Alles ist bedroht: Es gibt kaum noch gutes Geld, und fast keine Anlagen, die so gut wie Geld sind. Bill Gross zeigt Wege auf, wie man dennoch sein Vermögen bewahrt.
Bill Gross gründete 1971 die Anlagegesellschaft Pimco. Heute ist er Managing Director des Unternehmens, das inzwischen zum Allianz-Konzern gehört, und Verwalter des grössten Fonds im Haus, des Pimco Total Return Fund.
«Good as Money»: So gut wie Geld sei Twenty Grand Vodka, behauptete die Werbung. Als Biertrinker, der nie versucht hat, mit Budweiser zu bezahlen, dachte ich: «Mann, das muss wirklich ein tolles Zeug sein!» Selbst bei einem Totalzusammenbruch des Finanzsystems könnte man den Wodka anstelle von Bargeld, Diamanten, Gold oder Bitcoins verwenden! Und falls bei einer künftigen Revolution die mongolischen Horden über uns herfallen – wer würde dann nicht eine Ladung Twenty Grand auf der Flucht ein paar glänzenden Steinen und einer Steinschleuder vorziehen?
Aber berauscht war ich da nicht, und so richtete ich mein Augenmerk auf ein ernsteres Thema. Was ist Geld überhaupt? «Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel» ist eine recht knappe Definition. Doch allgemein denken wir beim Begriff «Geld» an Bargeld oder vielleicht auch an einen Scheck, der für einen bestimmten Betrag «verfügbaren» Bargeldes bei einer freundlichen Bank steht.
Andere liquide Formen ausser Wodka
Doch die Technologien und Finanzinnovationen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt, und die Zentralbanken haben die Liquidität und den Preis verschiedener Arten von Krediten nur zaghaft bestätigt. Und so scheint es, dass die Definition von Geld erweitert wurde, vielleicht nicht um Twenty Grand Vodka, aber wenigstens um einige andere, recht liquide Formen von Quasi-Zahlungsmitteln: Geldmarktfonds, institutionellen «Repos» (Pensionsgeschäfte) oder kurzfristige Staatsanleihen.
All diese Instrumente können fast als Tauschmittel dienen, denn sie lassen sich, so die allgemeine Annahme, über Nacht ganz nach Lust und Laune des Inhabers ohne Verlust in Geld umwandeln, und dieses kann dann auf ein Spar- oder Girokonto übertragen werden.
In den letzten Jahren hat die amerikanische Notenbank das Ziel verfolgt, noch innovativere Formen von Geld zu erschaffen, indem sie die Aktien- und Anleihenkurse zu immer höheren Kosten stützte und damit deren Inhabern über so etwas wie einen «Bernanke-Put» die Gewissheit gab, dass sie ebenso gut Aktien besitzen können wie das Geld in ihrer Brieftasche.
Vor rund einem Jahrzehnt wäre ein Haus beinahe ein Geldersatz geworden. Das Schlagwort damals lautete MEW oder «Mortgage Equity Withdrawal», also die zusätzliche Beleihung von Immobilienwerten. Wertsteigerungen von Immobilien konnten umgehend flüssig gemacht werden, da man glaubte, der Wohnimmobilienmarkt würde nie nach unten gehen.
Häuser sind Häuser, nicht Wertspeicher
Solange liquide Vermögenswerte ihren Nennwert beibehalten und möglicherweise sogar im Preis steigen, könnte man diese neuen Formen von Kredit oder Kapital als «Geld» oder gar etwas Besseres ansehen. Sie könnten daher einen «Wertspeicher» darstellen und zusätzlich als konvertierbares Tauschmittel dienen.
Bald verfolgte mich der Slogan «Good as Money» auf der Wodkaflasche auf Schritt und Tritt. Ist all dieses neumodische Geld tatsächlich «so gut wie Geld»?
Die Technologie und die Liquidität der US-Notenbank mögen dafür gesorgt haben, dass sie sich als modernes Tauschmittel eignen, doch sind sie wirklich auch ein Wertspeicher?
Nun, die zurückliegenden zehn Jahre haben deutlich gezeigt, dass Häuser einfach nur Häuser sind und keine Geldautomaten. Sie waren nicht «so gut wie Geld». Auch die modernen liquiden Vermögensschöpfungen der US-Notenbank wie Anleihen und Aktien könnten dereinst bei einem aufgeblähten Preis ein ähnliches Schicksal ereilen – sei es bei 1,50 Prozent für eine zehnjährige US-Staatsanleihe oder bei 16'000 Punkten beim Dow Jones.
