Das Wiener Auktionshaus Kinsky war gestern Mittwochabend Schauplatz einer der bemerkenswertesten Kunstauktionen der jüngsten Geschichte. Das lange verschollene Gemälde «Fräulein Lieser» von Gustav Klimt, das erst kürzlich wiederentdeckt wurde, erzielte den Preis von 30 Millionen Euro. Dies ist weit unter den anfänglich erhofften 100 Millionen Euro.
Vor der Auktion hatte finews.art das Privileg, das Gemälde von Gustav Klimt während der exklusiven Vorbesichtigung im Hotel Mandarin Oriental Savoy Zürich zu begutachten. Diese seltene Gelegenheit zog zahlreiche Kunstliebhaber und Fachleute an und bot einen tiefen Einblick in Klimts Werk, bevor es auf Reisen ging und gestern in Wien versteigert wurde. Geschätzt wurde das Werk zwischen 30 Millionen bis 50 Millionen. Ursprünglich war gar von 100 Millionen Euro die Rede.
Gustav Klimt, Bildnis «Fräulein Lieser», 1917 (Bild: Im Kinsky)
LGT war Kooperationspartner
Trotz des weltweiten Interesses und einer vorangegangenen Werbetour, begleitet vom Kooperationspartner LGT durch Städte wie London, Genf, Zürich und Hongkong, blieben die Erwartungen unerfüllt. finews.art sammelte Stimmen und verfolgte Diskussionen rund um das Kunstwerk, wobei gleich mehrere Faktoren das Ergebnis beeinflussten.
1. Problematische Herkunft
Das Bild, aus jüdischem Besitz stammend, war als verschollen geglaubt. Es stammt aus dem Besitz von Henriette Amalie «Lilly» Lieser, einer Wiener Mäzenin, die 1943 in Auschwitz ermordet wurde. Im Einklang mit den Washingtoner Prinzipien wurde bereits vor der Auktion eine Einigung mit den Rechtsnachfolgern erzielt, sollte es sich um ein verfolgungsbedingt entzogenes Kunstwerk (Raubkunst) handeln. Diese schwierige Herkunft war sicherlich der vorherrschende Grund für das zurückhaltende Bieten.
2. Fehlende Signatur
Das Fehlen einer Signatur sorgte schon im Vorfeld für hitzige Debatten. In einer Zeit, in der der Kunstmarkt mit Fälschungen überschwemmt wird, sind Sammler besonders vorsichtig geworden.
3. Überhöhter Preis
Die anfängliche Preisfestsetzung war möglicherweise zu ambitioniert. Experten spekulieren, dass ein niedrigerer Einstiegspreis möglicherweise zu einem besseren Ergebnis geführt hätte, besonders da der Markt für Klimt nicht mehr so stark ist wie vor einem Jahrzehnt.
Interessant ist auch, dass die Studie zum Bildnis Fräulein Lieser, 1917, die aus dem Nachlass von Klimt stammt, keinen Käufer fand.
«Wenn man die Versteigerung ehrlich bewertet, ist es ein sehr zufrieden stellendes Ergebnis für unser Auktionshaus.»
Auktionshaus zeigt sich trotz allem zufrieden
Michael Kovacek, Geschäftsführer von Im Kinsky, betonte jedoch die positiven Aspekte: «Wenn man die Versteigerung ehrlich bewertet, ist es ein sehr zufrieden stellendes Ergebnis für unser Auktionshaus. Die Schwierigkeiten im Vorfeld, insbesondere die Fragen der Herkunft, müssen berücksichtigt werden. Trotz allem haben wir den fünfthöchsten Preis für einen Klimt erzielt. Auktionen sind einfach unvorhersehbar.»
Fräulein Lieser ging nach Asien
Am Ende ging Klimts Werk Bildnis «Fräulein Lieser» an einen asiatischen Privatsammler, ersteigert im Saal von einem Agenten der Agentur Patti Wong & Associates. Laut Kovacek sind die Erben mit dem Verkaufsergebnis zufrieden.