Marc Faber erzählt im 2. Teil des finews.ch-Interviews, wie er Lee Kuan Yew, den Gründer Singapurs, kennenlernte, sich täglich einem Reality-Check unterzieht, beim Schreiben leidet und trotzdem ein neues Buch verfassen will.  

Herr Faber, Sie werden rund um den Globus als Börsenguru gehandelt, dabei wissen Sie im Prinzip auch nicht mehr als alle anderen «Fachleute». Haben Sie manchmal nicht das Gefühl, das ganze Gerede rund ums Investieren sei ein einziges Theater?

Natürlich. Grundsätzlich ist es egal, was man kauft. Das Entscheidende ist der Preis. Selbst der grösste Dreck, sofern er billig genug ist, hat das Potenzial sich positiv zu entwickeln. Und es braucht, wie gesagt, auch eine Portion Glück.

Ich war 1994 mit meinem Bruder in Marokko unterwegs, wo ich auch die Börse besuchte. Ich fand manche Titel extrem unterbewertet und habe ein paar Aktien gekauft, deren Wert sich dann verzehnfacht hat.

Mit Verlaub, Herr Faber, das sind so die Geschichten, die man oft hört. Aber gibt es auf dieser Welt noch unentdeckte Handelsplätze?

Wenn Sie heute ein Haus in Damaskus kaufen, werden sie langfristig sicherlich viel Geld verdienen. Es fragt sich bloss, ob Sie dieses Risiko nun eingehen wollen.


«Der Finanzmarkt ist viel zu gross geworden»


Viele Leute fragen mich ständig, wo die nächste Blase entsteht, und ich antworte stets: Wir sind die Blase. Der Finanzmarkt ist viel zu gross geworden im Vergleich zur Realwirtschaft. Über kurz oder lang wird alles zusammenbrechen.

Da kommt «Dr. Doom» wieder zum Vorschein. Doch Tatsache ist, dass die Aktienkurse derzeit permanent weiter nach oben tendieren.

Natürlich, weil auch ständig immer mehr Geld gedruckt wird. Real ist das keine Wertvermehrung. Der S&P-Index hat in diesem Jahr neue Höchststände erreicht, doch im Euro ist er nach wie vor tiefer als im vergangenen Mai. Auch zahlreiche Schwellenländer-Börsen sind in den vergangenen Jahren gestiegen – in Lokalwährung, während sie in Dollar umgerechnet kaum zugelegt haben.

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Marc Faber in seinem Büro in Chiang Mai

Haben Sie Vorbilder?

Ein Blick in die Weltgeschichte zeigt uns vor allem Philosophen, Historiker und Dichter als herausragende Gestalten. Goethe war sicherlich ein Genie, auch Einstein.

Unter den Menschen, die noch leben, und die ich persönlich getroffen habe, zählt sicherlich Lee Kuan Yew, der Gründer von Singapur, zu den bemerkenswertesten Persönlichkeiten – selbst wenn ich nicht in allem seine Meinung teile. Immerhin hat er aber eine Stadt aufgebaut, wo vorher nicht viel war, und er hat sein Land zu einem der reichsten überhaupt gemacht. Das ist eine Leistung.

Wo und wie haben Sie Lee Kuan Yew getroffen?

Ich hatte vor langer, langer Zeit mal eine Freundin in Singapur, deren Vater zusammen mit Lee Kuan Yew diesen Staat gegründet hatte und damals Justizminister war und im Übrigen wie ein Loch getrunken hat – was mir natürlich passte. An seinem Geburtstag war ich eingeladen, und Lee Kuan Yew war selbstverständlich dabei.

Wenn Sie nochmals 20 wären und 1'000 Dollar in der Tasche hätten, was würden Sie tun?

Man fragt mich häufig, ob ich als junger Menschen wieder in die Finanzbranche einsteigen würde, gerade vor dem Hintergrund, dass es nicht mehr so rosig läuft wie früher. Doch Anfang der siebziger Jahre war es nicht viel einfacher – eher verschissen.