Aber wir wollen nicht so weit gehen und von platzenden Blasen sprechen. Reden wir vielleicht lieber über aktuelle und künftige Haircuts, wenn wir die Eigenschaft «so gut wie Geld» infrage stellen.
Schwer vorstellbar, wie die Defizite abgebaut werden
Die Ökonomin Carmen Reinhart hat ausgehend von historischen Beobachtungen gesagt, dass Politiker und Zentralbanker im aktuellen Umfeld zögern, Abschreibungen zu gestatten: begrenzte Anspruchskürzungen auf fiskalischer Ebene, keine Einbrüche von Anlagenpreisen auf geldpolitischer Ebene. Doch ohne Ausgabenkürzungen oder Abschreibungen auf Anlagenpreise ist schwer vorstellbar, wie die Defizite und die Verschuldung (in Prozent des BIP) jemals abgebaut werden sollen.
Zugegeben: Dass es den Zentralbanken in den vergangenen Jahren gelungen ist, eine Schuldendeflation zu verhindern, war überaus wichtig, um die Volkswirtschaften in aller Welt zu stabilisieren. Und ja, es hat Abschreibungen gegeben, etwa bei Haushypotheken in den USA und Staatsanleihen in Griechenland.
Doch die Kosten dieser Strategien, die das verhindern (was ich schlicht als «Haircuts» bezeichne), waren hoch. Und ob sie das Verhältnis zwischen Gesamtverschuldung und BIP reduzieren konnten, ist zweifelhaft.
Die heutige Politik hat ihren Preis
US-Notenbank-Chef Bernanke hat eingeräumt, dass die Kosten, die durch ein Renditeniveau von beinahe Null entstehen, beispielsweise Pensionsfonds und private Sparer belasten. Einige seiner Kollegen bei der US-Notenbank haben über die negativen Aspekte der lockeren Geldpolitik und die künftigen Schwierigkeiten bei Exit-Strategien gesprochen, sofern diese jemals eintreten sollten (was nicht der Fall sein wird!).
Die aktuelle Politik hat also ihren Preis, auch wenn sie die Anlagenpreise fast wie von Zauberhand steigen lässt, so dass viele von ihnen «so gut wie Geld» erscheinen.
Doch mit diesem Text will ich auf etwas anderes hinaus: Selbst wenn ... ja, selbst wenn die quantitativen Lockerungsmassnahmen und Renditen von beinahe null den Volkswirtschaften in aller Welt wieder auf die Beine helfen und zu so etwas Ähnlichem wie dem guten alten, normalen Wachstum führen sollten, dann hat dies seinen Preis.
Noch bevor man merkt, dass man im Friseursalon ist...
Denn dabei wird es wahrhaftig zu historisch bewährten «Haircuts» kommen, bei denen das Geld der Inhaber von Anlagen heimlich «gestutzt» wird, noch ehe sie merken, dass sie einen Friseursalon betreten haben.
Bei diesen Haircuts handelt es sich um versteckte Formen von Steuern, die die Kaufkraft eines Anlegers schmälern, weil die manipulierten Zinssätze hinter der Inflation zurückbleiben. Dabei reduzieren die Regierungen und ihre Zentralbanken theoretisch die reale Verschuldung sowie die extrem hohen Verbindlichkeiten verschuldeter Unternehmen und Haushalte. Doch sie stellen einen verdeckten Vermögenstransfer dar.
Lassen Sie uns, bevor wir austrinken, diese «Haarschnitte» näher betrachten, um zu erkennen, warum es sich hierbei nicht um echte Wertspeicher handelt, auch wenn die Preisblasen niemals platzen. Jedem Haircut werde ich einen symbolischen Namen geben.
1. Negative reale Zinssätze: Die Ponyfrisur
Während des Zweiten Weltkriegs und danach begrenzten die meisten Länder mit überhöhter Schuldenlast die Zinsen nach oben, und zwar auf ein Niveau unterhalb der Inflationsrate. Sie zwangen Sparer, negative reale Zinssätze hinzunehmen, was zwar die Kosten der Staatsschulden senkte, aber verhinderte, dass die Kaufkraft der Sparer mit der Teuerungsrate Schritt hielt.
