Bereits 40 Prozent der Investoren in den USA konsultieren soziale Medien, bevor sie eine Anlage tätigen. Wer das nicht tue, laufe Gefahr, nicht alle Risiken zu kennen, sagt Anders Bally von Sentifi.
Die Schweizer Firma Sentifi erfasst und verarbeitet Nachrichten und Informationen aus dem Internet nach dem Prinzip der Schwarm-Intelligenz («wisdom of the crowds») finews.ch kooperiert seit dieser Woche mit dem Unternehmen. Sentifi-Gründer Anders Bally (Bild) erläutert den Nutzen für die Leserschaft – aber auch für Anleger.
Herr Bally, warum braucht es Sentifi in der Finanzwelt?
Neue Kommunikationsmöglichkeiten im Internet führen dazu, dass jeder User ein potenzieller Autor ist. Dadurch sammelt sich im Web ein enormes Wissen an, das einerseits transparent und für die Finanzmärkte von höchstem Interesse ist.
«Anleger fragen die ‹crowd› immer öfter»
Das Faszinierende daran ist, dass es weltweit Investoren und Stakeholders gibt, die sich zu kotierten Schweizer Firmen äussern. Wir haben diese Einschätzungen bezogen auf die 20 SMI-Aktien über einen Zeitraum von sechs Monaten erfasst und kamen dabei auf 1'009'000 Meinungen. Davon waren nur 80'000 aus der Schweiz. Das zeigt, wie global exponiert der Schweizer Aktienmarkt ist.
Was schliessen Sie daraus?
Immer häufiger konsultieren die Anleger die so genannte «crowd» bevor sie investieren. Mit anderen Worten: Sie fragen über Social-Media-Kanäle nach, wer etwas über ein (Finanz-)Produkt weiss, und sie filtern die Informationen, die es über Suchmaschinen gibt.
Eine Untersuchung zeigt, dass in den USA, bereits über 40 Prozent der Anleger in den sozialen Medien nachschauen, bevor sie eine Investition tätigen. Es ist bloss noch eine Frage der Zeit, bis sich dieser Trend auch in der Schweiz auf breiter Front durchsetzt.
Müssen Unternehmen künftig anders kommunizieren?
Absolut. Die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC hat die Nutzung von sozialen Medien wie Twitter oder Facebook als offizielle Nachrichtenkanäle im vergangenen April anerkannt. Das erhöht den Druck auf die kotierten Firmen, Informationen über Social Media zu kommunizieren. Wer diesen Kanal ignoriert, dürfte einen Nachteil haben.
«Der CEO kommunizierte via Facebook»
Das Beispiel des US-Streaming-Unternehmens Netflix zeigt dies sehr gut: Der CEO hatte Anfang Jahr auf seine Facebook-Seite geschrieben, dass Netflix eine Milliarde Stunden an Downloads pro Monat erreicht habe. Daraufhin stieg der Börsenkurs innert Tagesfrist um 15 Prozent. Diese Meldung wurde nicht in klassischen Medien veröffentlicht und benachteiligte daher die anderen Anleger. Als Folge änderte die US-Börsenaufsicht SEC wie erwähnt die Regeln, so dass nun viele Anleger erwarten, dass wichtige Informationen über Social-Media-Kanäle verbreitet werden.
...was sich Sentifi zunutze macht?
Ja, indem wir diese vielen Informationen nach Themen und Begriffen filtern, neu strukturieren und das Ganze so präsentieren, dass der Nutzer selber gar keinen eigenen Zugang zu den sozialen Medien haben muss, um die Informationen auszuwerten.
Wie geht Sentifi dabei vor?
Wir berücksichtigen nur Meldungen von identifizierten Autoren. Bis heute haben wir mehr als 50'000 Finanzmarkt-Experten sowie Journalisten und Nachrichtenmedien erfasst und kategorisiert.
«Wichtige Begriffe orange unterlegt»
Dieser Vorgang ist einerseits ein höchst aufwändiger und komplexer technischer Prozess, der jedoch mit klassischen News und Beiträgen ergänzt werden muss, wie das mit finews.ch erstmals möglich ist.
Was heisst das konkret?
Ab sofort sind in den Beiträgen von finews.ch wichtige Begriffe (wie UBS, Credit Suisse, Swiss Re, Schweizer Franken, Gold, Investmentbanking, Marc Faber, Ben Bernanke, etc.) orange unterlegt – und es werden laufend mehr. Das bedeutet, dass bei diesen Namen ein so genannter «Sentifi Screen» existiert, der durch Anklicken des Wortes sichtbar wird. Dem Fenster lassen sich viele wertvolle und laufend aktualisierte Informationen entnehmen.
«Die Gefahr, manche Risiken zu übersehen»
Und was bringt das dem Anleger?
Wie das oben genannte Beispiel zeigt, werden Investoren, die Informationen aus dem Web und den sozialen Medien ignorieren, künftig in ihren Entscheidungen benachteiligt sein. Ihnen entgehen wichtige Anhaltspunkte, und sie laufen so auch Gefahr, manche Risiken zu übersehen.