Ariane Dehn, Head of Sale Schweiz bei Henderson Global Investors, sagt im Interview, wie sich in der Schweiz ein erfolgreiches Asset Management aufbauen lässt und wie sich ein Produktanbieter den neuen Bedürfnissen anpassen muss.
Frau Dehn, Henderson bietet als Asset Manager Investmentprodukte für den langfristigen Anlagehorizont. Sind die Kunden tatsächlich so langfristig orientiert?
Das ist unterschiedlich. Im Private Banking lassen sich zweierlei Beobachtungen machen. Im Advisory-Geschäft, wo der Bankkunde schliesslich über Produkte und Haltedauer entscheidet, bleiben die Fonds meist länger im Portfolio. In den Discretionary-Mandates, in denen der Berater über Portfolio und Zusammensetzung entscheidet, gibt es häufiger Strategiewechsel. Davon können auch Produkte betroffen sein. Eine weitere Regel ist: Je spezieller ein Produkt ist oder wenn es eine Nische besetzt, desto eher kann es auch wieder ausgewechselt werden.
Wie ist das Verhalten von Pensionskassen?
Seit Ausbruch der Finanzkrise wurde es bei Pensionskassen üblicher, in passive Instrumente zu investieren.
Warum?
Sie werden entsprechend beraten. Die Finanzkrise hatte bei vielen Pensionskassen für massive Unterdeckung gesorgt. Als Folge davon wurde in den PK auch das Kostenmanagement höher gewichtet. Also hat man stärker auf Indexprodukte gesetzt, um die Kostenrisiken zu minimieren.
«Im Vergleich zum Markt immer eine Underperformance»
Als PK-Manager konnte man sich so etwas aus der Schusslinie nehmen, wenn die Performance nicht gut war. Das Resultat von Investments in passive Instrumente: Man hat im Vergleich zum Markt immer eine Underperformance. Denn auch passiv gemanagte Produkte haben Kosten.
Hat sich das nach den guten Börsenjahren geändert?
Ja, im Pensionskassenbereich gibt es wieder deutlich mehr Mandatsgesuche. Nicht nur in der Schweiz, sondern europaweit.
Wie heben Sie sich gegenüber der Index-Konkurrenz ab?
Indem wir einen Mehrwert bieten. Das Argument gegen aktiv gemanagte Fonds ist immer, dass eine grosse Anzahl den Markt nicht schlägt. Das mag sein. Henderson hat in aber einigen Bereichen eine hervorragende Expertise und Portfoliomanager, die über Jahrzehnte hinweg diesen Mehrwert tatsächlich generieren. Manager wie John Bennett investieren auch immer beträchtliche Summen eigenen Geldes in ihre Produkte.
«Wer am Benchmark klebt, kann ihn nicht schlagen»
Aber es ist klar: Auch sie können den Markt nicht jedes Jahr schlagen. Aber der Mehrwert entsteht langfristig. Wir bleiben auch langfristig bei unseren Anlagethemen wie Tech-Aktien, Europa-Aktien oder auch Immobilien-Aktien. Mit Europa-Aktien waren wir 2009 allein auf weiter Flur, jetzt sind sie wieder en vogue.
Der Anlageerfolg wird an Benchmarks gemessen. Wie geht Henderson damit um?
Natürlich haben wir auch unsere internen Benchmarks und Messlatten. Diese orientieren sich hauptsächlich an den Mitbewerbern. Aber wir nutzen diese Benchmarks nicht als Orientierung. Das würde den Fonds- und Portfoliomanagern ein zu enges Korsett schnüren. Denn wenn sie an einem Benchmark kleben, können sie ihn auch nicht nachhaltig schlagen. Fondsmanager müssen abweichen, um nachhaltiges Alpha zu generieren.
Wir erklären Sie das Kunden, die sich jedes Jahr einem Benchmark-Vergleich stellen müssen?
Natürlich bleibt in den Jahresvergleichen immer Erklärungsbedarf. Viele institutionelle Kunden, und gerade Pensionskassen, müssen sich mit einem lokalen Bezug messen lassen, während Henderson ein internationales Produkteportfolio pflegt. Aber wir bieten nicht bloss das Produkt, sondern eine umfassende Dienstleistung. Zu dieser gehören auch Erklärungen über die Performance. Das ist gegenüber dem Kunden sehr wichtig. Das Schlimmste ist, wenn sie als Anbieter keine Erklärung dazu liefern können, warum ihr Produkt in diesem Jahr etwas schlechter als vergleichbare Produkte rentierten.
Wie erleben Sie in ihrem Hauptgeschäft mit Banken und im Wealth Management die gegenwärtige Stimmung?
Ich bemerke schon eine grosse Anspannung und Unsicherheit. Bedürfnisse und Bedingungen wie auch die Anforderungen an uns haben sich geändert. Ein Beispiel: Ging es früher um die Investmentstrategie, drehten sich die Diskussionen hauptsächlich um den Best-in-Class-Ansatz.
«In Europa ist eine starke Verschiebung im Asset Management spürbar»
Rechtliche Fragen oder um die Zulassung spielten keine Rolle. Heute ist das umgekehrt. Der Kunde muss genau wissen: Wo ist das Produkt zugelassen, was ist der rechtliche Status, wo ist es steuerrelevant, wo und wie ist das Reporting organisiert, welche Standards gelten, in welchen Sprachen sind die Broschüren vorhanden etc. Relevanz hat zunächst die gesamte Infrastruktur zu einem Produkt, dann erst das Produkt selber. Als Anbieter haben wir unsere Dienstleistung entsprechend ausgerichtet. Das ist bei den Banken sehr willkommen.
