Erstaunlich: Noch nie sind hierzulande so viele neue Geldhäuser innert so kurzer Zeit entstanden wie jetzt.
Erst vor wenigen Wochen öffnete in Zürich die Bank Gutenberg ihre Tore. Sie sieht sich vor allem als Depotbank für Vermögensverwalter und als Bankdienstleister für wohlhabende Personen. Aber auch kleinere institutionelle Kunden sind bei der Gutenberg willkommen.
Auch in Genf tut sich einiges. Vor kurzem erhielt das Genfer Finanzinstitut Reyl & Cie von den Behörden eine Banklizenz. Das Unternehmen, zwar schon 1973 gegründet, war bislang aber vorwiegend als Effektenhändler tätig. Künftig will sich die junge Bank jedoch auf mehrere Geschäftsfelder ausrichten.
Neue Markt- und Kundensegmente
Erstens auf das ursprüngliche Tätigkeitsfeld, das Portfoliomanagement; zweitens auf die von Reyl Asset Management entwickelte Verwaltung von eigenständigen Anlagefonds, wobei das Fondsvolumen um 4 Milliarden Franken liegt; und drittens auf das Private Office.
Die Banklizenz soll bei der internationalen Entwicklung der Reyl-Gruppe und bei der Suche nach neuen Markt- und Kundensegmenten eine Rolle spielen. Nach Luxemburg und Paris hat Reyl im Frühling 2010 ein Büro in Singapur eröffnet und will im Laufe des Jahres 2011 in Zürich Fuss fassen.
Vertrauen erschüttert
In der Rhonestadt haben auch Pierre Pâris und Olivier Bertrand, beides ehemalige UBS-Mitarbeiter, vor einem Jahr ein Geldhaus gegründet. Die Banque Pâris Bertrand Sturdza ist auf wohlhabende Privatkunden und Family Offices in Europa, im Nahen Osten und in Indien spezialisiert.
Pierre Pâris sagt: «Die Krise hat das Vertrauen in die Banken erschüttert.» Vor diesem Hintergrund ist er überzeugt, dass substanzielle Vermögen künftig anders betreut werden müssen, als es die Grossbanken bisher getan haben. Es brauche wieder mehr Glaubwürdigkeit im Handeln, so Pierre Pâris.
Zu wenig verstanden
Im Begriff, eine Bank ins Leben zu rufen, ist auch der frühere Swissfirst-Gründer Thomas Matter. Sein Institut will sich um die finanziellen Bedürfnisse von Unternehmern kümmern, nachdem Matter selber schlechte Erfahrungen mit mehreren Banken gemacht hatte.
Die Kundenberater seien gar nicht richtig auf seine Wünsche eingegangen oder hätten einfach zu wenig von der Materie verstanden, sagt er. Matter ist kein Einzelfall.
Unabhängiges Research
Reto Ringger hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Der Gründer der Firma Sustainable Asset Management (SAM) suchte nach dem Verkauf seiner Firma ebenfalls einen Bankpartner und fand keinen geeigneten. Wie Matter entschloss auch er sich, eine eigene Bank zu gründen.
Sein Institut wird sich an Privatpersonen und an institutionelle Kunden richten, die Wert auf nachhaltige Investments legen. Dabei will Ringger nicht bloss ein paar Sustainable-Fonds lancieren, sondern sein Geschäftsmodell vollständig auf nachhaltige Kriterien ausrichten; mit transparenten Dienstleistungen und Gebühren sowie mit einem unabhängigen Research, das nachhaltige Anlagen etwa im Immobilienbereich oder bei Obligationen ausfindig macht. Geht alles gut, will Ringger nach Erhalt der Banklinzen im 1. Quartal 2011 starten.
Anpassungsfähigkeit und Krisenresistenz
Dass sich neue Institute mit innovativen Geschäftsmodellen an den Start begeben beweist die hohe Anpassungsfähigkeit und Krisenresistenz der hiesigen Branche. Unter diesen Prämissen beschränkt sich die derzeitige Gründungswelle nicht nur auf klassische Banken.
In den letzten zwölf Monaten haben sich auch diverse Vermögensverwalter formiert: Vor etwas mehr als einem Jahr gründete beispielsweise der Banker Beat Wittmann mit Partnern die Firma Dynapartners.
Ohne Erfolgsbeteiligung
Sie bietet der Klientel unabhängige Anlageberatung. Wittmanns Modell sieht zudem vor, Kunden gegen eine fixe Gebühr und ohne Erfolgsbeteiligung zu betreuen. Dies sei eines der «Zukunftsmodelle in der Finanzindustrie», sagt der ehemalige Clariden-Leu- und Julius-Bär-Banker.
Einen anderen Weg geht der frühere UBS-Kadermann Adriano Lucatelli. Vor Jahresfrist gründete er die Firma Reuss Private. Sie bietet zwei Spezialitäten: Zum einen konzentriert sie sich auf Unternehmer und Executives - ihnen offeriert sie eine massgeschneiderte Vermögensplanung.
Plattform für unabhängige Vermögensverwalter
Zum andern will Reuss Private als Plattform für unabhängige Vermögensverwalter, Finanzberater und Family Offices dienen - etwa im Umgangmit regulatorischen und technologischen Anforderungen.
Vor kurzem schloss sich Reuss Private mit zwei deutschen Partnerfirmen zur Reuss Private Group zusammen und arbeitet nun mit mehr als 2'000 unabhängigen Finanzdienstleistern als Vertriebspartner zusammen.
Schritt in die Unabhängigkeit
Bei der jüngsten Gründungswelle im Schweizer Banking fällt auf, dass dabei viele Mitarbeiter aktiv sind, die früher in grösseren Instituten gearbeitet haben. Offenbar fehlte ihnen dort aber die unternehmerische Komponente, so dass sie den Schritt in die Unabhängigkeit wagten, wie auch einige Mitarbeiter der Guyerzeller Bank.
Als Ende 2008 die Integration der Bank in die britische HSBC Private Bank beschlossen wurde, schien die Zeit für die beiden langjährigen Mitarbeiter Werner Diehl und Beat Bass wie abgelaufen zu sein.
Kein Product-Pushing
Vor diesem Hintergrund gründeten sie im April 2009 die Firma Bellecapital. Eine Finanz-Boutique, die gemäss eigener Einschätzung extrem unternehmerisch geprägt ist. Ein Unternehmen auch, das frei sein will von Sachzwängen und Interessenskonflikten.
Also kein Product-Pushing betreibt, keine versteckten Gebühren und Retros verrechnet, sondern klar ausgerichtet ist auf einen substanziellen Mehrwert für die Kunden, wie die beiden Banker versichern.
Performance ist das Produkt
Das sind vergleichsweise neue Töne in einem Gewerbe, das über die letzten paar Jahrzehnte fast ständig per Autopilot funktionierte. Doch das ist vorbei. Es herrschen neue Massstäbe im Swiss Banking.
Oder wie es Werner Diehl von Bellecapital auf den Punkt bringt: «Unser Produkt ist die Performance.» Daran werden sich auch alle anderen Neueinsteiger messen müssen.