«Schon mein Chef sagte, wir seien überbezahlt»


Die Zinsen explodierten, und die Aktienmärkte blieben, mit wenigen Ausnahmen, fast zehn Jahre lang flach. Viele Fonds verzeichneten damals beträchtliche Abflüsse. Und mein Chef sagte schon damals: Wir sind weit überbezahlt.

Nochmals, würden Sie wieder in die Finanzbranche einsteigen?

Ich glaube schon. Es gibt immer noch eine Menge Leute mit sehr viel Geld, die eine kompetente Beratung suchen – mehr denn je. Die Finanzmärkte sind ja viel komplexer als früher. Allerdings wäre es wohl auch spannend, als junger Mensch Ingenieur zu werden und nach China oder zumindest nach Asien auszuwandern. Solche Fachleute haben enorme Perspektiven.

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Marc Fabers Kunstsammlung

Sie sind allerdings nicht mehr 20. Was motiviert Sie noch, jeden Tag wieder aufzustehen?

Um zu wissen, ob ich noch lebe – ob alle meine Glieder noch funktionieren. Das ist sozusagen mein Realitäts-Check. Im Ernst: Ich finde, man muss etwas machen mit seinem Leben.

In Chang Mai, wo ich wohne, kenne ich viele Europäer und Amerikaner – teilweise beziehen sie Invalidenrenten, weil sie angeblich Rückenprobleme haben, obschon sie noch sehr gut arbeiten könnten –, die den lieben langen Tag überhaupt nichts tun, als nur frustriert und besoffen zu sein.

Was ist Ihr Rezept dagegen?

Freude am Leben zu haben, etwas tun zu können. Ich schreibe über die Finanzmärkte. Natürlich ist das auch nicht einfach, und am Anfang braucht es immer eine Menge Überwindung. Wenn man einen Hangover hat, ist es besonders schwierig. Ich leide jeweils extrem.


«Dann sind alle Strapazen vergessen»


Doch es ist wie bei einem Bergsteiger. Wenn man einmal den Gipfel erreicht hat, sind alle Strapazen vergessen. Man bereut es nicht. Man spürt eine einzigartige Freude und Genugtuung.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Ein weiteres Buch zu schreiben.

Was wird das Thema sein?

Ich weiss es noch nicht genau. Jedenfalls wird es um unsere Lebenseinstellung gehen, denn über das Investieren ist im Prinzip schon alles geschrieben worden. Mich interessiert die Frage der Verantwortung.


«Sie drucken Geld und noch mehr Geld»


Das müssen Sie uns noch genauer erklärten.

Wenn beispielsweise ein Geschäftsmann einen Fehler macht, muss er dafür gerade stehen und verliert zumeist auch Geld. Jene Menschen aber, die mittlerweile die grösste Macht auf dieser Welt haben, nämlich die Zentralbanker, können sich dieser Verantwortung völlig entziehen. Sie drucken Geld und noch mehr Geld und machen so das ganze Finanzsystem kaputt.

MF Buro 500

Marc Fabers Büro in Chiang Mai

Vielfach sind es Professoren, die noch nie einen einzigen Tag in der Privatwirtschaft gearbeitet haben. Solche Leute regieren die Welt, und dann, an einem schönen Tag, ziehen sie sich zurück, werden Berater von Goldman Sachs oder J.P. Morgan, und halte kluge Reden. Darüber werde ich schreiben.


Lesen Sie auch den 1. Teil des Interviews: «Was macht eigentlich Marc Faber an Weihnachten?»


Der 67-jährige Marc Faber ist der bekannteste Schweizer Börsenexperte. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und doktorierte an der Universität Zürich. Vor nunmehr 40 Jahren wanderte er nach Asien aus und zählt seither zu den besten Kennern dieses Kontinents. Faber wird oft als Untergangsprophet und «Dr. Doom» bezeichnet, was nur die halbe Wahrheit ist. Denn mit seinem profunden Investment-Know-how hat er auch zahlreiche Börsenhaussen prognostiziert und dabei gut verdient. Legendär ist seine Affinität für das Nachtleben in diversen asiatischen und europäischen Städten.