Heute tun die Zentralbanken das Gleiche, indem sie die Renditen bei fast Null halten und höhere Zinssätze durch quantitative Lockerungsmassnahmen effektiv verhindern. Die durchschnittlichen Geldkosten für das US-Finanzministerium liegen beständig unter 2 Prozent. Wird der aktuelle politische Kurs in den nächsten Jahren weiterverfolgt, dürften diese Kosten letztlich unter 1 Prozent sinken. Des Staates Freud' ist jedoch des Sparers Leid: Die Renditen der Anleger werden, gemessen an historischen Standards, um mindestens 200 Basispunkte «geschoren». Inhaber grosser Bestände an US-Staatsanleihen wie China und Japan werden ihr Geld zurückerhalten, doch bis dahin werden sie mittels negativer realer Zinssätze um ihr Geld gebracht.
Sind US-Staatsanleihen so gut wie Geld? Ja. Aber sind sie auch gutes Geld? Mit ziemlicher Sicherheit nicht, wenn man aktuelle und künftige «Haircuts» einkalkuliert. Diese scheinbar recht harmlosen Haircuts mit realen Zinsen von –1 und –2 Prozent sind, um im Friseurjargon zu bleiben, keine Bob-Frisur und auch kein Vokuhila-Look. Es ist eher ein «Stutzen des Ponys». Aber nach dem Schnitt liegen eine Menge Haare auf dem Boden.
2. Inflation und Währungsabwertung: Der klassische Scheitel
Inflation ist irgendwie wie ein Allerweltshaarschnitt, wie ein klassischer Scheitel. Es gibt ihn seit Ewigkeiten, und man nimmt keine Notiz von ihm, es sei denn, er schmückt ein attraktives Gesicht.
Etwa 2 Prozent Inflation pro Jahr – manche sagen, mehr. Aber was soll's, Inflation ist wie die Luft zum Atmen ... sie ist nötig, damit eine moderne, verschuldete Volkswirtschaft überleben kann.
Zuweilen gerät sie jedoch ausser Kontrolle, und wenn das unerwartet geschieht, kann das ein recht schwerer Schlag für Ihr Anleihen- und Aktienportfolio sein. So geschehen zum Beispiel in den 1970er-Jahren. Oder auch in den 1920er-Jahren in der Weimarer Republik oder aktuell in Simbabwe, wo es nun 100-Billionen-Dollar-Scheine gibt. Wenn die Zentralbanken klammheimlich die Inflation anheizen, werten sie auch ihre Währung ab und schmälern die Kaufkraft im Vergleich zu anderen «Hartwährungsländern».
So oder so lassen historische Inflationsschübe oder Währungsabwertungen vermuten, dass Ihr Anlagenportfolio möglicherweise nicht «so gut wie das Geld» ist, das Sie einsetzen.
3. Kapitalkontrollen: Die Uncle-Sam-Frisur
Die Figur des Uncle Sam mit ihrem recht adretten weissen Haar und dem gepflegten Bart ist ein gutes Beispiel für diese Art von Haircut, und wenn es nur darum geht, zu zeigen, dass sogar solide Demokratien die Hand nach Ihrem Geld ausstrecken können.
In den 1930er-Jahren initiierte Franklin D. Roosevelt eine recht krasse Form der Enteignung. Jeglicher Privatbesitz von Gold war verboten. Es drohten 10'000 US-Dollar Strafe und zehn Jahre Gefängnis, wenn es nicht dem Staat übergeben wurde.
Heute gibt es weniger offensichtliche, aber dennoch ähnliche Formen von Kapitalkontrollen – Währungskopplung (in China und vielen anderen Ländern), Steuern auf Kapitalzuflüsse (Brasilien) und Abgaben/Einfrieren von Bankguthaben (Zypern).
Regierungen nutzen diese Instrumente, um Geld aus dem Land fernzuhalten oder Geld im Land zu halten. Unter dem Strich führt das dazu, dass Ihr Kapital oder Ihre potenzielle Kapitalrendite «rasiert» wird. Künftig sind sogar Vermögensteuern nicht ausgeschlossen.
