Seit sechs Jahren leitet Friederike Schmid die Kunstinitiative am Kantonsspital Graubünden. Kunst ist für sie mehr als Dekoration – nämlich ein integraler Bestandteil des Heilungsprozesses. An allen vier Standorten des Spitals – Hauptstandort, Kreuz- und Fontanaspital in Chur sowie Walenstadt– prägen sowohl Jahresausstellungen als auch fest installierte Kunstwerke das Ambiente. Wie sie Kunst im Spital neu und anders denkt, verrät sie im Gespräch mit finews.art.

Frau Schmid, wie sind Sie zu Ihrer Rolle am Kantonsspital Graubünden gekommen?

Vor gut sechs Jahren wurde eine Stelle als Projektleiterin für Kunst- und Bauprojekte ausgeschrieben, weil das Kantonsspital vor der Vollendung eines grossen Neubaus stand. In der Schweiz ist es üblich, dass bei solchen Bauvorhaben auch Kunst integriert wird.

Dazu werden regelmässig Wettbewerbe ausgeschrieben, um die besten Künstlerinnen und Künstler für diese Projekte zu gewinnen. Dies war eine spannende Herausforderung für mich, da ich die Möglichkeit sah, Kunst auf Augenhöhe mit der Architektur zu schaffen und nicht nur als Dekoration zu verstehen.


Werke des Künstlers Christian Achenbach (Bild: KSGR)

Welche Rolle spielen professionelle Kunstschaffende bei Ihren Projekten?

Als ich die Stelle antrat, wurde ich auch gefragt, ob ich bereit wäre, die Kunstkommission zu leiten. Ich stimmte zu, aber unter der Bedingung, dass wir nur mit professionellen Kunstschaffenden arbeiten würden. In vielen Spitälern wird Kunst nebenbei organisiert und Werke von Laien ausgestellt.

Das wollte ich unbedingt vermeiden, da solche Projekte nicht die gewünschte Wirkung auf Patienten und Mitarbeitende haben. Eine Ausnahme machten wir nach COVID, wo wir Werke unserer Mitarbeitenden ausstellten, um deren künstlerische Tätigkeit in dieser schwierigen Zeit wertzuschätzen.

Mein Ziel war es, professionelle Ausstellungen zu gestalten, aus denen wir auch manchmal Werke für das Spital ankaufen, um wichtige Orte wie Patientenzimmer oder Warteräume zu gestalten.

Können Sie uns mehr über Ihre aktuelle Ausstellung «Flower Power – Heilende Pflanzen» erzählen?

«Flower Power – Heilende Pflanzen» ist unsere Jahresausstellung, die eine enge Verbindung zwischen Kunst und Medizin herstellt. Über 100 florale Werke sind in den öffentlichen Bereichen der vier Spitalstandorte in Chur und Walenstadt installiert. Diese Ausstellung geht über reine Ästhetik hinaus und soll die heilende Kraft der Natur über die Schönheit der ausgestellten Werke in den Krankenhausalltag integrieren.

Wir organisieren dazu monatliche Events, wie zum Beispiel einen Heilpflanzenspaziergang mit einer Ethnobotanikerin und Professor em. Dr. med. Reinhard Saller, dem Gründer des komplementärmedizinischen Instituts am Universitätsspital Zürich und Schirmherr der Ausstellung. Intern ist die Ausstellung durch unsere Schirmherrin Monica von Toggenburg, Departementsleiterin Pflege und Fachsupport und Mitglied der Geschäftsleitung, bestens verankert.


Landmark Spitaleingang: Begehbare Skulptur «SCARCH» von Not Vital (Bild: Ralph Feiner)

An den Standorten gibt es auch fest installierte Kunstwerke. Welche Werke stechen besonders hervor?

Am Kantonsspital Graubünden (KSGR) hatte Kunst und Bau auch schon in früheren Bauetappen respektive früheren Jahren eine grosse Bedeutung - so sind einige bedeutende Kunstwerke fest an den Standorten installiert. Besonders hervorzuheben sind die Werke von Not Vital, Zilla Leutenegger und Christian Herdeg. Not Vital schuf eine begehbare Skulptur in Form einer riesigen Acht, die sowohl philosophische als auch gesundheitliche Aspekte reflektiert. 

«Es ist mir wichtig, dass Kunst im Spital eine langfristige Wirkung hat und fest in den Alltag integriert ist»

Leutenegger gestaltete eine Wand im Restaurant des Spitals mit traditionellen Engadiner Sgraffito-Techniken, die Moderne und Tradition verbindet. Der Zürcher Lichtkünstler Herdeg hat einen Innenhof mit einer beruhigenden Lichtellipse gestaltet. Alle Kunstwerke nehmen Bezug auf die Räumlichkeiten und deren Nutzung.

