlüsselstelle im Private Banking.