Alfred P. Herbert alias «Cash-Guru» weist 53 Jahre Börsenerfahrung auf. Mit finews.ch unterhielt er sich über Trends und Perspektiven von heute.
Herr Herbert, wer ist für sie der Banker des Jahres – und warum?
Konrad Hummler, Senior Partner der Bank Wegelin. Er provoziert mit Themen, die niemand richtig angehen will. Er hat den klaren Durchblick und auch die notwendige Weitsicht. Schade, dass es nicht mehrere solcher Bankiers gibt, sie täten der Schweiz gut.
«Enttäuschung des Jahres? Die Uneinsichtigkeit der Banker»
Was ist für Sie die Enttäuschung des Jahres in der Finanzbranche?
Die Uneinsichtigkeit der Banker. Sie haben wenig Lehren gezogen, weil sie von den Notenbanken aus dem Dreck gezogen wurden. Ich sehe zwar, dass man sich von viel Flugsand verabschiedet hat, aber auch die Überlebenden sind immer noch aufs Verdienen aus und realisieren nicht, dass Dienen vor Verdienen kommt und kommen muss.
Sie blicken berufsmässig voraus, aber jetzt ein Blick zurück: Wie hat der Cash-Guru Anfang Jahr die Bankaktien eingeschätzt — und wie die Versicherer?
Ich habe seit zwei Jahren die Banken als stark überbewertet bezeichnet und habe deshalb sogar Short-Positionen aufgebaut. Bei den Versicherungen habe ich einfach die Finger davon gelassen. Und gewartet, bis sie sich wieder auf das Kerngeschäft, die Versicherung, konzentrieren. Darum sind sie auch schneller aus dem «Dreck» herausgekommen. Aber sie operieren alle ingesättigten Märkten mit wenig echten Wachstumschancen.
«Die Versicherungen sind schneller aus dem Dreck herausgekommen»
Wie sind Finanztitel jetzt im Portefeuille des Cash-Gurus vertreten?
Die Finanztitel haben weiterhin einen höchst geringen Stellenwert in meinem Portefeuille. Das wird wohl noch einige Zeit so bleiben. Wir haben eine gut ausgebaute Autobahn verlassen und befinden uns auf einer Schotterstrasse. Darum bleibt Zurückhaltung an Platz.
Was sagen Sie zur Reaktion der Tessiner auf die italienische Razzia-Übung? Was empfehlen Sie?
Einmal mehr agieren die Schweizer Banken – diesmal die Tessiner Zunft – recht kopflos. Sie realisieren nicht, dass sie nicht nur Steuergelder verstecken, sondern den Klienten echte Banker-Dienste offerieren können. Viele ausländische Kunden wollen nicht mehr das Geld vor dem Fiskus verstecken, sie wollen einen «Safe Haven». Und da wird die Schweiz, wenn sie die Kurve kratzt, eine weltführende Rolle spielen können. Es braucht nur weitsichtige Leute dazu, von den Politikern über die Bankiervereinigung und die einzelnen Banken.
«Die Anleger wollen es simple und stupid haben»
Ein anderer Boom ist auch zu Ende, der Boom der strukturierten Produkte. Was muss die Branche nun bieten?
Die Messe für Strukturierte Produkte in Zürich hat gezeigt, dass Derivative nicht ausgedient haben. Es hat aber auch gezeigt, dass die Anleger vermehrt «KISS» – keep it simple and stupid – beachten wollen. Der Trend hat sich vom Geldvermehren zur Substanzerhaltung verschoben. Ob das eine permanente Richtung ist, wird sich weisen. Produkte wie COSI, die eine pfandgesicherte Sicherheit bieten, werden sicherlich die Renner werden. Auch wenn die Rendite ob der Mehrkosten sinken wird.
Wie sehen die Überlebenschancen der Schweizer Privatbanken aus?
Ich bin sehr fest für die Privatbanken gestimmt. Meine Reise kürzlich in den Fernen Osten hat das klar gezeigt: Schweizer Privatbanken geniessen ein hohes Ansehen. Es liegt an ihnen, wie oben beschrieben den Weg zur noch professionelleren Betreuung der Kunden zu finden und zu leben.
«Ich weiss nicht, ob die SIX Group überlebensfähig ist»
Überlebt die SIX die nächsten fünf Jahre?
Ich weiss nicht, ob die SIX überlebensfähig ist. Es ist immer der Unterschied zwischen Vegetieren und Prosperieren. Viele Ausseneinflüsse werden sich hier bemerkbar machen.
Was Fredi Herbert heute zur Börse sagt, finden Sie hier