Wie finanzieren Sie die Kunstprojekte im Spital?

Ich arbeite mit einem kleinen Budget, das der Kunstkommission jährlich zur Verfügung steht. Es ist mir wichtig, dass wir dieses so einsetzen, dass die Kunst im Spital eine langfristige Wirkung hat und fest in den Alltag integriert ist.


Kunst in «Viagraform», «ViaVia» von Hans Thomann (Bild: KSGR)

Gibt es in der aktuellen Ausstellung Werke, die besonders auffallen?

Ja, neben den floralen Werken gibt es auch humorvolle und originelle Kunstwerke, die auffallen. Ein Beispiel ist ein riesiges Viagra in Porsche-Farben, das in der Urologie hängt – ein Werk des St. Galler Künstlers Hans Thomann, das definitiv ein Augenzwinkern hervorruft.

«Eine WHO-Studie von 2019 belegt, dass eine angenehme Umgebung die Heilung fördert»

Ebenso faszinierend sind die Kartoffelbilder von Renate Bodmer, die im Röntgenbereich zu sehen sind und eine subtile Verbindung zur medizinischen Praxis herstellen. Besonders berührend sind auch die Waldbilder des jungen Bündner-Künstlers Emanuel Heim im Kardiologie-Bereich, die die Patienten mit Herzproblemen daran erinnern sollen, wie wichtig Bewegung für ihre Genesung ist.

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Waldbilder von Emanuel Heim (Bild: KSGR)

Wie reagieren die Patienten auf die Kunstwerke im Spital?

Die Reaktionen sind sehr positiv. Kunst kann das Wohlbefinden steigern und den Genesungsprozess unterstützen. Eine WHO-Meta-Studie von 2019, in der über 3000 Studien zusammenfasst wurden, belegt, dass eine angenehme Umgebung die Heilung fördert, etwa durch kürzere Verweildauer, weniger Rückfallquoten und weniger Bedarf an Schmerzmitteln. Kunst kann zudem eine wichtige Rolle spielen, indem sie den Aufenthalt im Krankenhaus angenehmer gestaltet und die Atmosphäre verbessert.

Was macht die aktuelle Ausstellung besonders?

Ein wichtiger Aspekt der «Flower Power»-Ausstellung ist, dass sie von Leihgaben lebt. Wir haben Werke aus verschiedenen renommierten Sammlungen ausgeliehen, darunter die Kunstsammlung des Kantons Zürich, die Graubündner Kantonalbank und das Museum Franz Gertsch in Burgdorf.

«Kunst trägt nur zur physischen Heilung bei, sondern auch zur emotionalen und psychischen Genesung»

Diese Leihgaben sowie diejenigen freundschaftlich verbundener Kunstschaffender ermöglichen es uns, trotz eines bescheidenen Budgets eine vielfältige und hochwertige Ausstellung zu präsentieren.

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 St. Petersburger Hängung: Florale Mischung der Kunstwerke (Bild: KSGR)

Welche Rolle spielt Kunst im Heilungsprozess der Patienten?

Ich sehe Kunst als eine Art von Komplementärmedizin. Sie trägt nicht nur zur physischen Heilung bei, sondern auch zur emotionalen und psychischen Genesung. In unserer Ausstellung «Flower Power» geht es genau darum, die heilende Kraft der Pflanzen und der Kunst zusammenzubringen und so eine positive Wirkung auf die Patienten zu erzielen.

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Installation von Ursula Palla, «Botanical Notes - Hortus Medicus» (Bild: KSGR)

Können Besucher die Ausstellung auch sehen?

Ja, die Ausstellung ist für alle offen, nicht nur für Patienten und Mitarbeitende. Wir möchten, dass auch externe Besucher die Möglichkeit haben, die Verbindung von Kunst und Medizin zu erleben. Und einige Werke sind auch verkäuflich, allerdings nicht im Spital, sondern bei den Künstlern direkt. Wer die Ausstellung noch sehen möchte, kann diese noch bis 16. März 2025 besuchen.


Friederike Schmid ist seit 2018 für die Kunstprojekte am Kantonsspital Graubünden verantwortlich und leitet seit 2019 die Kunstkommission des Spitals. Sie bringt einen wirtschaftlichen Hintergrund und umfangreiche Erfahrung im Bereich Kunst und Architektur in ihre Arbeit ein. Seit 2022 ist sie zudem Kuratorin und Stiftungsrätin der Fondation WhiteSpaceBlackBox in Neuchâtel, wo sie Ausstellungen und Artist-in-Residence-Programme organisiert. Zuvor war sie unter anderem für Kunst und Bau-Projekte beim Hochbauamt des Kantons Zürich sowie in Städten wie Lenzburg und Zürich tätig.