Goldman Sachs geht höchst subtil mit den Kunstvorlieben der Kundinnen und Kunden um. Denn Gemälde und Skulpturen eignen sich nicht immer als eigenständige Anlageklasse, wie Monica Heslington von der US-Grossbank im Interview mit finews.art feststellt.
Frau Heslington, was ist Ihr Job bei Goldman Sachs?
Ich leite die Family Office Art & Collectibles Strategy Gruppe bei Goldman Sachs Private Wealth Management. Meine Aufgabe besteht darin, unseren Klienten Dienstleistungen anzubieten, die über das klassische Investmentmanagement hinausgehen.
Was muss man sich darunter vorstellen?
Wir unterstützen unsere Kundinnen und Kunden bei ihren Kunstsammlungen und bieten ihnen eine objektive und unabhängige Beratung in allen Bereichen, vom Erwerb, Verkauf und Sammlungsmanagement bis hin zur Strukturierung, Philanthropie, Nachlassplanung und Finanzierung.
Macht Goldman Sachs in der Kunst- und Sammlungsberatung etwas anders als andere Banken?
Wir betrachten Kunst und Sammlungsgegenstände nicht als finanzielle Anlage im klassischen Sinne. Für viele unserer Klienten ist Sammeln in erster Linie ein individueller Ausdruck ihrer persönlichen Interessen, Leidenschaften und Wertschätzungen für Geschichte und Kultur.
«Wir versuchen herauszufinden, warum unsere Klienten mit dem Kunstsammeln beginnen möchten»
Daher bieten wir einen ganzheitlichen Service an, der neben Kunst alle Arten von Sammlerstücken abdeckt, von antiken Möbeln und seltenen Büchern bis hin zu Schmuck, Musikinstrumenten und Wein.
Können Sie diesen Ansatz noch etwas genauer erklären?
Wir konzentrieren uns nicht nur auf Fragen rund um die Wertsteigerung und den Wiederverkaufswert, sondern versuchen herauszufinden, warum unsere Klienten mit dem Sammeln beginnen möchten und wie es zu ihrer Identität und ihrem Lebensstil passt.
Wollen sie ihr eigenes Museum gründen, sich mit Kunst umgeben, die sie inspiriert, junge Künstler und das Kunstökosystem unterstützen, Kultur fördern, Geschichte bewahren? Basierend auf ihren Zielen und Profilen helfen wir ihnen, eine Strategie zu formulieren.
Was sind die grössten Herausforderungen bei der Beratung von Kunstsammlern?
Angesichts der emotionalen Bindung unserer Kunden an ihre Sammlungen ist es wichtig, dass wir unsere Beratung an ihre jeweilige Situation anpassen. Finanzielle Effizienz hat nicht immer oberste Priorität und muss mit anderen persönlichen Überlegungen in Einklang gebracht werden.
«Ein auffälliger Trend ist die wachsende Zahl an älteren Sammlerinnen und Sammlern»
Der Kunstmarkt ist sehr kompliziert und undurchsichtig und erfordert ein hohes Mass an Fachwissen. Es braucht viel Zeit, das richtige Netzwerk von Kunstberatern und anderen Kunstfachleuten aufzubauen und zu pflegen, die unseren Klienten die entsprechende Beratung bieten können.
Wie hat sich die Kunst- und Sammlungsberatung in den vergangenen Jahren verändert?
Banken verfolgen heute in der privaten Vermögensverwaltung einen ganzheitlicheren Ansatz. Daher erwarten viele Kunden Leistungen auch im Kunstbereich. Wir haben eine «Strategic Art Practice» etabliert, also ein spezialisiertes Team, das bei allen Aspekten des Sammelns berät. Generell beobachten wir eine zunehmende Professionalisierung und Spezialisierung in der Kunst- und Sammlungsberatung.
Gibt es nachhaltige Trends, die Sie in den vergangenen Jahren beobachtet haben?
Ein auffälliger Trend ist die wachsende Zahl an älteren Sammlern, die strategisch über die Zukunft ihrer Sammlung nachdenken, insbesondere wenn ihre Nachkommen kein Interesse daran haben. Sammlungen werden beispielsweise immer häufiger verkauft, um wohltätige Zwecke zu finanzieren.
«Bei Goldman Sachs betrachten wir Kunst nicht als klassische Anlagekategorie»
Bei jüngeren Sammlern sehe ich ein zunehmendes Interesse an ultrazeitgenössischer Kunst, was sich positiv auf bestimmte Künstler in diesem Marktsegment auswirkt.
Soll man Kunst als eigenständige Investmentklasse betrachten?
Unsere Investment Strategy Group sieht Kunst und Sammlerstücke nicht als Anlagekategorie. Sie generieren keine Erträge, sind weniger liquide und der Kunstmarkt ist weniger transparent und reguliert als Finanzmärkte. Kunst ist vielmehr eine Investition in sich selbst, in die Gesellschaft und in die Menschheit.
Durch das Sammeln und Leben mit Kunst können nicht-finanzielle Dividenden erzielt werden. Man sollte Kunst daher als etwas betrachten, das man geniesst, nicht als Spekulationsgegenstand.
Unterscheiden sich amerikanische und europäische Sammlerinnen und Sammler?
Ja. Amerikanische Sammler neigen dazu, häufiger Kunstberater zu nutzen, während europäische Sammler eher ihrem eigenen Geschmack folgen. Zudem haben europäische Sammler oft eine stärkere kunsthistorische Bildung, was ihnen mehr Selbstvertrauen bei ihren Entscheidungen verleiht.
Sammeln Sie persönlich Kunst?
Ursprünglich habe ich mit Werken des abstrakten Expressionismus begonnen, jetzt interessiere ich mich zudem für gegenständliche Kunst aus dem Nahen Osten. Ich finde es faszinierend, wie sich mein Geschmack im Laufe der Zeit entwickelt hat.
Monica Heslington leitet die Family Office Kunst- und Sammlungsabteilung im Goldman Sachs Private Wealth Management. Ihre Karriere begann sie bei Sotheby's in den Abteilungen für Skulpturen des 19. und 20. Jahrhunderts sowie Arcade-Gemälde, gefolgt von ihrer Tätigkeit als Associate Director of Acquisitions & Auction Liaison bei der Spanierman Gallery. Heslington ist Mitglied von PAIAM (Professional Advisors to the International Art Market). Sie besitzt einen Bachelor-Abschluss in Kunstgeschichte von der American University of Paris, einen Abschluss in Rechtswissenschaften und einen LLM in Steuerwesen.