Die Finma hat die Raiffeisen-Gruppe bei ihrem Vorhaben zurückgepfiffen, deutlich günstigere Hypotheken zu vergeben. Doch diese will eine Regulierungslücke ausnützen. Auch dies dürfte der Finma nicht gefallen.
Eigentlich war die Finma klipp und klar: Eine Lockerung bei der Vergabe von Hypotheken kommt nicht in Frage. Dies hatte Raiffeisen-CEO Patrik Gisel vergangene Woche eingeräumt. Der Chef der Genossenschaftsbank wälzt seit geraumer Zeit den Plan, den kalkulatorischen Zinssatz von 5 Prozent bei der Vergabe von Hypotheken zu senken.
Sein Argument: Dadurch könnten sich einkommensschwächere Familien eine Immobilie leisten. Hintergrund der geplanten Hypotheken-Offensive von Raiffeisen ist wohl eher das zunehmend schwache Zinsgeschäft und das Abflachen der Kreditausdehnung der Genossenschaftsbank.
Andere Banken sind deutlich vorsichtiger
Im vergangenen Jahrzehnt ist Raiffeisen im Hypothekengeschäft enorm gewachsen und hat mit teils aggressiven Preis- und Finanzierungsmodellen den grossen Drei – UBS, Credit Suisse und Zürcher Kantonalbank – erhebliche Marktanteile abgenommen. Raiffeisen gilt wegen ihres hohen Exposures im Schweizer Hypothekarmarkt inzwischen auch als systemrelevante Bank.
Gisels Vorhaben der Billig-Hypotheken war in Schweizer Bankkreisen nicht gut angekommen, namentlich auch bei den beiden Grossbanken, die in den letzten Jahren deutlich vorsichtiger bei der Vergabe von Hypotheken geworden sind. Lockerere Vergabekriterien würden das Risiko von Kreditausfällen bei einer Zinssteigerung erhöhen, so die Befürchtungen.
Gefahr eine Spirale
Auch die Finma: Sie beurteilte die Risiken ebenfalls höher als Raiffeisen und befürchtete zudem, die Genossenschaftsbank könnte eine Spirale auslösen, die andere Banken ebenfalls zu einer Lockerung der Vergabekriterien bewegen würde.
Raiffeisen-CEO Gisel akzeptierte das «Njet» der Finma aber nur halb. Der «Der Schweiz am Sonntag» sagte er: «Wir suchen nach neuen Wegen. Wir könnten Hypotheken über regulatorisch vorgesehene Ausnahmen speziell für junge Familien anbieten.»
Eine Lücke ausnützen
Tatsächlich gestattet die Finma den Schweizer Banken Ausnahmefälle bei der Vergabe von Hypotheken. Sie nennt dies «execptions to policy». Raiffeisen will diese regulatorische Lücke offenbar nützen. So zitiert die «Schweiz am Sonntag» einen hohen Raiffeisen-Manager: «Gegen den Weg über die 'exceptions to policy' kann die Finma nun wirklich nichts einwenden.»
Die Finma gab wie üblich keine Stellungnahme zu einzelnen Angeboten von Beaufsichtigten ab. Doch Finma-Statements zur «exceptions to policy» klingen recht eindeutig. «Exceptions sind für begründete Ausnahmefälle vorgesehen, die eine besondere Behandlung rechtfertigen», heisst es.
Finma sieht nach wie vor Überhitzungsrisiken
Die Finma beobachte sehr genau wie sich die Anzahl gewährter Ausnahmen entwickle. Verändere sich die Zahl dieser Ausnahmen auffällig, gehe die Finma dem nach und ergreife, wo nötig, Massnahmen.
Mit anderen Worten: Die Finma behandelt ihre «exceptions to policy» keinesfalls lax – insbesondere auch nicht im Hypothekengeschäft.
«Die über mehrere Jahre aufgebauten Überhitzungsrisiken im Immobilienmarkt bestehen weiterhin», stellte die Finma gegenüber der Zeitung fest. Es sei weiterhin notwendig, konsequent die Regeln zu Tragbarkeit, Belehnung und Amortisation einzuhalten.
Das Schwere Erbe von Pierin Vincenz
«Entsprechend steht die Finma einer Lockerung der Tragbarkeitsstandards ablehnend gegenüber, und kommuniziert dies auch gezielt gegenüber Instituten.»
Gisel befindet sich mit seiner Vision eines tieferen kalkulatorischen Zinssatzes und dem Hypotheken-Angebot für junge und einkommensschwächere Familien allein auf weiter Flur.
Der Raiffeisen-CEO hat von seinem Vorgänger Pierin Vincenz ein schwieriges Erbe übernommen. Raiffeisen stösst an die Wachstumsgrenzen.
Das Vorhaben, mit Private Banking und Asset Management ins Anlagegeschäft vorzustossen, stockt. Und mit der Beteiligung von 30 Prozent am Derivate-Spezialisten Leonteq droht nach dessen Absturz ein grösserer Abschreiber bei Raiffeisen.