Eine Versicherung als Drehscheibe für junge Künstlerinnen und Künstler: Ende Mai zog die Helvetia Versicherung samt Kunstsammlung vom Steinengraben an den neu gebauten Sitz in der St. Alban Anlage um. Dort hat finews.art die Kuratorin Nathalie Loch getroffen und mit ihr in der aktuellen Ausstellung im Helvetia Art Foyer über die neuen Entwicklungen und die Bedeutung der Förderung junger Talente gesprochen.

Die Besucherinnen und Besucher werden direkt am Eingang des neuen, von Herzog & de Meuron entworfenen, Gebäudes von einer auffallenden Lichtinstallation des amerikanischen Künstlers James Turrell empfangen. Der Weg führt dann rechts in den Ausstellungsraum. Loch erklärt: «Es ist ein typischer Galerieraum, ein White Cube, das hatten wir vorher nicht. Das Schaufenster zur Stadt ermöglicht uns, auf die Kunst aufmerksam zu machen und der Gesellschaft wirklich etwas zu bieten.»

Treibende Kraft hinter der Sammlung

Seit 23 Jahren ist Loch das Herz der Helvetia Kunstsammlung. «Unsere Sammlung soll nicht nur ein interner Schatz bleiben, sondern für alle zugänglich sein», erklärt die Kuratorin. Sie hat die Sammlung kontinuierlich weiterentwickelt und einen bedeutenden Beitrag zur Förderung zeitgenössischer Schweizer Kunst geleistet. Ihre Leidenschaft und ihr Engagement sind spürbar in jedem Detail der aktuellen Ausstellung, die sie zusammen mit der externen Kuratorin Marlene Bürgi konzipiert hat.

Ausstellungsansicht «Momentum», Helvetia Art Foyer (Bild: Viktor Kolibàl)

Mehr Öffentlichkeit

Der Ausstellungsraum ist donnerstags von 16.00 bis 20.00 Uhr für die Öffentlichkeit geöffnet, der Eintritt ist frei. Eine Betreuungsperson ist vor Ort, um den Besuchern die Kunstwerke näherzubringen. Loch hofft, dass sich mit der Zeit monatliche öffentliche Führungen etablieren lassen: «Eine Ausstellung wie diese braucht auch ein gutes Mass an Vermittlung.» Früher waren die Führungen der Sammlung eher halb privat für Kulturclubs und Kunden. Heute können Interessierte jeden Donnerstag das Art Foyer besuchen und die Werke entdecken.

«Die Wirtschaft muss die Kunst unterstützen»

Die Helvetia Kunstsammlung, eine der ältesten Firmenkunstsammlungen der Schweiz, wurde 1943 gegründet. Der damalige Direktor Hans Theler legte den Grundstein mit dem Fokus auf Schweizer zeitgenössische Kunst. «Theler war der Überzeugung, dass die Wirtschaft die Kunst unterstützen muss – ein Gedanke, den wir auch heute noch weiterführen», betont Loch.

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Das Telefon als die Verbindung zur Heimat. Werk von Bisso Yann Stéphane (Kamerun), «Nature morte à l'escargophone», 2023 (Bild: finews.art)

Erster Schritt einer Kunstkarriere

Ein wichtiger Aspekt der Sammlung ist die Förderung junger Künstlerinnen und Künstler. Seit 20 Jahren wird der Helvetia Kunstpreis verliehen, der Karrieren von zahlreichen Kunstschaffenden angestossen hat. «Wir feiern jetzt das 20-jährige Jubiläum und es freut mich unglaublich, dass ich mithelfen konnte, diesen Preis zu etablieren», sagt Loch. Der Preis beinhaltet eine Preissumme von 15'000 Franken und eine Einzelpräsentation an der Basler Kunstmesse «Liste» im folgenden Jahr.

