Verschiedentlich heisst es, Fidleg und Finig hätten ihr Ziel verfehlt. Das trifft nicht zu, schreibt Andreas Barfuss von der Bankiervereinigung.
Andreas Barfuss ist Leiter Finanzmarktrecht bei der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg).
Mit der in wenigen Tagen zu erwartenden Verabschiedung der beiden Vorlagen Fidleg und Finig im Parlament kommt das legislative Grossprojekt vielmehr zu einem erfolgreichen Abschluss. Damit erhält die Schweiz ein ausgewogenes und zeitgemässes Gesamtkonzept im Anlegerschutz. So werden mit dem Finig die Lücken in der Aufsicht über die Vermögensverwalter geschlossen. Und im Fidleg wird die gesamte Beziehung zwischen Finanzdienstleister und Kunde am Point of Sale in einem einzigen Gesetz geregelt.
Das Thema Anlegerschutz darf auch nicht allein auf das Fidleg reduziert werden. Es wird oft vergessen, dass die unabhängigen Vermögensverwalter, die bis anhin keinerlei hoheitlicher Aufsicht unterstellt waren, neu als Finanzinstitute dem Finig und damit einer angemessenen Aufsicht unterstellt werden. Auch dadurch wird der Anlegerschutz deutlich gestärkt und gleichzeitig ein Schweizer «Gütesiegel» für unabhängige Vermögensverwalter und professionelle Trustees geschaffen.
Wirksamer Anlegerschutz
Darüber hinaus wird die gesamte Beziehung zwischen Kunde und Finanzdienstleister von «der Wiege bis zur Bahre» von spezifischen, auf die Erbringung von Finanzdienstleistungen zugeschnittenen Pflichten, des Finanzdienstleisters begleitet. Weitgehende Informationspflichten, Treue- und Sorgfaltspflichten, Vorgaben zu Dokumentation und Rechenschaft sowie zur Angemessenheits- und Eignungsprüfung sollen den Kunden schützen. Im Streitfall wird der Kunde durch im Gesetz verankerte Herausgabepflichten unterstützt. Und mit der neu ebenfalls für alle Finanzdienstleister obligatorischen Ombudsstelle wird ihm eine niederschwellige und vor allem kostengünstige Anlaufstelle für die Streitbeilegung geboten.
Wichtig scheint, dass es sich beim mit Fidleg und Finig gefundenen Kompromiss um einen sinnvoll ausgestalteten und praxistauglichen Anlegerschutz handelt. Es gibt Stimmen, die beklagen, dem Anlegerschutz sei im Parlament nicht Genüge getan worden. Das stimmt nach dem Gesagten eindeutig nicht. Wenn man sich die engmaschige Gesamtkonzeption von Pflichten und Vorgaben genau ansieht, wird offensichtlich, dass wohl in keiner anderen Branche ein auch nur annähernd weit gehendes Kundenschutzsystem zur Verfügung steht.
Intakte Chancen auf Äquivalenzanerkennung
Für Schweizer Finanzdienstleister ist die EU als Absatzmarkt von grosser wirtschaftlicher Bedeutung. Mit MiFID II und MiFIR erhalten EU-Drittstaaten ab Januar 2018 erstmals die Möglichkeit, professionelle Kunden mittels «EU-Pass» grenzüberschreitend im gesamten EU-Raum zu bedienen. Dafür ist aber vorgängig ein positiver Äquivalenzentscheid der EU-Kommission nötig. Die Bedeutung des Worts Äquivalenz erschliesst sich, wenn man auf seinen lateinischen Ursprung zurückgeht. Das Wort aequus bedeutet «gleich» und valere bedeutet «wert sein» – wir sprechen also von Gleichwertigkeit und nicht etwa Gleichheit.
Als eigenständige Schweizer Gesetze sind Fidleg und Finig selbstverständlich nicht in allen Belangen deckungsgleich mit MiFID II. Aber wer nun beispielsweise sagt, dass in Abweichung zu MiFID II bei der transaktionsbasierten Anlageberatung nach Fidleg keine Eignungsprüfung für Finanzgeschäfte gemacht werden müsse, verschweigt gleichzeitig, dass anstelle einer Eignungsprüfung eine Angemessenheitsprüfung gemäss Art. 12 Fidleg durchgeführt werden muss.
Ball liegt bei EU-Kommission
Liest man Art. 47 MiFIR, wird klar, dass der Spielraum der EU-Kommission für die Äquivalenzbeurteilung sehr gross ist. Es wäre der EU-Kommission also grundsätzlich möglich – politscher Wille vorausgesetzt – ein Drittland als äquivalent anzuerkennen, sobald dessen Aufsichts- und Wohlverhaltensregeln zumindest im Kern den regulatorischen Vorgaben der EU entsprechen.
Dies ist in der aktuellen Fassung von Fidleg und Finig gegeben. Die Schweiz hat ihre Hausaufgaben gemacht, nun ist der Ball bei der EU-Kommission. Das Äquivalenzverfahren sollte zügig an die Hand genommen werden.