An der jüngsten Generalversammlung der Credit Suisse ging ein Urgestein von Bord: Walter Kielholz. Eine kurze Einordnung.
«Wenn ihm etwas nicht passt, greift er zum Telefon und lässt seine Beziehungen spielen», heisst es im Umfeld von Walter Kielholz (Bild), und das ist nicht einmal böse gemeint. Denn wer auf eine so lange und wechselvolle Karriere in den obersten Sphären des Schweizer Wirtschafts-Establishments zurückblicken kann, darf gut vernetzt sein.
Doch gerade weil seinem Schalten und Walten auch eine Spur Machiavellismus anhaftet, hat sich Kielholz über die Jahre nicht nur Freunde gemacht. Im Gegenteil: Für seine ärgsten Kritiker ist er das Abbild des masslosen Managers, der Aktionärswert vernichtet und sich und seinen Leuten exorbitante Saläre zuschanzt.
Lebenswerk vergoldet?
Als Kielholz mit einem Gehalt von 8,5 Millionen Franken im Jahr 2004 auf der Titelseite der Schweizer Boulveard-Zeitung «Blick» stolz verkündete: «Von Gier kann keine Rede sein», brauchte er sich nicht zu wundern, wenn der Berufspolemiker und SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli umso hysterischer seine verbale Moralkeule herumschwang und lauthals verkündete: «Kielholz liess sich sein Lebenswerk mit weit über 100 Millionen vergolden. Sein todsicheres Rezept: Von zwei Firmen kassieren, links reden, rechts abzocken.»
Gemeint ist Kielholz' Parallel-Engagement bei der Swiss Re sowie bei der Credit Suisse (CS). Bei letzterer, die an diesem Freitag ihre diesjährige Generalversammlung in Zürich abhält, will er sich nach 15 Amtsjahren als Verwaltungsrat nicht mehr zur Wiederwahl stellen.
Hinter den Säulen verschwunden
In Gesprächen mit Journalisten gibt sich der 63-jährige Stadtzürcher gern jovial und gemütlich. Nicht ungern kokettiert er dann mit seiner Karriere und versichert, dass er sie nie gesucht habe. Vielmehr sei er in sie hineingerutscht. Die anderen, erzählt er, seien immer «hinter den Säulen verschwunden», wenn es einen neuen Chef gebraucht habe. Das mag aufopfernd klingen, doch rein zufällig ist Kielholz trotzdem nicht zu einem der einflussreichsten Wirtschaftsmagnaten avanciert.
Seine schiere Machtfülle ist so vielgestaltig wie der Blick durch ein Kaleidoskop: Banker, Versicherer, Kunstförderer, Mitglied der Altherren-Zunft zur Meisen, des Rotary Clubs und der Denkfabrik Avenir Suisse. Obendrein sitzt er in unzähligen internationalen Gremien wie dem Institute of International Finance oder einer Erfahrungsgruppe, die den Bürgermeister von Schanghai berät. 2005 wurde er sogar in die Insurance Hall of Fame aufgenommen.
Frühe Ambitionen als Galerist
Ursprünglich wollte Kielholz Hoteldirektor werden, weil sein Vater gerne in schönen Hotels Ferien machte. Später schrieb er Theaterkritiken und zog eine diplomatische Karriere in Betracht. Am Ende riet ihm sein Vater, der als Unternehmer in der Textilbranche tätig war, zum Studium der Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen. Einige Jahre arbeitete er beim Schweizerischen Studentenreisedienst SSR, bevor er 1976 beim Rückversicherer General Re anheuerte. Später wirkte er als Galerist, wechselte dann aber zur CS, 1989 zur Swiss Re.
Man könnte behaupten, Kielholz habe seinen Durchbruch vor allem einer Person zu verdanken, seinem einstigen Kameraden aus dem Gymnasium: Lukas Mühlemann. Im Jahr 1996 stand Josef Ackermann an der Konzernspitze der CS, während die Swiss Re unter den Fittichen von Mühlemann war. Als sich Ackermann mit CS-Übervater Rainer E. Gut verkrachte, transferierte Gut den Vorzeigemanager Mühlemann zur CS. Kielholz erklomm so die Spitze der Rück – 1999 schaffte er es auch in den Verwaltungsrat der «verbündeten» CS, dem er bis jetzt noch als gewöhnliches Mitglied angehörte.
Verhängnisvolles Bonusprogramm
Im Jahr 2003 hielt Mühlemann erneut die Steigbügel bereit, zwar unfreiwillig: Nach dem Swissair-Debakel musste er gehen. Weil der vom CS-Verwaltungsrat portierte Nestlé-Chef Peter Brabeck auf keinen Fall das Präsidium übernehmen wollte, wurde Kielholz dazu verknurrt. «Er hatte die schlechtesten Ausreden», sagt einer, der damals dabei war. Kaum im Amt, führte Kielholz ein neuartiges Bonusprogramm ein, damit die besten Leute nicht abspringen.
Geld gab es erst nach fünf Jahren. Noch ahnte niemand, was das Programm dereinst auslösen würde. Tatsächlich führte der überraschend gute Geschäftsgang dazu, dass CS-Chef Dougan mehr als 70 Millionen Franken einstreichen durfte – Kielholz mutierte zum Buhmann, und die Summe bot einzelnen Aktionären auch an der Generalversammlung wieder Schimpfstoff.
