Wer jetzt zweifelt, ob sich Aktienengagements noch lohnen, der findet Orientierung in einem Essay von Edward Chancellor: Der Finanzhistoriker und Investment-Stratege bei Jeremy Granthams GMO sieht acht Merkmale für eine Blasenbildung. Welche sind bereits eingetreten?
Die Aktienstrategen sind sich derzeit nicht einig, ob die Börsenrally noch weitergeht oder ob die Märkte kurz vor dem Platzen einer gewaltigen Blase stehen. Auch Edward Chancellor (Bild) kann diese Frage im «Quarterly Letter - First Quarter 2014» des US-Asset Managers GMO nicht beantworten. Er beobachtet aber im Markt acht typische Charakteristiken, die in der Vergangenheit jeweils auftauchten, bevor eine Spekulationsblase platzte:
- Die «Dieses Mal ist alles anders»-Mentalität: In den 1990er Jahren hatte man zum Beispiel vor dem Crash der «New Economy» (!) geglaubt, dass in den Märkten ein Paradigmawechsel stattgefunden habe. Heute spreche man davon, dass die Unternehmen ein permanent hohes Gewinnplateau erreicht hätten.
- Die moralische Versuchung: Die Marktteilnehmer haben sich daran gewöhnt, dass die Zentralbanken mit einer weiteren Geldschwemme die Probleme aus der Welt schafft, sobald eine Wolke über den Finanzmärkten auftaucht.
- Billiges Geld: Spekulationsblasen waren in der Vergangenheit immer von einer längeren Perioden mit tiefen Zinsen begleitet. Auch seit dem Ausbruch der Finanzkrise versuchen die Zentralbanken, die Wirtschaft mit tiefen Zinsen zu kurieren.
- Aufgeblasene Wachstumsstorys: Sie sind gemäss Chancellor ein weiteres typisches Charakteristikum für eine Blase. Zu beobachten einst bei der Dotcom-Blase – und jetzt bei den Sozial-Media-, Biotech- und Internet Aktien.
- Fehlen eines Bewertungs-Ankers: Seit der Tulpenspekulation im 17. Jahrhundert zeichnete sich jede Spekulationsblase durch das Fehlen von Bewertungsmassstäben aus. Wachstum wird über Profitabilität gestellt. Dieses Phänomen beobachtet Chancellor derzeit bei Phänomenen wie Bitcoin, Facebook und Twitter.
- Prestigkäufe: In einer Blasenbildungsphase steigen auch die Preise für Luxusgüter, Kunst oder Oldtimer. Denn das leicht verdiente Geld an den Börsen wird für Prestigeobjekte ausgegeben. Jüngst wurde ein Bild für 142 Millionen Dollar verkauft und damit dem höchst je bezahlten Preis für ein Gemälde.
- Sinkende Kreditstandards: Manische Märkte zeichnen sich zudem durch sinkende Kredit-Standards aus, wie die Subprime-Krise zeigte. Auch jetzt sieht Chancellor, dass die Qualität der ausgegebenen Anleihen abgenommen hat. Zwei Drittel der jüngst ausgegebenen Unternehmensanleihen in den USA erreichten nur noch Junk-Niveau.
- Irrationale Übertreibungen: Die Bewertung ist laut Chancellor die sicherste Messlatte für eine Spekulation. Die meisten Bewertungskriterien seien über das vergangene Jahr arg strapaziert worden. So komme es im IPO-Markt vor, dass die Kurse in den ersten Tagen bereits um 20 Prozent zulegten, obwohl viele dieser Firmen nicht einmal einen Umsatz erwirtschaftet hätten, schreibt der Finanzhistoriker.
Hier lesen Sie den gesamten «Quarterly Letter - First Quarter 2014» von GMO