Sind Gold und/oder Staatsanleihen mit dem Rating AA+ so gut wie Geld? Gewöhnlich ja, aber Kapitalkontrollen können Ihr Vermögen stutzen, wenn Sie nicht vorsichtig sind.
4. Zahlungsausfall: Der «Dobbins»
Mein Lieblingshaarschnitt. Ich habe ihn «Dobbins» genannt – zu Ehren der in den 1920er-Jahren ausgegebenen fünfjährigen Anleihen mit prächtigem Goldsiegel, rückzahlbar in US-Dollar oder Maschinengewehren.
Die Anleiheninhaber erhielten weder das eine noch das andere, sodass diese Anleihe das perfekte historische Beispiel für den ultimativen Haircut ist – die Glatze, den rasierten Kopf, den «Dobbins» eben. Wie zuvor erwähnt, ist es das Ziel der Zentralbanken, zu verhindern, dass Ihr Portfolio einem solchen «Dobbins» ähnelt.
Ich habe schon einmal getwittert, dass die US-Notenbank der Ort ist, an dem alle schlechten Anleihen landen, um dort zu verenden. Das ist teils bildlich, teils wörtlich gemeint, denn Zentralbanken können normalerweise keine Anleihen kaufen, die in Maschinengewehren oder Subprime-Hypotheken rückzahlbar sind. Doch durch den Kauf von US-Staatsanleihen und Hypothekenpapieren haben sie den Privatsektor recht erfolgreich dazu gebracht, genau das zu tun, was sie wollen.
Dieses Verhalten spiegelt das Zugeständnis wider, dass moderne Industrieländer von den Anlagenpreisen getragen werden. Wenn die Preise nicht fortlaufend steigen können, drohen Zahlungsausfälle und eine Schuldendeflation.
Kaufen Sie keine Dobbins-Anleihen oder ähnliche Anlagen oder Anleihen eines Landes, dessen Zentralbanken Aktien kauft. Sie sind wahrscheinlich nicht «so gut wie Geld»!
Und jetzt? Welche Anlagestrategie?
Es scheint, als habe der Friseur Sie erwischt, oder? Akzeptieren wir, dass diese Möglichkeit besteht und all diese Frisuren unterdurchschnittliche künftige Renditen für Anleihen, Aktien und andere Finanzanlagen bedeuten können.
Die einfachste Antwort auf die Frage, was man kaufen soll, ist, dass man einfach den Ball nehmen und nach Hause gehen sollte. Wenn die Regeln unfair sind, sollte man nicht spielen. Letzten Endes resultiert daraus jedoch ein Zinssatz für Schatzwechsel von zehn Basispunkten oder eine negative Rendite in Deutschland, Frankreich und den nördlichen EU-Ländern. Ein Anleihen- und Aktienanleger kann daher wählen, ob er mitspielt und sein Kapital einem im historischen Vergleich hohen Risiko aussetzt oder ob er das Spiel beendet und nichts verdient.
Pimco rät, bei der offensichtlich von den Zentralbanken erzeugten Blase weiter mitzumachen, die Risikopositionen im Jahr 2013 und eventuell darüber hinaus aber schrittweise zu reduzieren.
Dieser Text kommt zum Schluss, dass US-Staatsanleihen «so gut wie Geld», aber kein gutes Geld sind. Allerdings sind sie besser als die Alternative (Barmittel), solange die Zentralbanken und die Länder mit Dollar-Reserven (China, Japan) weiter mitspielen.
Dasselbe Fazit gilt für Alternativen mit Kreditrisiken wie Unternehmensanleihen und Aktien. Stutzen Sie daher Ihr eigenes Portfolio im Jahresverlauf zurecht. Dadurch werden Sie zunächst auf höhere Renditen verzichten, vermeiden aber, dass der Teufelsbarbier Sie mit flinker Hand erwischt. Es wird zu Haircuts kommen. Achten Sie darauf, dass Sie nicht Ihren Kopf verlieren.
• Zusammenfassung
1. Zentralbanken und Politiker agieren wie Friseure. Sie stutzen Ihre Anlagerenditen.
2. Negative reale Zinssätze, Inflation, Währungsabwertung, Kapitalkontrollen und Zahlungsausfälle sind die Scheren dieser Friseure.
3. Reduzieren Sie die Anlagedauer, die Risikopositionen und die Zinsverpflichtungen im Jahresverlauf allmählich.