Derivate, Hedge Funds, CDS, Staatsschulden, Sozialkosten: Mehrere Blasen vereinigen sich zu einer Superblase – und die muss einmal platzen. Man sollte jederzeit damit rechnen, schreibt Walter Wittmann.
Walter Wittmann ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg. Unter anderem veröffentlichte er 2007 «Der nächste Crash kommt bestimmt», in dem er die nachfolgenden Ereignisse vorwegnahm. Im Frühjahr 2010 erschien sein nicht weniger prophetisches Buch «Staatsbankrott».
Seit Jahren bauen sich Blasen in zentralen Bereichen der Wirtschaft auf, vor allem in der Finanzbranche. Inzwischen liegt eine Superblase von historischem Ausmass vor.
Explosiv sind dabei die Innovationen der Finanzwelt. In den 1980er Jahren begann die «Verbriefung» zahlreicher Risiken, etwa von Hypotheken: Sie wurden in handelbare «Wertpapiere» umgewandelt. Ab den 1990er Jahren setzten die Derivate zum Höhenflug an. Einen Schub gab es Ende der 1990er mit der Liberalisierung spekulativer Anlagen in den USA. Zwar gab es zweimal einen Dämpfer, nämlich während der Baisse von 2000 bis März 2003 und beim Crash von 2008. Die Entwicklung zeigte aber rasch wieder nach oben.
Dominogefahr Hedge Funds
Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich betrug das Volumen an Derivaten im Juni dieses Jahres nicht weniger als 600'000 Milliarden Dollar. Das ist das Zehnfache des globalen Bruttosozialprodukts. Die Derivate sind zu einem extremen Systemrisiko geworden.
Zu einem Systemrisiko haben sich auch die Hedge Funds entwickelt. Ihr Aufstieg setzte in den Neunzigerjahren ein. Heute beschränken sich Hedge Funds längst nicht mehr darauf, Absicherungen für andere Transaktionen zu bieten. Hedge Funds finanzieren unter anderem Übernahmen, sie operieren mit Derivaten, sind mit Leerverkäufen aktiv und spekulieren an den Rohstoffmärkten. Das Gefährliche: Sie arbeiten mit sehr hohen Kredithebeln. Liegen einen oder mehrere Hedge Funds falsch, so können daraus resultierende Pleiten zu einem Dominoeffekt führen – also zum Beispiel zu einem Crash an den Finanzmärkten.
Die Endphase eines Schulden-Zyklus
Die Zentralbanken machen dabei alles möglich: Sie pumpen in hoher Kadenz Liquidität in die Wirtschaft. Dabei ragt die amerikanische Zentralbank heraus. Mit dem Einsetzen der Schuldenkrise 2010 folgten die europäischen Zentralbanken, dominant die Bank of England und die Europäische Zentralbank. Es ist abzusehen, dass der expansive Kurs fortgesetzt wird. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Wirtschaft angefangen hat, sich abzuschwächen: 2012 droht eine Rezession.
Die Schuldenkrise steckt erst in den Anfängen. Der «Euro-Rettungsschirm» stiess im Sommer schon an seine Grenzen, inzwischen wurde er auf 1000 Milliarden Euro erhöht. Damit türmen sich weiter Schulden auf Schulden. In den USA wurde der Schuldenplafonds Anfang August erneut angehoben: Laut dem Fachmagazin «Bank Credit Analyst» befinden sich die USA im Endstadium eines «Schulden-Super-Zyklus», der in den 1980er Jahren eingesetzt hatte.
Und was ist mit den CDS?
In den Sumpf der Schuldenkrise sind auch die Banken – und die Versicherungen – geraten. Sie sind unter anderem vollgestopft mit faulen Krediten und maroden Staatsanleihen. Und: In den letzten Jahren haben sie in besorgniserregendem Ausmass Kreditausfall-Papiere auf den Markt gebracht: die CDS. Setzt sich der Trend von «freiwilligen» zu erzwungenen Schuldenerlassen fort, so kann die CDS-Blase platzen. Dem Staat bleibt dann nichts anderes übrig, als systemrelevante Grossbanken zu retten.
Denn die sind weiterhin zu gross, um fallengelassen zu werden. Die Folge wäre eine weitere Eskalation der öffentlichen Schulden.
Doch damit nicht genug: Die Staatsschulden sind nur die Spitze des Eisberges. Die Sozialversicherungen weisen nicht erst heute Finanzierungslücken auf, die jene der öffentlichen Hand weit übetreffen. Die entsprechenden Rechnungen kommen zwar nur allmählich auf den Staat zu, potenzieren sich aber bereits in den nächsten Jahren. Auf Dauer stossen sie in nicht mehr finanzierbare Dimensionen vor. Es ist schon lange bekannt: Der Wohlfahrtsstaat ist ein Fass ohne Boden. Er wird dereinst kollabieren.
Der Krug geht zum Brunnen…
Das unerfreuliche Fazit: In allen volkswirtschaftlich relevanten Bereichen, im privaten wie im öffentlichen Sektor, werden seit Jahren Blasen aufgepumpt. Die Probleme werden nicht fundamental gelöst, sondern in die Zukunft verschoben. Aber der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht, und es kann nicht ausbleiben, dass die Superblase in einer nicht allzu fernen Zukunft platzen wird. Man ist gut beraten, jederzeit damit zu rechnen.
Platzt die Superblase, so können verheerende Auswirkungen nicht ausbleiben. Im Extremfall kollabiert das globale Finanzsystem, es wäre ein finanzieller Tsunami, der durch nichts und niemanden aufzuhalten wäre.
Man braucht kein Schwarzseher zu sein, um mit einer globalen Depression zu rechnen – und nicht nur mit einer schweren mehrjährigen Rezession.
An der Lage schuld sind letztlich jene Politiker, die es versäumt haben, die Finanzindustrie marktwirtschaftlich zu regulieren und zugleich für gesunde Staatsfinanzen zu sorgen.