Spekulative Hochfinanz
Die Wirren der Subprime-Krise meisterte der CS-Konzern zwar gut, doch musste er sich nach dem Kollaps der US-Bank Lehman Brothers vorwerfen lassen, Anleger mit riskanten Finanzprodukten über den Tisch gezogen zu haben. In die Amtszeit von Kielholz fiel auch die Fusion der CS-Privatbankentöchter zur Clariden Leu; ein Projekt, das am Ende zur Aufgabe der ältesten Schweizer Bankmarke Leu führte. Ein Debakel.
Dass die UBS in jener Zeit tiefer im Sumpf steckte und der damalige CS-Chef Oswald Grübel mit seiner kauzigen Art für mehr Aufsehen sorgte, kam Kielholz durchaus gelegen. Doch während die CS die Klippen der Krise elegant umschiffen konnte, schlitterte die Swiss Re, wo Kielholz von 2003 bis 2009 als Vizepräsident die Strategie mitverantwortete, umso ärger ins Verderben. Der Ausflug in die spekulative Hochfinanz erwies sich als Mega-Flop.
Alte Seilschaften
Der Rückversicherer hatte sich mit Finanzderivaten verspekuliert und drohte bankrott zu gehen. Der Börsenwert schrumpfte zeitweilig um mehr als 80 Prozent. Die Wut der Aktionäre war gigantisch, der Druck auf Kielholz immens. Doch wieder war es dieser Hang zum Machiavellistischen, der Kielholz vor Schlimmerem bewahrte. Nicht er, sondern Verwaltungsratspräsident Peter Forstmoser ging, während Kielholz das Zepter übernahm.
Sogleich liess er seine Beziehungen spielen. Mittels einer 3 Milliarden Franken schweren Wandelanleihe half Uralt-Investor Warren Buffett aus der Patsche. Kaum überm Berg, hielt es Kielholz für angezeigt, dass die Swiss Re mit einigen Verbündeten aus der CS bestückt wurde. Sukzessive wechseltenn David Blumer, Thomas Wellauer und Renato Fassbind zum Rückversicherer, sodass sich Kielholz – nicht ganz überraschend – dem Verdacht aussetzte, alte Seilschaften zu alimentieren.
Neue Überraschungen
Ende 2011 quittierte beliebte und bewährte Swiss-Re-Konzernchef Stefan Lippe den Dienst. Für Kielholz war das Grund genug, wieder einmal mit einer Überraschung aufzuwarten. In seiner Funktion als Swiss-Re-Präsident beförderte er nicht etwa den jüngeren, aufstrebenden Christian Mumenthaler oder den bestens vernetzten Thomas Wellauer an die Spitze des Rückversicherers. Er wählte den 58-jährigen Luxemburger Michel Liès, der dem Unternehmen seit über 30 Jahren die Treue gehalten hatte.
Damit verblüffte er einmal mehr die ganze Branche. Das hat Methode bei «Killy», wie in seine Freunde nennen. Sie erinnern sich auch an folgende Episode: Als Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse orchestrierte Kielholz vor zehn Jahren auch die Absetzung des damals neben Oswald Grübel amtierenden Co-Chefs John Mack.
Bittere Pille
Der Amerikaner war nicht länger opportun, weil er mit seinen notorischen Übernahmegelüsten die CS allzu sehr in Richtung Risiko trieb. Als Kielholz im Mai 2004 dem ahnungslosen Banker morgens vor einer Verwaltungsratssitzung in New York eröffnete, dass er bei der Bank nicht mehr erwünscht sei, war die Nachricht schon an die Medien verschickt worden. Zudem hatte man Macks Abgangsentschädigung fixiert und seinen Nachfolger bestimmt – Brady Dougan. Dem perplexen Amerikaner blieb nichts anderes übrig, als die bittere Pille zu schlucken.
Obschon die Credit Suisse die Finanzkrise souverän meisterte, geriet sie in den Folgejahren umso mehr in die Bredouille. Vor allem musste sie sich den Vorwurf von der Schweizerischen Nationalbank gefallen lassen, unterkapitalisiert zu sein. Ausserdem gelang es der Bank auch nicht, den Anlegern eine schmackhafte Investment-Story zu unterbreiten.
Stattdessen geriet die CS immer mehr ins Zentrum des Steuerstreits mit den USA. Mittlerweile scheint der Showdown bloss noch eine Frage von Tagen zu sein – mit ungeahnten, wohl aber einschneidenden Konsequenzen für die Bank.
Wie der Vater?
Bei der CS trat Kielholz in den vergangen Jahren kaum mehr nach aussen in Erscheinung. Den undankbaren Job überliess er lieber dem eher etwas glücklos agierenden Präsidenten Urs Rohner. Wird er nun mit einem Mandat weniger etwas kürzer treten?
«Nur Golf zu spielen kann ja wohl keine Alternative sein», sagt Kielholz und erzählt, dass sein Vater bis 80 gearbeitet habe. «Im Prinzip könnte ich noch eine neue Karriere anfangen», sagt einer der mächtigsten Manager im Lande. Das wäre dann eine ganz grosse Überraschung.
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