Die Ankündigung des Bundesrates, die Schweiz langsam aus dem Coronaschlaf zu wecken, hat eines gezeigt: Die Unsicherheit bei den Entscheidungsträgern ist riesig. Die wirtschaftlichen Verwerfungen werden immer grösser – auch wenn viele Strukturen intakt geblieben sind.
Die beste Illustration zur entscheidenden Bundesratssitzung vom Donnerstag wurde von den TX-Zeitungen in einer Randnotiz geliefert: Gemäss der Schilderung des Zeitungsverbunds wollte Finanzminister Ueli Maurer mittels Mitbericht eine schnellere Öffnung erzwingen, da die zu erwartenden Einnahmeausfälle wegen der wirtschaftlichen Krise bedrohliche Züge annehmen. Als er mit seiner Forderung im obersten Gremium aufgelaufen sei, habe er sich dem Rest der Diskussion verweigert, so der Bericht im «Tages-Anzeiger».
Eine Nachfrage bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung erbringt leider nichts Erhellendes zum Thema Einnahmenausfälle. Eine Sprecherin erklärt lapidar, dass noch keine Schätzungen zu den zu erwartenden Steuerausfällen vorlägen.
Mindereinnahmen vs. Mehrausgaben
Klar ist: Die Schliessungen wegen der Pandemie führen zu einer kleineren Wirtschaftsleistung, die Arbeitslosenzahlen schiessen in die Höhe und die Ausgaben des Bundes steigen.
Die Kluft, die zwischen den ausbleibenden Einnahmen und den Zusatzausgaben des Bundes, der Kantone und der Gemeinden entsteht, vergrössert sich mit jedem Tag, in dem ein grosser Teil der Wirtschaft im Zwangsurlaub verharren muss.
Tiefe Rezession erwartet
Die Ökonomen der Credit Suisse haben am Freitag ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum der Schweiz auf minus 3,5 Prozent von bisher minus 1,0 Prozent revidiert.
Während die Pharmaindustrie wenig überraschend in der aktuellen Krise eher noch zulegen kann, sind auch Investitionen in Forschung und Entwicklung, sowie Software und Datenbanken wachstumstreibend.
Düstere Zeiten für die Kleinen
Es zeigt sich gemäss der zweitgrössten Schweizer Bank auch, dass die Coronakrise keine Krise des Finanzsystems ist. Vor allem das koordinierte Vorgehen der Zentralbanken leitete eine rasche Beruhigung im Markt ein, der anfänglich ähnliche Stresssymptome zeigte wie während der Finanzkrise.
Die meisten anderen Pfeiler der Wirtschaft aber sind mehr oder weniger stark vom Abschwung betroffen. Besonders diejenigen unter den kleinen Unternehmen, die jetzt schon einen Monat ohne Einkommen sind und noch fast zwei Monate geschlossen bleiben müssen, sehen düsteren Zeiten entgegen: «Sollten die Behörden aber die stark einschränkenden Massnahmen verlängern, werden die Kredite vor allem für die kleinsten Unternehmen zu einer Last, da sie sich immer mehr verschulden müssten, um ihre Fixkosten zu begleichen», schreibt die Credit Suisse. «Es ist entsprechend davon auszugehen, dass nicht alle Kredite zurückbezahlt werden.»
Unruhe beim Gewerbe
Die Unruhe beim Gewerbeverband und bei wirtschaftsnahen Kreisen über die langsame Öffnung der Wirtschaft wird damit besser verständlich. Zwar konnte der Bund mit seinen raschen Stützungsmassnahmen im März den grössten Teil der Wirtschaft vor einem schnellen Kollaps bewahren, aber die langfristigen Aussichten gerade der Dienstleistungsindustrie mit ihren teilweise niedrigen Margen sind mit der Aufnahme von neuen Krediten schlechter geworden.
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sparte denn auch nicht mit Kritik gerade am Entscheid des Bundes, die meisten Läden noch weitere drei Wochen geschlossen zu halten und bedauerte ausdrücklich die lange Zeit, welche der Weg aus der Krise dauern wird.
Trotzdem ordentliche Aussichten für die Staatsfinanzen?
Andere Stimmen sehen zumindest für die öffentlichen Finanzen keine besonders kritischen Verhältnisse voraus. Der Schweizer Staat ist finanziell nach wie vor gut aufgestellt und sollte dank den ertragsreichen Jahren seit der Jahrtausendwende die Konsequenzen der Coronakrise bewältigen können.
Die Staatsfinanzen werden dieses Jahr vor allem durch hohe Kurzarbeitsentschädigungen sowie sinkende Steuer- und Beitragseinnahmen belastet, erklärt Alexander Koch, Ökonom der Raiffeisenbanken in der Schweiz. So soll gemäss Währungsfond das Budgetdefizit in der Schweiz eine Quote von etwa 5 Prozent des BIP erreichen, aber schon nächstes Jahr wieder gegen 2 Prozent fallen.
Sollte die Schweiz den Einbruch tatsächlich so gut und vor allem schnell meistern, würde der Druck auf Maurers Finanzministerium, schon nächstes Jahr eine Sparrunde bei den Ausgaben einzuläuten, wohl nicht ganz so gross sein, wie man vielleicht befürchtet hat: «Aus der aktuellen Sicht besteht überhaupt kein Grund zur Sorge über die Schweizer Staatsfinanzen. Man wird sich weiter ausreichend mit Negativzinsen refinanzieren können, als eines der wenigen verbliebenen AAA-Länder,» schreibt Koch auf Anfrage von finews.ch.