Liebe Analysten und Anleger: Mit einer verblüffend einfachen Methode lässt sich erahnen, ob ein Konzern demnächst schlechte Informationen veröffentlichen wird.
Wie genau? Indem man beim nächsten Investoren-Gespräch oder Conference Call genau aufpasst. Die Frage ist dann nämlich: Welche Analysten bekommen das Wort? Welche dürfen Fragen stellen? Wer wird übergangen? Und wer kommt als erstes dran?
Bevorzugt der CEO oder der Finanzchef dabei auffällig stark jene Analysten, die eher unkritisch sind und das Unternehmen positiv bewerten, so sollten die Alarmglocken läuten.
Das tönt jetzt vielleicht nach Bauernregeln-Economics – aber nein: Es ist das Ergebnis einer Studie, welche drei Wissenschaftler der Harvard Business School und der London School of Economics soeben veröffentlicht haben.
Wer's durchschaut, holt ausserordentliche Renditen
Lauren Cohen, Christopher Malloy (Harvard) und Dong Lou (LSE) gingen der Frage nach, wie stark Unternehmen versuchen, die Kommunikation ihrer Daten zu optimieren. Und sie fanden dabei heraus, dass Konzernchefs, die aus irgendwelchen Gründen enttäuschende Zahlen bekanntgeben müssen – respektive müssten –, dazu neigen, hier lenkend einzugreifen. Sie «choreographieren» Konferenzschaltungen und Analystengespräche.
Besonders bemerkenswert wird die Sache, weil sie laut den ausgewerteten Statistiken von Cohen, Malloy und Lou etwas über die weitere Entwicklung besagt: «Firmen, welche freundlichere Analysten eher berücksichtigen, erleben in der Zukunft mehr enttäuschende Ergebnisse und mehr Gewinnwarnungen», so die Auswertung aus ihrer Statistik. Und weiter: «Ein Long-Short-Portfolio, das diesen Unterschied ausnützt, kann ausserordentliche Renditen von bis zu 101 Basispunkten pro Monat holen.»
Die Erklärung liegt auf der Hand: Sobald ein Unternehmen in heikle Situationen kommt, neigt die Konzernleitung dazu, die Sache auszusitzen und unter dem Deckel zu halten. Dies versucht sie eben auch, indem sie Analysten- und Investoren-Gespräche entsprechend «pflegt».
Wittern, ob etwas im Busch ist
Dies bedeutet aber umgekehrt: Wenn ein Unternehmen – bewusst oder unbewusst – zu solchen Methoden greift, so steigt die Chance, dass es dann einfach im folgenden Quartal gezwungen sein wird, enttäuschende Daten zu veröffentlichen.
Dasselbe Verhalten wiesen Cohen, Lou und Malloy aber auch für Unternehmen nach, die in den Folge-Monaten frisches Eigenkapital emittierten.
Der «Analysten-Casting-Test» taugt also auf mehrerlei Weise, um zu wittern, ob etwas im Busch ist.