US-Agent Edward Snowden berichtet über Undercover-Aktionen gegen Schweizer Banken. Muss der Fall Birkenfeld neu geschrieben werden?
Der Name des Mannes: Edward Snowden. Er ist der Whistleblower, der die Informationen über gewaltige Abhöraktionen des Geheimdienstes NSA an die Öffentlichkeit gebracht hat. Snowden, ein ehemaliger CIA-Assistent, ist derzeit in Hongkong untergetaucht.
Gegenüber der britischen Zeitung «Guardian» – also jenem Medium, das die ganze Sache zuerst ans Licht gebracht hat – erklärte der junge Mann nun seine Motivation und die Beweggründe für seinen Verrat.
Stark prägend waren dabei offenbar diverse Ereignisse in Genf. Snowden wurde 2007 von der CIA in der Schweiz stationiert, getarnt als Diplomat. Ihm unterstand die Computersicherheit vor Ort, was dazu führte, dass Snowden Einblick in eine grosse Auswahl von Geheimdokumenten erhielt.
Erst abfüllen, dann rekrutieren
Eine der Aktionen, von denen der frischgebackene CIA-Mann damals erfuhr: Der Geheimdienst versuchte, einen Schweizer Banker zu rekrutieren – um geheime Bankeninformationen zu erhalten. Dies wurde angegangen, indem die Amerikaner den Mann betrunken machten; dann wurde er ermutigt, mit dem Auto nach Hause zu fahren.
Prompt erwischte die Polizei den Bankangestellten. Der Mann wurde festgenommen. In dieser Situation trat ein Undercover-Agent der CIA auf ihn zu, bot Hilfe an, baute eine Freundschaft auf – und konnte ihn dann tatsächlich rekrutieren.
Ziel: Einblick ins Schweizer Bankgeheimnisse
Wenn dies stimmt, geraten die Versuche der Amerikaner, über eine «Lex USA» Einblick ins Schweizer Bankensystem zu erlangen, in ein anderes, kritischeres Licht. Snowden nennt den Namen und die Funktion des Bankers allerdings nicht.
Doch eine Frage drängt sich auf: Geht es um Bradley Birkenfeld? Der UBS-Whistleblower war 2007 in Genf stationiert, und im gleichen Jahr begann er, erste Informationen an die US-Behörden zu liefern. Für die Schweizer Behörden dürfte leicht zu klären sein, ob in jener Phase auch ein Alkohol-Strassendelikt registriert wurde.
«Vieles von dem, was ich in Genf gesehen habe, hat mich wirklich desillusioniert darüber, wie meine Regierung funktioniert und welche Folgen dies für die Welt hat», sagt der Computerexperte, der nach der CIA für den US-Geheimdienst NSA und danach für Booz Allen Hamilton gearbeitet hat. Er habe in Genf realisiert, dass er Teil von etwas sei, was mehr Schlechtes denn Gutes tue.
Und damals, in der Schweiz, habe er zum ersten Mal darüber nachgedacht, Regierungs-Geheimnisse zu verraten.
Edward Snowden im Interview:
Das ganze Paket: «Edward Snowden: The whistleblower behind the NSA surveillance revelations», in: «The Guardian», 9. Juni