Die Kunst hat bei der Westschweizer Privatbank Mirabaud einen besonderen Stellenwert. Sie soll Anregung zum Denken liefern und gleichzeitig bewusst machen, dass zwischen den einzigartigen Werten im Geldgeschäft und dem Schaffen von Künstlerinnen und Künstlern viele Gemeinsamkeiten bestehen, wie Lionel Aeschlimann im Gespräch mit finews.art erklärt.

Den klassischen Privatbankier gibt er eindeutig nicht. Dafür ist Lionel Aeschlimann zu nahbar, liebenswürdig und aufmerksam. Auch als Anwalt wirkt er eher untypisch, obschon das Studium der Rechtswissenschaften am Anfang seiner Karriere stand und er viele Jahre in diesem Beruf gearbeitet hat. Rückblickend muss man jedoch sagen, dass das Jahr 2010 der eigentliche Wendepunkt in seinem Berufsleben darstellt.

Denn damals stiess der heute 58-jährige Bieler zur Genfer Privatbank Mirabaud, wo er im Asset Management startete, ein Jahr später Managing Partner wurde und 2012 die Verantwortung für das Asset Management übernahm, also für den Bereich, in dem Finanzprodukte und Investmentlösungen entwickelt und vertrieben werden. Seine wahre Bestimmung fand Aeschlimann innerhalb des Hauses allerdings erst, als er mit der Leitung der bankeigenen Kunstsammlung betraut wurde.

Ausbruch der Leidenschaft

Das spürt man unzweifelhaft im Gespräch mit ihm. Dann, wenn diese Leidenschaft ihn ihm ausbricht, ihn zu Beschreibungen, Erinnerungen und letztlich stets zu einem feurigen Plädoyer für die Kunst hinreisst. Dann ist er in seinem Element, wandelt durch die Gänge des Genfer Hauptsitzes von Mirabaud, wo die beeindruckende Auswahl an ausgestellter Kunst das Bankgeschäft bisweilen fast vergessen lässt.

Wie Aeschlimann im Gespräch mit finews.art verrät, hat Mirabaud – im Gegensatz zu den meisten anderen Finanzinstitutionen, die über grosse Sammlungen verfügen – kein eigentliches Konzept bei der Auswahl respektive beim Erwerb neuer Werke. Es ist einzig und allein Aeschlimann, der darüber entscheidet und entsprechend mit einem gewissen Schalk in den Augen feststellt: «Das Komitee bin ich».

Viel Geld

Und das will etwas heissen, umfasst doch die Sammlung rund 450 Werke aller Art. Jedes Jahr kommen 10 bis 20 neue hinzu, die Aeschlimann auswählt, in Rücksprache mit Vertrauenspersonen, Galerien, Künstlerinnen und Künstlern sowie mit Museen. Wieviel Geld die Bank dafür ausgibt, will Aeschlimann nicht verraten.

Aber offensichtlich hat er die volle Unterstützung seiner Geschäftspartner innerhalb der Bank, die zum Teil weit weniger Bedeutung all diesen Gemälden und Skulpturen beimessen. Umso wichtiger ist es, dass Mastermind Aeschlimann dieses wichtige Engagement der Bank argumentativ untermauern kann. «Kunst ist ein Prozess», erklärt er und fügt dann: «Künstlerinnen und Künstler helfen uns, zu denken. Und sie vermitteln uns mit ihrem Schaffen einen Eindruck der Zukunft.»

Winston Churchill als Vorbild

Dass eine Institution wie Mirabaud Geld ausgibt, um letztlich höchst subjektiv sehr teure Gegenstände zu besitzen, ist grundsätzlich erklärungsbedürftig, doch in dieser Hinsicht zitiert Aeschlimann gerne den britischen Politiker und Kriegspremier Winston Churchill, der auch ein passionierter Maler und Schriftsteller war, und der sich während des Zweiten Weltkriegs weigerte, die Kulturausgaben zugunsten der Kriegskasse zu kürzen. Denn für ihn war klar, dass ohne diese Ausgaben, das kulturelle Leben und damit letztlich auch unsere Existenz verkümmern würde.

Dieses Denken nimmt sich Aeschlimann gerne zum Vorbild und will so auch, dass die Öffentlichkeit am Kunstengagement von Mirabaud erfreuen kann. Als die Bank 2019 ihr 200-jähriges Bestehen feierte, sorgte sie dafür, dass der Eintritt ins Museum für moderne und zeitgenössische Kunst (Mamco) in Genf ein Jahr lang für alle Interessierten kostenlos war.

Der Stadt Genf schenkte das traditionsreiche Geldhaus vor einigen Jahren auch das Kunstwerk «Moon» des Schweizers Not Vital, das unweit des Hauptsitzes bei der Plaine de Plainpalais in einer kleinen Parkanlage der Öffentlichkeit zugänglich ist (Bild unten). Mit dem Centre Pompidou in Paris unterhält die Bank eine mehrjährige Zusammenarbeit, und unlängst ging Mirabaud mit der Zürcher Bechtler-Stiftung eine Kooperation ein.

Mehr als nur die Schweiz

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«Moon» von Not Vital, Geschenk der Bank Mirabaud an die Stadt Genf (Bild: zvg)

Mirabaud besitzt eine eindrückliche Sammlung moderner Kunst, darunter Werke von Bruce Nauman, Christian Marclay und Marina Abramovic, aber auch von jüngeren Künstlern wie Omar Ba und Antoine Roegiers. Aeschlimann richtet sein Augenmerk nicht nur auf hiesige Künstlerinnen und Künstler, sondern in Frage kommen für ihn Werke aus der ganzen Welt. «Die Schweiz war immer international, wir waren ein Auswanderungsland, und es haben sich viele Ausländerinnen und Ausländer in die Schweiz niedergelassen. Das soll die Sammlung ganz besonders zum Ausdruck bringen», sagt er.

Die Symbiose von nah und fern, von Vertrautem und Fremdem ist für Aeschlimann zentral: «Die zeitgenössische Kunst zwingt uns, unsere Augen zu öffnen und die Dinge anders zu sehen. Sie provoziert einen anderen Blick auf die Welt, in der wir leben», sagt er und verweist damit auf Werke etwa von Thomas Ruff, Ann Veronica Janssens, Emily Ding, Daniel Canogar oder Allan McCollum; letzterer steht im Besonderen für einen Anspruch, welcher auch dem Credo der Finanzwelt ähnlich ist.

Zwischen Massenprodukt und Unikat

Bis ins 15./16. Jahrhundert galt Kunst als etwas Austauschbares, erst danach fiel ihr der Anspruch der Einmaligkeit zu. Diesem Wandel im Selbstverständnis, was Kunst eigentlich soll und will, geht McCollum in seinem Schaffen nach. Er verwischt mit seinen Bildern, Vasen und anderen Kunstgegenständen die Grenzen zwischen Einzelstücken und Massenproduktion.

Ein Unterfangen, dass sich auch auf das Bankgeschäft übertragen lässt, wo das uferlose Universum an Finanzprodukten und Investmentstrategien letztlich doch auf jeden einzelnen Kunden individuell heruntergebrochen werden muss und die daraus resultierende Lösung ein Unikat darstellt.