Plattform für junge Kunst

Der Kunstpreis unterstützt den wichtigen Schritt von der Studentin oder dem Studenten zum Berufskünstler. «Es gab keinen Preis für junge, total unbekannte Künstler am Beginn ihrer Karriere», erläutert Loch. Ausstellungsmöglichkeiten und Vernetzung sind entscheidend für den Erfolg der jungen Talente – beides bietet der Kunstpreis.

Ausstellungsansicht Helvetia

Ausstellungsansicht Helvetia Art Foyer, im Hintergrund das Triptychon von Andriu Deplazes, 2016 (Bild: Viktor Kolibàl) 

Sprung nach oben

Ein gutes Beispiel ist der Künstler Andriu Deplazes, dessen Triptychon in der aktuellen Ausstellung im Art Foyer ausgestellt ist. «Er hat in kurzer Zeit international viele Einzelausstellungen bestritten und wird jetzt von der Galerie Kilchmann vertreten» erzählt die Kuratorin. Die Sammlung legt dabei auch Wert auf den Ankauf von Werkgruppen, um die Künstlerinnen und Künstler über die Dauer ihres Schaffens zu begleiten und ein Repertoire der Kunst aufzubauen.

Besondere Freude hat Loch am Besitz der Miriam-Cahn-Werkgruppe, die von den 1980er Jahren bis heute reicht.

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Aus einer Wunde wächst etwas Schönes. Werk von Jonas Van Holanda, «Exambiguation», 2023 (Bild: finews.art)

Herausforderungen in neuen Räumen

Mit dem Umzug kommen auch Herausforderungen. Die Präsentationsfläche ist begrenzt, was Loch als grösste, aber nicht unlösbare, Herausforderung sieht: «Wir haben jetzt über 2.500 Kunstwerke, mehrheitlich zweidimensional, die Wände benötigen.» Viele Firmensammlungen weltweit stehen vor ähnlichen Problemen. «Wie integrieren wir Kunst in modernen Arbeitsumgebungen?»

Der Aussenblick

Die Helvetia Kunstsammlung verfügt über ein Jahresbudget für den Erwerb neuer Werke. Loch, die auch für die Kunstkommission zuständig ist, hat kürzlich eine neue Kommission zusammengestellt, um den aktuellen Diskurs in der Kunstwelt zu reflektieren. «Es ist wichtig, dass auch externe Experten ihre Sicht einbringen, damit unsere Sammlung vielfältig und relevant bleibt.»

Aktuelle Ausstellung: Momentum

Seit Ende Mai ist die erste Ausstellung am neuen Standort zu sehen: «Momentum: Helvetia Kunstpreis 2004-2024». Sie zeigt Werke von Trägerinnen und Trägern des Helvetia Kunstpreises aus den Jahren 2004 bis 2024. Zu sehen sind Schöpfungen von Kunstschaffenden wie Kathrin Affentranger, Josse Bailly, Bisso Yann Stéphane, Andriu Deplazes, Florian Germann, Luc Mattenberger, Anita Muçolli, Gina Proenza, STELLA und vielen weiteren.

Diese Ausstellung vereint bereits in der Sammlung befindliche Werke mit neueren Arbeiten und bietet einen umfassenden Überblick über zwei Jahrzehnte Förderung junger Schweizer Kunst.


Die Helvetia Kunstsammlung wurde 1943 von Hans Theler, dem Direktor der National Versicherung, gegründet. Sein Ziel war es, Mitarbeitenden täglich Original-Kunstwerke zu präsentieren und die Wirtschaft zur Unterstützung der Kultur zu verpflichten. Der Fokus lag auf zeitgenössischer Schweizer Kunst. Bis in die 1970er Jahre traf Hans Theler die Ankaufsentscheidungen, danach übernahm sein Sohn René Theler. Seit 20 Jahren verantwortet ein Gremium diese Aufgabe, wobei persönliche Interessen weiterhin eine Rolle spielen. 2014 fusionierten die Sammlungen von Nationale Suisse und Helvetia zur heutigen Helvetia Kunstsammlung.