Ihr Aufwand hat sich somit erhöht?
Ja, der Aufwand hat sich in der Zusammenarbeit mit den Schweizer Banken massiv erhöht. In Österreich, wo der Bankensektor viel mehr auf den Binnenmarkt ausgerichtet ist, dagegen nicht.
Spüren sie den Geldabfluss im Schweizer Offshore-Geschäft auch bei ihren Produkten?
Nein, das ist nicht spürbar. Im Gegenteil: Henderson hatte gute Jahre. Seit vier bis fünf Jahren können wir eine starke Verschiebung in Europa von Geldern lokalen Asset Managern – das sind meistens Banken oder kleine Fondsboutiquen – zu internationalen Anbietern wie Henderson beobachten. In Italien und Spanien ist diese Bewegung besonders stark.
Warum? Trauen die Leute ihren Banken nicht mehr?
Das ist eine mögliche Erklärung. Es liegt aber auch an der Produktequalität: Gute Produkte werden heute als Paket mit der entsprechenden Infrastruktur gemäss UCITS IV angeboten. Das bedeutet Aufwand, den sich kleine Fondsboutiquen nicht mehr leisten können. Wir sehen entsprechend auch eine Konsolidierung im Asset Management.
«Fonds-Teams brauchen viel Freiraum und wenig Vorgaben»
Sie beteiligen sich daran?
Ja. Wir haben 2009 New Star Asset Management übernommen und 2011 Gartmore. Zusätzlich haben wir unsere Teams im Fondsbereich laufend verstärkt, beispielsweise im Bereich Credit. Im Rohstoff-Bereich haben wir vergangenes Jahr ein Team übernommen, welches früher bei First State tätig war, um in dieser Anlageklasse Fonds zu lancieren. Die Strategie ist, die Lücken im bestehenden Produkte-Portfolio zu füllen.
Das dürfte ihnen in dieser Konsolidierungsphase nicht zu schwer fallen.
Einfach ist es aber auch nicht. Denn Übernahmen und die Integration neuer Teams machen nur Sinn, wenn sie zur Philosophie von Henderson passen. Dazu gehört, dass die Fonds-Teams sehr viel Freiraum und wenig Vorgaben erhalten, um ihre Investmentideen zu entwickeln und umzusetzen.
Arbeiten die Fondsteams bei Henderson als eigene Profit-Center?
Ja, so ist das Prinzip. Aber natürlich sind sie nicht völlig unabhängig. Sie werden von unserem unabhängigen Risikomanagement kontrolliert. Und wir haben auch Anreizsysteme eingerichtet: So erhalten die Fondsmanager jeweils eine Performance-Fee. Sie sind verpflichtet, jeweils die Hälfte der erhaltenen Fee wieder in ihre Fonds zu investieren. Es befinden sich auch rund 10 Prozent der Henderson-Aktien im Besitz der Mitarbeiter.
Die Schweiz möchte im Asset Management ein grosser Player werden und hat eine entsprechende Initiative gestartet. Was können die Schweizer von den Briten lernen, die dort traditionellerweise stark sind?
Das Schweizer Asset Management hat ganz andere Wurzeln, es ist meistens einer Bank angegliedert. Das Asset Management arbeitet dort dem Absatzkanal zu. Es entwickelt die Produkte, die gerade nachgefragt sind. Meistens schnüren die Vorgaben dann dem Fondsmanager ein so enges Korsett, das es erschwert, ein langfristiges Alpha zu generieren.
«Erfolgreiches Asset Management kann nur von innen aufgebaut werden»
Natürlich gibt es Banken, wie beispielsweise Pictet, die eine Asset-Management-Kultur entwickelt haben. Aber in den meisten Häusern stehen die Belange der Bank vor denen im Asset Management. Das geht schlecht zusammen.
Ein gesicherter Absatzkanal als Hindernis im Asset Management?
Henderson ist auch deshalb erfolgreich, weil wir ein «Pure Player» sind und keinen garantierten Abnehmer für unsere Produkte haben. Hinter Henderson steht keine Bank und kein Versicherer. Das stärkt den Wettbewerb im Haus.
Hat die Schweizer Initiative eine Chance?
Eine Initiative kann nur flankierend wirken. In dem Sinne, dass die Bedürfnisse einer Branche formuliert und gegenüber Regierung und Regulierung vertreten werden. Erfolgreiches Asset Management und eine entsprechende Unternehmenskultur können aber nur von innen aufgebaut werden, mittels einer langfristigen Strategie, Know-how und der richtigen Personalpolitik. Partners Group ist ein Beispiel, wie so ein Geschäft aufgebaut werden kann.
Wie steht es mit den Ausbauplänen von Henderson in der Schweiz – es war die Eröffnung eines Genfer Ablegers geplant?
Diese ist noch nicht erfolgt. Aber Henderson hat das Bekenntnis abgegeben zu wachsen, sowohl was die Produktepalette als auch den globalen Vertrieb betrifft.
Ariane Dehn ist seit 2006 Head of Sales für die Deutschschweiz und Liechtenstein bei Henderson Global Investors. Zuvor baute sie für Henderson die Standorte Deutschland und Österreich auf.